Die Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrats (WAK-N) hat sich aus erster Hand über die Vorgeschichte und die Umstände der Übernahme der Credit Suisse (CS) durch die UBS informieren lassen und reicht eine Reihe von Anträgen für Kommissionspostulate ein, die als solide Basis für notwendige Anpassungen der Gesetzgebung dienen sollen.

Anlässlich einer Aussprache mit Bundesrätin Karin Keller-Sutter, Nationalbankpräsident Thomas Jordan und FINMA-Verwaltungsratspräsidentin Marlene Amstad hatte die WAK-N Gelegenheit, sich ein genaueres Bild der Übernahme der CS durch die UBS zu verschaffen. Im Zentrum des Interesses standen Fragen zu den Hintergründen der entstandenen Krise, zur beschlossenen Lösung und ihren Risiken, zu alternativen, vom Bundesrat verworfenen Szenarien, zur Aufsichtstätigkeit der FINMA und zum gesetzgeberischen Handlungsbedarf. Dass dieser erforderlich ist, steht für die WAK-N unzweifelhaft fest. Mit fünf Kommissionspostulaten will sie sicherstellen, dass eine solide Basis für die gesetzgeberische Arbeit gelegt wird. In diesem Sinn verzichtet sie zum aktuellen Zeitpunkt darauf, Kommissionsinitiativen oder -motionen zu verabschieden.

Die Postulate fordern schwerpunktmässig eine vertiefte Analyse der regulatorischen Handlungsoptionen für systemrelevante Banken (Po. 23.3443), eine Überprüfung der Too big to fail-Gesetzgebung (Po. 23.3446), eine Beurteilung der wettbewerbsrechtlichen und volkswirtschaftlichen Bedeutung des Zusammenschlusses von UBS und CS (Po. 23.3444) sowie eine Analyse der Ursachen, die zum Kollaps der CS geführt haben könnten (Po. 23.3447). Ausserdem soll der Bundesrat das Instrumentarium der SNB mit demjenigen anderer Zentralbanken vergleichen (Po. 23.3445). Der Bundesrat wird zu diesen Kommissionspostulaten Stellung nehmen, sodass der Nationalrat sie in der ausserordentlichen Session vom 11.-13. April behandeln kann.

Die Kommission erwartet vom Bundesrat, dass er so bald wie möglich einen konsolidierten Bericht zu allen hängigen Postulaten erstellt, damit die gesetzgeberischen Arbeiten an die Hand genommen werden können. Bis dahin wird sie sich quartalsweise über das Fortschreiten der Arbeiten informieren lassen.

Teilrevision des Mehrwertsteuergesetzes: Differenzbereinigung

Die Kommission hat alle zwölf verbleibenden Differenzen bezüglich der Vorlage 21.019 behandelt. Bei vier Differenzen beantragt sie, dem Ständerat zu folgen. Dabei handelt es sich um zwei gesetzestechnische Änderungen betreffend den Begriff «Weiterbildung» (einstimmig; Art. 21 Abs. 2 Ziff. 11 Bst. a) und die Anpassung von Zolltarifnummern bei staatlich geprägten Goldmünzen (einstimmig; Art. 23 Abs. 2 Ziff. 12 Bst. a) sowie um zwei inhaltliche Beschlüsse betreffend Steuervertretungen für ausländische Firmen (17 zu 7 Stimmen bei 1 Enthaltung; Art. 37a und Art. 67 Abs. 1bis und 1ter) und die Anwendungsmöglichkeit des Verlagerungsverfahrens für Importunternehmen (13 zu 11 Stimmen bei 1 Enthaltung; Art. 63 Abs. 1 Bst. a). Auch bei der Besteuerung von Leistungen von ausländischen Reisebüros (Art. 8 Abs. 2 Bst. b, Art. 21 Abs. 2 Ziff. 31, Art. 23 Abs. 2 Ziff. 10, Art. 29 Abs. 1ter) beantragt die Kommissionsmehrheit, inhaltlich dem Ständerat zu folgen, schlägt allerdings eine gesetzestechnisch präzisere Formulierung vor (15 zu 10 Stimmen). Ebenfalls unterstützt die Kommission den Entscheid des Ständerats, die Steuerausnahme für Anstalten oder Stiftungen, die von einem Gemeinwesen gegründet oder getragen werden, auszuweiten. Sie präzisiert allerdings, dass diese Ausnahme zwischen Anstalten «oder» Stiftungen gelten soll (einstimmig; Art. 21 Abs. 2 Ziff. 28 Bst. c).

Wie der Ständerat beantragt die Kommissionsmehrheit, keine Steuerausnahme für gewinnorientierte Einrichtungen zu schaffen, wenn diese Personal für Zwecke der Krankenbehandlung zur Verfügung stellen (13 zu 12 Stimmen; Art. 21 Abs. 2 Ziff. 12). Die Ausnahme soll ausschliesslich für nichtgewinnstrebige Organisationen gelten.

Hingegen beantragt die Kommission am Entscheid des Nationalrats festzuhalten, zwei andere Steuerausnahmen im Gesundheitsbereich auszuweiten. Diese Ausnahmen betreffen zum einen administrative Leistungen, die in Verbindung mit Heilbehandlungen erbracht werden (19 zu 6 Stimmen; Art. 21 Abs. 2 Ziff. 3bis), und zum anderen Heilbehandlungen in Ambulatorien und Tageskliniken (19 zu 5 Stimmen; Art. 21 Abs. 2 Ziff. 2). Ebenfalls anders als der Ständerat, beantragt die WAK-N einstimmig, bei Dienstleistungen, die via Streaming angeboten werden, nicht vom Empfängerortsprinzip abzuweichen. Weiterhin soll der Aufenthaltsort der leistungsempfangenden Person für die Feststellung der Mehrwertsteuerpflicht gelten (Art. 8 Abs. 2 Bst. c). Schliesslich beantragt die Kommission entgegen dem Entscheid des Ständerats, bei der Besteuerung von Pflanzenschutzmitteln (15 zu 9 Stimmen; Art. 25 Abs. 2 Bst. a Ziff. 7) sowie von Spitexorganisationen (16 zu 8 Stimmen; Art. 21 Abs. 2 Ziff. 8) beim geltenden Recht zu bleiben.

