Schweizerinnen und Schweizer sind beim Nachzug von Familienmitgliedern aus Drittstaaten derzeit gegenüber Staatsangehörigen von EU-/EFTA-Ländern rechtlich benachteiligt. Mit einem vom Nationalrat in der Sommersession verabschiedeten Gesetzesentwurf soll diese Diskriminierung beseitigt werden. Die Staatspolitische Kommission des Ständerates beantragt ihrem Rat mit knapper Mehrheit, nicht auf den Entwurf einzutreten, da sie diesen nicht als notwendig und dessen Auswirkungen als nicht abschätzbar erachtet.

Der von der Staatspolitischen Kommission des Nationalrates (SPK-N) ausgearbeitete Entwurf zur Änderung des Ausländer- und Integrationsgesetzes (AIG) dient der Umsetzung der parlamentarischen Initiative 19.464, welche verlangt, beim Nachzug von Familienmitgliedern aus Drittstaaten die Benachteiligung von Schweizerinnen und Schweizern gegenüber Staatsangehörigen von EU-/EFTA-Ländern zu beseitigen. Die vorgeschlagene Änderung würde es Schweizerinnen und Schweizern sowie deren Ehegatten zum Beispiel ermöglichen, ihre aus Drittstaaten stammenden Eltern in die Schweiz zu holen, sofern deren Unterhalt sichergestellt ist sowie diese über eine geeignete Wohnung verfügen und sich in der Schweiz integrieren. Der entsprechende Entwurf wurde vom Nationalrat in der Sommersession 2024 mit kleineren Änderungen angenommen.

Nach der Vorberatung beantragt die Staatspolitische Kommission des Ständerates (SPK-S) ihrem Rat mit 6 zu 6 Stimmen und Stichentscheid des Präsidenten, nicht auf den Entwurf einzutreten. Die Kommissionsmehrheit ist der Ansicht, dass nicht abschätzbar ist, wie viele Migrantinnen und Migranten aufgrund der geplanten Gesetzesänderung zusätzlich in die Schweiz kommen werden. Die Annahme des Entwurfs ohne Klarheit über die zu erwartende zusätzliche Einwanderung wäre in ihren Augen ein politisch nicht vertretbarer Sprung ins Ungewisse. Ihrer Auffassung nach ist nicht auszuschliessen, dass die Gesetzesänderung zu einem nicht absehbaren Zuzug in die Schweiz führt. Zudem sieht die Mehrheit nicht, inwiefern für diese Änderung dringender gesetzgeberischer Handlungsbedarf besteht. Sie verweist darauf, dass die Schweiz gemäss Artikel 121a der Bundesverfassung die Zuwanderung von Ausländerinnen und Ausländern eigenständig steuert.

Die Kommissionsminderheit beantragt, auf den Entwurf einzutreten, da es in ihren Augen keine Rechtfertigung dafür gibt, dass Schweizerinnen und Schweizer beim Familiennachzug gegenüber Staatsangehörigen von EU-/EFTA-Ländern benachteiligt werden.

Adressdienstgesetz soll nicht an den​​ Bundesrat zurückgewiesen werden

Nachdem der Nationalrat am 29. Februar 2024 auf Antrag seiner SPK beschlossen hat, die Vorlage betreffend das Adressdienstgesetz (23.039) an den Bundesrat zurückzuweisen, beantragt die SPK des Ständerates nun ihrem Rat mit 9 zu 4 Stimmen, diese Rückweisung abzulehnen. Die Kommission hat vor ihrem Entscheid Verfassungsrechtler und eine Vertretung der Konferenz der Kantonsregierungen angehört. Diese Anhörungen haben zum einen ergeben, dass die Verfassungsmässigkeit vertretbar ist. Durch gezielte Änderungen bestimmter Bestimmungen könnten noch gewisse Unklarheiten beseitigt werden. Zum andern wünschen die Kantone eine rasche Umsetzung dieses Projektes. Die Kantone erachten die Vorlage als wichtiges Projekt im Bereich der Digitalisierung der Verwaltung. Die Bundesversammlung sollte sich nach Ansicht der Kommission diesen Effizienzbemühungen nicht in den Weg stellen.

