Nach eingehender Diskussion hat sich die Staatspolitische Kommission des Ständerates knapp für die Ausarbeitung einer Verfassungsänderung zur Einführung des aktiven Stimm- und Wahlrechts für 16-Jährige ausgesprochen.

Die Kommission stimmt der parlamentarischen Initiative von Nationalrätin Sibel Arslan (G, BS) mit 7 zu 6 Stimmen zu (19.415 n Pa. Iv. Den jungen Menschen eine Stimme geben. Aktives Stimm- und Wahlrecht für 16-Jährige als erster Schritt ins aktive politische Leben). Da der Nationalrat das Anliegen am 10. September 2020 mit 98 zu 86 Stimmen bei 2 Enthaltungen unterstützt hat, kann die Staatspolitische Kommission des Nationalrates nun die notwendige Verfassungsänderung ausarbeiten.

Nach Ansicht der Kommission macht es gerade in einer direkten Demokratie Sinn, die politische Teilnahme möglichst früh zu ermöglichen. Die Jugendlichen werden z.B. von den Auswirkungen eines CO2-Gesetzes oder von der Ausgestaltung der Altersvorsorge stark und lange betroffen sein. Aufgrund der demographischen Entwicklung liegt der Medianwert des Alters der Stimmberechtigten heute bei 57 Jahren, was staatspolitisch bedenklich ist.

Das Stimmrechtsalter 16 kann auch der politischen Bildung Schub verleihen. Schulen erhalten dadurch einen Anreiz, noch früher und intensiver politische Bildung zu betreiben, weil die Schülerinnen und Schüler das Erlernte früh in der Praxis anwenden können.

Die Diskussion sollte jetzt auf Bundesebene vertieft und offen geführt werden. Volk und Stände sollen die Möglichkeit haben, sich dazu zu äussern.

Die Minderheit erachtet es grundsätzlich als problematisch, wenn politische Rechte ausgeübt werden können, bevor das zivile Mündigkeitsalter erreicht ist: Damit würden zum einen Rechte und Pflichten auseinanderfallen. Zum andern sei es schwer zu erklären, weshalb jemandem Entscheide in eigenen Sachen nicht zugemutet werden, jedoch solche die Allgemeinheit betreffend schon, zumal diese in einer direkten Demokratie bisweilen sehr komplex sind. Die Minderheit erachtet es sodann als sinnvoller, wenn Erweiterungen des Stimmrechts zuerst auf Gemeinde- und Kantonsebene geprüft und erprobt werden, bevor sie auf Bundesebene Eingang finden. Schliesslich ist die Aufspaltung des Stimmrechts für die Minderheit nicht nachvollziehbar.

Elektronische Tools für die Ausübung der politischen Rechte: Bundesrat ist auf Kurs

Die Kommission konnte feststellen, dass der Bundesrat im Rahmen der Neuausrichtung des Versuchsbetriebs zu E-Voting eine enge Zusammenarbeit mit der Wissenschaft und den Kantonen im Hinblick auf die Nutzung von Instrumenten für E-Voting anstrebt. Sie erachtet deshalb die von Ständerat Carlo Sommaruga eingereichte Motion (20.3908 Neuer Schwung für die konsequente Umsetzung der elektronischen Tools zur Ausübung der politischen Rechte) als nicht notwendig und beantragt ihrem Rat ohne Gegenantrag, diese abzulehnen.

Kommission spricht sich grundsätzlich für punktuelle Anpassung des Status der vorläufigen Aufnahme aus

Nachdem der Nationalrat in der Wintersession nicht auf die Vorlage zur Änderung des Ausländer- und Integrationsgesetzes (20.063) eingetreten ist, musste die SPK des Ständerates nur über das Eintreten befinden.

Die Kommission beantragt ihrem Rat mit 8 zu 3 bei 2 Enthaltungen auf die Vorlage einzutreten. Sie begrüsst grundsätzlich die vom Bundesrat vorgeschlagenen Änderungen, wodurch einerseits vorläufig aufgenommene Personen künftig den Kanton wechseln können, wenn sie im neuen Kanton eine Stelle haben oder eine längere berufliche Ausbildung absolvieren und keine Sozialhilfe beziehen, und andererseits die Reisen in den Heimatstaat sowie in Drittstaaten auf Gesetzesstufe geregelt werden. Eine Minderheit beantragt nicht auf die Vorlage einzutreten.

Massnahmen zur Unterstützung von gewaltbetroffenen Geflüchteten in Bundesasylzentren bereits in Umsetzung

Die Kommission spricht sich mit 8 zu 4 Stimmen bei 1 Enthaltungen gegen die Motion 20.3924 aus. In Anbetracht der bereits vorgenommenen und geplanten Massnahmen durch den Bund, werden die Forderungen der Motion - für eine schnellere Opferidentifikation zu sorgen und sicherzustellen, dass Flüchtlinge, die Opfer von Gewalt wurden, Zugang zur benötigten Gesundheitsversorgung haben - bereits erfüllt. Eine Minderheit beantragt die Annahme der Motion.

