Die Kommission hat ihre konstruktiven Gespräche mit dem Bundesrat über die Massnahmen zur Abfederung der wirtschaftlichen und sozialen Folgen der aktuellen Krise fortgeführt. Sie hat neue Empfehlungen an den Bundesrat gerichtet, namentlich in Sachen Übergangkredite für Unternehmen, die ihre Tätigkeiten am 27. April 2020 noch nicht wiederaufnehmen dürfen, Unterstützung der Tourismusbranche und Strategie zur Wiedereröffnung öffentlicher Einrichtung.

Die Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Ständerates (WAK-S) ist nach ihrer Sitzung vom 6. April 2020 ein weiteres Mal zusammengekommen, um über die wirtschaftlichen Folgen der aktuellen Krise zu diskutieren. Im ersten Teil der Sitzung hat sie den Vorsteher des Eidgenössischen Finanzdepartements, Bundesrat Ueli Maurer, den Präsidenten des Direktoriums der Schweizerischen Nationalbank, Thomas J. Jordan, und den Direktor der FINMA, Mark Branson, angehört und sich bei diesen über die Lage im Banken- und Finanzsektor sowie das Ausmass der zu erwartenden Rezession erkundigt. Die Kommission hat mit Erleichterung zur Kenntnis genommen, dass die Banken bislang keine Liquiditätsprobleme haben. Die Massnahmen, die im Bereich der Eigenmittel als Lehren aus der letzten Finanzkrise gezogen wurden, haben dazu geführt, dass die Banken über eine solide Grundlage verfügen, um der aktuellen Krise begegnen zu können. Es ist allerdings nicht auszuschliessen, dass eine weitere Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage nicht doch noch zu einer Finanzkrise führt.

Im zweiten Teil der Sitzung hat sich die WAK-S mit Bundesrat Guy Parmelin vor allem über die Massnahmen ausgetauscht, die der Bundesrat seit der letzten Kommissionssitzung ergriffen hat. Sie hat begrüsst, dass einige ihrer Forderungen, insbesondere was die Missbrauchsgefahr bei der Vergabe der Übergangskredite und die Unterstützung der von den krisenbedingten Bundesratsbeschlüssen indirekt betroffenen Selbstständigerwerbenden angeht, zumindest teilweise berücksichtigt wurden.

Im Sinne eines kritischen, aber konstruktiven Dialogs mit dem Bundesrat hat die Kommission eine Reihe von Empfehlungen an diesen gerichtet, um diesem mitzuteilen, in welchen Bereichen sie Handlungsbedarf bzw. die Notwendigkeit von Nachbesserungen sieht.

Vom Bund verbürgte Überbrückungskredite

Die Kommission hat mit 9 zu 4 Stimmen einen Antrag angenommen, welcher den Bundesrat auffordert, die einschlägigen Rechtsgrundlagen so zu ändern, dass die Betreiberinnen und Betreiber von Unternehmen, die gemäss Bundesratsbeschluss über den 27. April 2020 hinaus geschlossen bleiben müssen (wie z. B. die Gastronomiebetriebe), einen Erlass des erhaltenen Covid-19-Kredits in Höhe von maximal drei Monatsmieten erhalten können. Diese Massnahme soll nur in Härtefällen zur Anwendung kommen. Die Kommissionsmehrheit ist der Ansicht, dass die Mieten für jene Unternehmen, die nur schwer Lösungen mit dem Vermieter finden, eine erhebliche Belastung darstellen. In ihren Augen ist es deshalb wichtig, den betroffenen Betrieben zu vermitteln, dass sie nötigenfalls auf diese zusätzliche staatliche Unterstützung zählen können. So können Konkurse oder übereilte Geschäftsaufgaben vermieden werden. Die Minderheit ist sich der besonderen Lage der Gastronomie bewusst, würde aber eine Lösung bevorzugen, bei der auch der Vermieter einen Beitrag leistet.