Den Dialog mit Eritrea über die Rüc​​​kübernahme eritreischer Staatsangehöriger wiederherstellen

Die SPK-S beantragt einstimmig, die Motion Friedli Esther (Minder) 23.4038 («Migrationsabkommen mit Eritrea anstreben») in der vom Nationalrat geänderten Fassung anzunehmen. Der Nationalrat hatte eine Ergänzung vorgenommen, welche verlangt, dass das Staatssekretariat für Migration (SEM) eine Vertretung in diese Region entsendet. Das SEM hat bestätigt, dass in Kürze ein «Immigration Liaison Officer» (ILO) in die kenianische Hauptstadt Nairobi entsendet wird. Dieser wird sich regelmässig nach Eritrea begeben, um über die Rückübernahme eritreischer Staatsangehöriger zu verhandeln.

Begründung der Notwendigkeit von N​​otverordnungen

Die Kommission hat vom Bericht des Bundesrates vom 19. Juni 2024 betreffend «Anwendung von Notrecht» Kenntnis genommen. Sie hat dabei auch mit Befriedigung festgestellt, dass seitens Bundesrat und Verwaltung Bemühungen unternommen werden, um inskünftig die rechtliche Begründung der Notwendigkeit von Notrecht zu verbessern. Die Kommission erachtet es als sinnvoll, diese Begründungspflicht auch rechtlich zu verankern und stimmt der parlamentarischen Initiative von Ständerat Caroni mit 12 zu 0 Stimmen bei 1 Enthaltung zu (23.439).

Gewährleistung der Genfer Verfass​​ungsbestimmungen betreffend Elternschaftsversicherung aufgeschoben

Der Bund ist zuständig für Gewährleistung der Kantonsverfassungen (Art. 51 Abs. 2 BV). Die Bundesversammlung beurteilt jährlich mehrere Änderungen von Kantonsverfassungen danach, ob sie Bundesrecht nicht widersprechen. Nun beantragt der Bundesrat, die in der Volksabstimmung vom 18. Juni 2023 angenommene Änderung der Verfassung des Kantons Genf betreffend die Elternschaftsversicherung nur teilweise zu gewährleisten (24.052). Das Erwerbsersatzgesetz des Bundes sieht nämlich vor, dass die Kantone zwar grosszügigere Bestimmungen für die Mutterschaftsentschädigung vorsehen können, jedoch nicht für Vaterschaftsentschädigungen. Eine entsprechende Ergänzung des Bundesgesetzes wurde bei der Einführung des Vaterschaftsurlaubes abgelehnt. Dieser Entscheid wurde durch die Ablehnung der Standesinitiative des Kantons Jura bestätigt (20.320). Die Kommission beantragt nun seinem Rat, die Beschlussfassung über die Gewährleistung dieser Bestimmungen zu sistieren, bis die Bundesversammlung über eine Vorlage zur Änderung des Erwerbsersatzgesetzes befunden hat, welche die Bundesrechtskonformität der Genfer Bestimmungen herstellen würde. Vor ihrem Entscheid hat die Kommission eine Vertretung des Kantons Genf angehört. Im Übrigen beantragt die Kommission die Gewährleistung der weiteren im Bundesbeschluss enthaltenen Verfassungsänderungen der Kantone Bern, Waadt, Genf und Jura.

Verwaltung des Rütlis: Anhörungen der SGG und ​​des Kantons Uri

Die Kommission hat eine erste Aussprache geführt zur vom Nationalrat angenommenen Motion 23.3974, welche die Verwaltung des Rütlis durch die Schweizerische Eidgenossenschaft fordert. Da diese Verwaltung von der Schweizerischen Gemeinnützigen Gesellschaft (SGG) wahrgenommen wird, beschloss die Kommission, diese und auch eine Vertretung des Standortkantons Uri an einer nächsten Sitzung anzuhören, bevor sie Beschluss fasst.

Die Kommission hat am 20. August 2024 unter dem Vorsitz von Ständerat Daniel Fässler (M-E, AI) in Bern getagt.