Die Staatspolitische Kommission des Nationalrates ist der Ansicht, dass die Förderung der rechtswidrigen Ein- und Ausreise in die Schweiz sowie des rechtwidrigen Aufenthalts in der Schweiz weiterhin bestraft werden soll und auch keine Ausnahmen vorgesehen werden sollen, wenn aus humanitären Gründen gehandelt wurde.

​Die Kommission spricht sich mit 15 zu 8 Stimmen gegen eine von Nationalrätin Lisa Mazzone (G, GE) eingereichte parlamentarische Initiative (18.461n Pa.Iv. Mazzone. Artikel 116 AuG. Solidarität nicht mehr kriminalisieren) aus, die verlangt, dass Personen, die Hilfe leisten, sich nicht strafbar machen, wenn sie dies aus achtenswerten Gründen tun. Die Kommission weist darauf hin, dass in leichten Fällen bereits heute von einer Freiheitsstrafe abgesehen wird und nur eine Busse oder Geldstrafe ausgesprochen werden kann. Es ist davon auszugehen, dass die Richterinnen und Richter in konkreten Fällen das Verhältnismässigkeitsprinzip anwenden und von hohen Strafen absehen, wenn aus humanitären Gründen gehandelt wurde. Es kann auch nicht mit der Situation von Flüchtlingshelfern im Zweiten Weltkrieg verglichen werden. Zum einen ist die Schweiz von Rechtsstaaten umgeben und sie kennt heute selber ein asylrechtliches System, das hohen rechtsstaatlichen Standards genügt. Schliesslich wäre es bei der Umsetzung der parlamentarischen Initiative nicht einfach, den Begriff «achtbare Motive» zu definieren.

Die Minderheit ist der Ansicht, dass in der Gesetzgebung klar zwischen Schleppertum und Hilfe aus humanitären Gründen unterschieden werden sollte. Die Schweiz sollte – wie verschiedene andere europäische Staaten - Personen, die aus humanitären Gründen handeln, nicht kriminalisieren.

Kein nationales Verbot der Administrativhaft für Minderjährige

Wie der Ständerat spricht sich die SPK des Nationalrates mit 14 zu 8 Stimmen gegen eine Standesinitiative des Kantons Genf aus, wonach die Administrativhaft für Minderjährige generell zu verbieten ist (18.321s Kt.Iv. GE. Stopp der Administrativhaft für Kinder!). Das Bundesrecht untersagt schon heute die Administrativhaft für Kinder unter 15 Jahren. Ob im Falle einer Wegweisung von 15-18-jährigen Migrantinnen und Migranten auch die Administrativhaft vorgesehen werden soll, entscheiden die Kantone. Die Kommission geht davon aus, dass die Kantone das Instrument zurückhaltend anwenden und jeweils alternative Möglichkeiten prüfen. Es braucht hier keinen Eingriff des Bundesgesetzgebers.

Eine Minderheit erachtet das Instrument der Administrativhaft für Minderjährige als unverhältnismässig, weil es traumatische Auswirkungen haben könne. Gewisse Kantone würden erfolgreich alternative Möglichkeiten nutzen.

Institutionelles Rahmenabkommen: Kommission unterstützt Motion des Ständerates

Die Kommission hat zwei vom Nationalrat noch nicht behandelten Forderungen einer vom Ständerat am 12. Juni 2019 angenommenen Motion (19.3416 s Mo. Ständerat (WAK-SR). Zusatzverhandlungen zum institutionellen Abkommen mit der EU) zugestimmt. Die Kommission hält klar fest, dass auch bei der dynamischen Rechtsübernahme die direktdemokratischen Mitwirkungsmöglichkeiten in der Schweiz weiterhin gelten: Das Referendum gegen völkerrechtliche Verträge und gegen Gesetzesänderungen zur Umsetzung dieser Verträge wird in gewohnter Weise gemäss Bundesverfassung zur Anwendung kommen. Ebenso unterstützt die Kommission die in der Motion aufgelisteten Forderungen zur Streitbeilegung. Die Kommission hat diesen beiden Punkten der Motion mit 12 zu 11 Stimmen zugestimmt, da sie diese bekräftigen will. Die Minderheit hat sich gegen diese beiden Forderungen ausgesprochen, weil sie diese als selbstverständlich bzw. erfüllt erachtet.