Zu verschiedenen Bestimmungen liegen Minderheitsanträge vor.

Neue Regionalpolitik

Die Kommission beantragt mit 14 zu 10 Stimmen, auf den Entwurf zur Änderung des Bundesgesetzes über die Regionalpolitik (23.029) einzutreten. Dieser sieht vor, dass kleine Infrastrukturvorhaben künftig mit A-Fonds-perdu-Beiträgen unterstützt werden können. In den Augen der Mehrheit zeigt die Erfahrung, dass die im geltenden Recht vorgesehenen Darlehen nicht das richtige Instrument sind, um kleine Infrastrukturen zu unterstützen, die keine oder nur marginale Cashflows generieren. Diese kleinen Infrastrukturen seien jedoch von regionalwirtschaftlicher Bedeutung, wenn sie anderen wirtschaftlichen Akteuren kommerziellen Nutzen stiften. Die Minderheit, die sich für Nichteintreten ausspricht, hält die bestehenden Instrumente für ausreichend. Zudem obliege es den Kantonen und Gemeinden und nicht dem Bund, über allfällige Unterstützungsmassnahmen zu befinden. In der Detailberatung hat die Kommission mit 14 zu 10 Stimmen einen Antrag abgelehnt, wonach die Gewährung von Finanzhilfen an die Bedingung geknüpft werden sollte, dass die Vorhaben Nachfolgeinvestitionen induzieren, die nachhaltig sowie klima- und umweltverträglich sind. Die Vorlage wurde in der Gesamtabstimmung mit 14 zu 10 Stimmen angenommen. Sie wird in der Sommersession vom Nationalrat beraten.

Grünes Licht für die Änderung des Entsendegesetzes

Die Kommission hat die vom Bundesrat vorgeschlagene Änderung des Entsendegesetzes (22.080) behandelt. Diese schafft die gesetzliche Grundlage für den Betrieb einer elektronischen Kommunikationsplattform, über welche die Vollzugsorgane der flankierenden Massnahmen zur Personenfreizügigkeit Daten austauschen können. Die WAK-N ist – wie bereits der Ständerat in der Frühjahrssession – auf die Vorlage eingetreten und hat ihr oppositionslos zugestimmt. Das Geschäft kommt in der Sommersession in den Nationalrat.

Abzugsfähigkeit der Radio- und Fernsehabgabe

Die Kommission beantragt mit 13 zu 11 Stimmen bei 1 Enthaltung, der parlamentarischen Initiative 22.469 von Nationalrat Alexandre Berthoud keine Folge zu geben. Diese Initiative verlangt, dass die Radio- und Fernsehabgabe bei den direkten Steuern des Bundes, der Kantone und der Gemeinden vom Einkommen abgezogen werden kann. Nach Ansicht der Mehrheit würde die Umsetzung der Initiative in erster Linie zu einem höheren administrativen Aufwand sowohl für die Steuerpflichtigen als auch für die Steuerbehörden führen. Der Abzug der Radio- und Fernsehabgabe hätte im Übrigen nur sehr beschränkte Auswirkungen auf die Kaufkraft der Steuerpflichtigen. Zudem würde er vor allem den wohlhabendsten Steuerpflichtigen zugutekommen und nicht denjenigen, deren Kaufkraft derzeit am meisten unter der Inflation leidet. Die Minderheit beantragt, der parlamentarischen Initiative Folge zu geben. Sie argumentiert, dass es sich um eine Zwangsabgabe handelt, weshalb es gerechtfertigt sei, sie vom steuerbaren Einkommen abziehen zu können.

Anhörung zur EU-Taxonomie

Vor dem Hintergrund verschiedener Geschäfte, die sich mit der Nachhaltigkeit des Finanzsektors befassen, hat die Kommission sich mit der EU-Taxonomie und deren möglichen Implikationen für die Schweiz auseinandergesetzt. Sie hat dazu Vertretungen des Council on Economic Policies, von Swiss Sustainable Finance, der Schweizerischen Bankiervereinigung, des WWF, von economiesuisse sowie von Swissmem angehört.

Weitere Beschlüsse

Die Kommission hat einen Antrag auf Rückweisung der Totalrevision des Zollgesetzes (22.058) an den Bundesrat mit 11 zu 9 Stimmen bei 4 Enthaltungen abgelehnt. Über die Gründe ihres Entscheides hat der Kommissionspräsident am 3. April 2023 an einem Point de Presse informiert. Die WAK-N wird die Detailberatung an der Sitzung vom 22./23. Mai 2023 aufnehmen.

Schliesslich empfiehlt die WAK-N ihrem Rat mit 15 zu 1 Stimmen bei 4 Enthaltungen Zustimmung zur Änderung des Doppelbesteuerungsabkommens mit Tadschikistan (22.077).

Die Kommission hat am 3. und 4. April 2023 unter dem Vorsitz von Nationalrat Leo Müller (M-E/LU) und teilweise in Anwesenheit von Bundesrätin Karin Keller-Sutter und Bundesrat Guy Parmelin in Bern getagt.