Die Umweltkommission des Nationalrates will mit einer parlamentarischen Initiative das auslaufende Reduktionsziel für Treibhausgasemissionen verlängern und darauf basierende wichtige Massnahmen fortführen.

Die Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie des Nationalrates (UREK-N) hat mit 18 zu 7 Stimmen eine Kommissionsinitiative (21.477) beschlossen, um das befristete Reduktionsziel des geltenden CO2-Gesetzes bis Ende 2024 fortzuschreiben. Nach dem Nein zur Totalrevision des CO2-Gesetzes vom 13. Juni läuft das geltende Gesetz zwar weiter, allerdings würden bereits 2022 das Reduktionsziel und wichtige Massnahmen wegfallen. Firmen bestimmter Branchen könnten sich nicht länger von der CO2-Abgabe befreien lassen, indem sie sich dazu verpflichten, ihren CO2-Ausstoss zu senken. Aus Sicht der Kommission wäre es ein grosser Nachteil für die Schweizer Industrie, wenn diese bewährten individuellen Reduktionsverpflichtungen nicht mehr möglich wären. Zudem gäbe es ab 2022 keine Kompensationspflicht mehr für die Importeure von Benzin und Diesel. Treibstoffimporteure müssten nicht länger in Klimaschutzprojekte investieren, um einen Teil der im Verkehr entstandenen Emissionen auszugleichen. Damit wäre die Finanzierung vieler klimafreundlicher Vorhaben gefährdet.

Als nächster Schritt wird die ständerätliche Kommission über die Initiative befinden. Stimmt sie dem Vorhaben zu, kann die UREK-N eine Vorlage ausarbeiten. Die Zeit dafür drängt: Die Schweiz hat nur noch bis Ende Jahr ein Reduktionsziel. Deshalb soll spätestens in der Wintersession eine Gesetzesänderung verabschiedet werden.

Die Absicht der Kommission ist es, dass ihre Übergangslösung Ende 2024 ausläuft. Bis dann soll eine neue klimapolitische Vorlage erarbeitet werden. Die grosse Frage, wie es in der Schweiz Klimapolitik weitergeht, soll in diesem Rahmen geklärt werden. Die Kommission weist darauf hin, dass die Schweiz aufgrund der Ratifizierung des Übereinkommens von Paris weiterhin verpflichtet ist, ihre Emissionen bis 2030 um 50 Prozent gegenüber 1990 zu reduzieren.

Ein Teil der Kommission spricht sich gegen die Kommissionsinitiative aus. Sie hält es zwar für wünschenswert, dass die Kompensationsmassnahmen der Treibstoffimporteure und die Verminderungsverpflichtungen weiterlaufen, sieht aber keine Dringlichkeit für eine Weiterführung des Reduktionszieles. Zuerst müsse eingehend geprüft werden, wie die CO2-Gesetzgebung neu ausgestaltet werden könne.

Eine Eventualverpflichtung für die Versicherung von Erdbebenschäden

Der Bundesrat soll beauftragt werden, ein System der Eventualverpflichtung für den Erdbebenfall zu prüfen. Mit 15 zu 10 Stimmen hat die Kommission einer Motion ihrer Schwesterkommission zugestimmt (20.4329). Die Eventualversicherung stellt eine Alternative zu einer obligatorischen Versicherungslösung auf Bundesebene dar. Im Gegensatz zu einer Versicherung soll nicht im Voraus mit einer jährlichen Prämie die Deckung für den Schadenfall geschaffen werden, sondern die Zahlung erst geleistet werden, wenn ein Erdbeben eingetreten ist. Die Kommissionsmehrheit ist der Auffassung, das Risiko für die Schweiz sei beträchtlich, dass ein starkes Erdbeben grosse Schäden anrichten könne. Nicht alle Gebiete wären jedoch gleich betroffen, der Versicherungsschutz zudem nicht ausreichend gewährleistet. Da die Anstrengungen für ein interkantonales Konkordatsmodell bisher gescheitert seien, müsse der Bund seine Verpflichtung wahrnehmen für die Realisierung einer solidarischen Lösung. Die Kommissionsminderheit sieht hingegen weiterhin die Kantone in der Pflicht und wehrt sich gegen eine staatlich verordnete Solidarität. Es würden bereits Versicherungslösungen bestehen, zudem müsse auch präventiv gehandelt werden. So läge es in der Kompetenz der Kantone, Vorschriften für bauliche Massnahmen zu erlassen, um Schäden im Erdbebenfall zu verhindern.
Mit der Annahme der Kommissionsmotion bekommt der Bundesrat einen klaren Auftrag. Die Kommission stimmt daher dem Antrag des Bundesrates auf Abschreibung der Motion 11.3511 «Obligatorische Erdbebenversicherung» einstimmig zu und beschliesst, der Standesinitiative 19.307 «Schweizerische Erdbebenversicherung» keine Folge zu geben (24 zu 0 Stimmen bei 1 Enthaltung).

Pragmatische Lösung für die chemisch-pharmazeutische Industrie

Mit 16 zu 9 Stimmen beantragt die Kommission, die Motion 19.3734 in einer abgeänderten Fassung anzunehmen. Ziel ist es, dass Stoffe, die als «besonders besorgniserregend» kategorisiert sind, für die Herstellung von Chemikalien und Heilmittel dennoch verwendet werden können, aber nur unter strengen Auflagen. Die Verwendung darf ausschliesslich in geschlossenen Produktionssystemen erfolgen, damit der Gesundheits- und Umweltschutz gewährleistet bleibt. Zudem soll für die Unternehmen eine Melde- und Nachweispflicht gelten.

Mit ihrer Änderung schränkt die Kommission die ständerätliche Version ein, die eine generelle Ausnahme für geschlossene Systeme der chemisch-pharmazeutischen Industrie fordert und Bezüge zum EU-Recht streichen will. Aus Sicht der Kommission ist es wichtig, dass das Schweizer Chemikalienrecht auf jenes der EU abgestimmt bleibt.

Eine Minderheit stellt sich gegen die Motion. Mit dem Vorstoss werde die Substitutionspflicht für krebserregende, erbgutverändernde oder reproduktionstoxische Stoffe unterlaufen. Zudem seien Ausnahmebewilligungen bereits heute möglich, falls es für einen Stoff keinen Ersatz gebe.

Übermässigen Motorenlärm bekämpfen

Die Initiativen 20.443 und 20.444 zum Thema übermässiger Motorenlärm sind von der Initiantin zurückgezogen worden – mit Verweis auf die Kommissionsmotion 20.4339, die das Parlament in der Sommersession 2021 angenommen hat. Damit ist der Bundesrat beauftragt, im Rahmen einer übergeordneten Auslegeordnung zu prüfen, inwiefern Fahrverbote für besonders laute Fahrzeuge auf gewissen Strecken sowie der Einsatz von Lärmblitzern nützlich wären.

Schliesslich ist die Kommission auf die Vorlage zur Stärkung der Schweizer Kreislaufwirtschaft eingetreten (20.433) und wird an einer nächsten Sitzung die Detailberatung vornehmen. Anschliessend ist eine Vernehmlassung zu dieser Vorlage geplant.

Die Kommission hat am 21./22. Juni 2021 unter dem Vorsitz von Nationalrat Bastien Girod (G/ZH) und teilweise in Anwesenheit von Bundesrätin Simonetta Sommaruga in Bern getagt.