Mit 17 zu 3 Stimmen und 3 Enthaltungen hat die Kommission hingegen den letzten Punkt der Motion abgelehnt, wonach die Abstimmung über die Begrenzungsinitiative vorgezogen werden soll. Diese Forderung ist erfüllt, weil die Volksabstimmung über diese Initiative bereits nächstes Jahr stattfinden wird, die Verhandlungen zum Rahmenabkommen jedoch noch laufen.

Stellensuchende der IV sollen auch vom Inländervorrang profitieren

Mit 19 zu 4 Stimmen hat die Kommission die vom Ständerat am 17. Juni 2019 angenommene Motion (19.3239 s Mo. Ständerat (Bruderer Wyss). Keine Ausgrenzung der Stellensuchenden der IV beim Inländervorrang (Umsetzung der Masseneinwanderungs-Initiative) angenommen. Bereits heute besteht beim Inländervorrang gesetzlich keine Einschränkung für Personen, die Invalidenversicherung beziehen. Die Motion fordert, dass zusätzlich im Rahmen der interinstitutionellen Zusammenarbeit Massnahmen ergriffen werden, um IV-Bezügerinnen und IV-Bezüger möglichst unbürokratisch in das System der Stellenmeldepflicht einzubeziehen.

Verfahren bei Motionen: Erstrat soll an seinem Text festhalten können

Wie ihre Schwesterkommission erachtet es auch die SPK des Nationalrates als unbefriedigend, wenn der Erstrat eine vom Zweitrat abgeänderte Motion nur entweder in der abgeänderten Form annehmen oder sie ganz ablehnen kann. Sie spricht sich deshalb mit 20 zu 4 Stimmen für eine parlamentarische Initiative aus, welcher die Ständeratskommission einstimmig Folge gegeben hatte (18.458 s Pa.Iv. Rieder. Differenzbereinigungsverfahren bei Motionen). Der Erstrat sollte die Möglichkeit haben, am ursprünglichen Text seiner Motion festzuhalten, wenn ihn der vom Zweitrat vorgeschlagene Text nicht überzeugt. Die Kommission des Ständerates kann nun eine Vorlage ausarbeiten.

Festhalten am schweizerischen Asylsystem

Die Kommission hat mit 14 zu 8 Stimmen einer parlamentarische Initiative von Nationalrat Luzi Stamm, welche den Asylbereich in verschiedenen Punkten neu regeln wollte (18.460n Pa.Iv. Stamm. Hilfe vor Ort), keine Folge gegeben. Die Schweiz unterstützt bereits heute Projekte vor Ort und leistet dadurch einen grossen Beitrag. Die Hilfe vor Ort kann das schweizerische Asylrecht jedoch nicht ersetzen: Asylgesuche sollen in der Schweiz gestellt und behandelt werden können. Für die Errichtung von Schutzzonen im Ausland wäre eine grosse internationale Koordination notwendig.

Eine Minderheit erachtet es als sinnvoller, wenn die Asylsuchenden nicht gefährliche Fluchtwege antreten müssen und in ihrem Kulturkreis bleiben können. Indem ihre Asylgesuche dort geprüft würden, könnten Kosten gespart werden.

Beim Bund sollen auch Frauen bis 65 arbeiten dürfen

Die vom Ständerat am 13. Juni 2019 angenommene Motion soll es Frauen ermöglichen, bis zum 65. Altersjahr zu arbeiten und allen Bundesangestellten eine Weiterbeschäftigung bis 67 zu gewähren, sofern dies vom Mitarbeiter gewünscht wird (19.3233 s Mo. Ständerat (Schmid Martin). Beseitigung der Diskriminierung von Frauen, die beim Bund, bei bundesnahen und bei vom Bund subventionierten Unternehmen angestellt sind. Flexibilisierung der Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten bis zum 67. Altersjahr). Die Kommission lehnt die Motion mit 19 zu 1 Stimmen ab. Ein Teil der Kommission ist der Ansicht, dass die Motion nicht mehr notwendig ist, weil der Bundesrat nächste Woche die Bundespersonalverordnung wahrscheinlich so anpassen wird, dass beim Bund angestellte Frauen das Recht erhalten, bis zum Alter von 65 Jahren zu arbeiten. Ein anderer Teil der Kommission spricht sich aus inhaltlichen Gründen gegen die Motion aus: Diese Kommissionsmitglieder wollen den Frauen nicht das Recht einräumen, länger arbeiten zu dürfen, auch wenn das der Arbeitgeber nicht will.


Die Kommission tagte am 7./8. November 2019 unter dem Vorsitz ihres Präsidenten Nationalrat Kurt Fluri (FDP/SO) in Bern.