Kein Handlungsbedarf für verlängerte Ausreisefrist von Lehrlingen

Mit 9 zu 4 Stimmen spricht sich die Kommission auch gegen die Motion 20.3925 aus, die fordert, dass in den Schweizer Arbeitsmarkt integrierte Asylsuchende mit Lehr- oder Ausbildungsvertrag bei einem negativen Asylentscheid vor der Rückkehr ins Herkunftsland ihre berufliche Grundbildung mittels einer verlängerten Ausreisefrist weiterführen und abschliessen können. Die Kommission hat Verständnis für das Anliegen, sieht jedoch keinen gesetzgeberischen Handlungsbedarf, da im Rahmen der neuen Rechtslage durch das beschleunigte Asylverfahren per 1.3.2019 solche Situationen nicht mehr vorkommen sollten. Für die stark abnehmenden altrechtlichen Fälle bestehen bereits heute verschiedene Instrumente, um Lehren, die kurz vor dem Abschluss stehen, zu ermöglichen. Eine Minderheit beantragt die Annahme der Motion.

Administrativhaft für Jugendliche als letztes Mittel

Mit 7 zu 5 Stimmen bei 1 Enthaltung spricht sich die Kommission erneut dagegen aus, die Administrativhaft für minderjährige Migrantinnen und Migranten durch eine nationale Gesetzgebung zu verbieten, wie dies die Standesinitiative 18.321 des Kantons Genf «Stopp der Administrativhaft für Kinder!» fordert. Das Bundesrecht untersagt schon heute die Administrativhaft für Kinder unter 15 Jahren. Ob im Falle einer Wegweisung von 15-18-jährigen Migrantinnen und Migranten eine Administrativhaft vorgesehen werden soll, liegt in der Kompetenz der Kantone. Die Kommission betont, dass die Administrativhaft von unter 18-Jährigen als letztes Mittel und stets verhältnismässig anzuwenden ist.

Eine Minderheit beantragt der parlamentarischen Initiative Folge zu geben.

Kommission für Veröffentlichung der Namensliste bei Abstimmungen im Ständerat

Die Kommission beantragt mit 9 zu 3 Stimmen bei 1 Enthaltung, der parlamentarischen Initiative 19.498 von Ständerat Thomas Minder Folge zu geben. Diese verlangt, dass im Ständerat – wie in der grossen Kammer – zu allen Abstimmungen Namenslisten veröffentlicht werden und nicht nur in besonderen Fällen, wie dies die geltende Regelung vorsieht. Es ist ein wiederkehrendes Thema im Ständerat. In den Augen der Kommission entspricht es dem Zeitgeist, für mehr Transparenz zu sorgen. Sie hält allerdings auch fest, dass die gewünschte Änderung zwangsläufig auch negative Begleiterscheinungen hat (u. a. gewisse undifferenzierte, in den Medien veröffentlichte Ratings). Nach diesem Folgegeben kann die Kommission die Ausarbeitung eines Entwurfs zur Änderung des Geschäftsreglements des Ständerates in Angriff nehmen.

Erleichterungen für geimpfte Personen

Die Kommission hat sich mit Fragen auseinandergesetzt, die sich im Zusammenhang mit allfälligen Erleichterungen für gegen Covid-19 geimpfte Personen stellen, und dabei insbesondere über die Themen Grundrechte und Datenschutz diskutiert. Sie hat Kenntnis genommen von den Erläuterungen des Bundesamtes für Justiz und des Eidgenössischen Datenschutzbeauftragten in dieser Sache und wird diese Diskussion an ihrer nächsten Sitzung am 23. Februar fortführen.

Bewerbungen auf offene Stellen in der Bundesverwaltung. Ja zum Mehrsprachigkeitsmonitoring

Ohne Gegenstimme beantragt die Kommission, die Motion 20.3920 aus dem Nationalrat anzunehmen. Diese beauftragt den Bundesrat, bei Bewerbungen auf offene Stellen in der Bundesverwaltung ein Monitoring durchzuführen, um die Sprachgemeinschaft und den Herkunftskanton der Kandidaten und Kandidatinnen zu eruieren. Die Kommission möchte insbesondere, dass der Bundesrat Informationen darüber liefert, in welchen Kantonen die Kandidatinnen und Kandidaten die Schule absolviert haben und wie die Situation in den bundesnahen Unternehmen aussieht.

Die Kommission tagte am 1./2. Februar 2021 unter dem Vorsitz ihres Präsidenten Ständerat Andrea Caroni (RL/AR) in Bern.