Unterstützung für die indirekt betroffenen Selbständigerwerbenden

Die Kommission nimmt grundsätzlich positiv zur Kenntnis, dass der Bundesrat die Corona-Hilfen für Selbständigerwerbende erweitert hat und nunmehr auch indirekt betroffene Selbständige Anspruch auf Corona-Erwerbsersatz haben. Mit der Festlegung einer Obergrenze für Anspruchsberechtigte von 90 000 Franken ist allerdings ein Schwelleneffekt verbunden, den es aus Sicht der Kommission zu vermeiden gilt. So werden beispielsweise selbständige Therapeutinnen und Therapeuten, Ärzte oder Grafikerinnen und Grafiker, die ein volles Familieneinkommen erzielen müssen, und deren jährliches Einkommen den Schwellenwert von 90 000 Franken übersteigt, vollständig von der Hilfeleistung ausgeschlossen. Gegen eine Plafonierung der Corona-Erwerbsersatzleistungen hat die Kommission indes keine generellen Einwände. Grundsätzlich gilt es aus Sicht der Kommission, bei der Festlegung sämtlicher Entschädigungs- und Unterstützungsleistungen für Unternehmen eine grösstmögliche Gleichbehandlung der unterschiedlichen Rechtsformen zu erreichen. Mit 7 zu 0 Stimmen bei 6 Enthaltungen ersucht sie den Bundesrat, eine Überarbeitung der beschlossenen Massnahmen in diese Richtung zu prüfen.

Unterstützung für die Tourismusbranche

Die Kommission hat mit 12 zu 0 Stimmen bei 1 Enthaltung zwei Anträge angenommen, welche den Bundesrat dazu auffordern, der von der Gesundheitskrise hart getroffenen Tourismusbranche unter die Arme zu greifen. Um «Schweiz Tourismus» Planungssicherheit für das kommende Jahr zu verschaffen, soll der Bundesrat die Tourismuspartner der Organisation mit einem einmaligen Betrag von 27 Millionen Franken à fonds perdu unterstützen. Diese Unterstützung ist dringlich, da die Verträge zwischen den Tourismuspartnern und «Schweiz Tourismus» für die Kampagnen im Jahr 2021 im ersten Halbjahr 2020 geschlossen werden. Die Mittel sind den Tourismuspartnern via «Schweiz Tourismus» auszubezahlen und zweckgebunden einzusetzen.

Ferner bekräftigt die Kommission ihre Forderung an den Bundesrat, gemeinsam mit den Kantonen eine an die einheimische Kundschaft gerichtete Werbekampagne zu unterstützen, welche den hiesigen Tourismus fördert und die Tourismusbranche wirtschaftlich wiederbelebt, wenn nach dem Lockdown die Freizeit- und Ferienaktivitäten wiederaufgenommen werden können.

Ausbildungsplätze

Die Kommission begrüsst die bisher unternommenen Schritte zur Klärung der Situation der Lernenden (hinsichtlich der EFZ-Prüfungen und der Ausdehnung der Kurzarbeit auf diese Kategorie Arbeitstätiger). Sie fordert den Bundesrat einstimmig auf, seine entsprechenden Anstrengungen fortzusetzen und in Absprache mit den Kantonen gezielte und verhältnismässige Massnahmen zu ergreifen, damit die Lehrbetriebe trotz der Gesundheits- und Wirtschaftskrise weiterhin Lernende einstellen und ausbilden können.

Wiedereröffnung der öffentlichen Einrichtungen

Die Kommission ist sich selbstverständlich bewusst, dass der Bundesrat bei seinen Beschlüssen vom 16. April 2020 zur schrittweisen Wiedereröffnung öffentlicher Einrichtungen gesundheitlichen und epidemiologischen Erwägungen Priorität eingeräumt hat. Eine zu breit angelegte oder zu rasche Wiedereröffnung könnte zu einer zweiten Epidemiewelle führen und wäre somit ein katastrophaler Rückschlag für die Wirtschaft. Die Kommissionsmehrheit hält jedoch fest, dass die Beschlüsse des Bundesrates bei den betroffenen Wirtschaftskreisen auf Unverständnis gestossen sind. Die Tatsache, dass die Grossverteiler ab dem 27. April 2020 wieder ein breiteres Sortiment an Gütern des täglichen Bedarfs anbieten können, die anderen Geschäfte aber erst am 11. Mai 2020 wieder öffnen dürfen, stellt in den Augen der Kommissionsmehrheit eine grobe Wettbewerbsverzerrung dar, die beseitigt werden muss.

Allgemein fordert die Kommission den Bundesrat auf, zu prüfen, ob im Hinblick auf die Etappe vom 11. Mai nicht eine Alternative zu seinem Konzept der schrittweisen Wiedereröffnung der öffentlichen Einrichtungen denkbar wäre. Der Bundesrat könnte anstelle eines Vorgehens nach Branchen z. B. allgemeine und abstrakte Gesundheitsvorgaben festlegen. Neben den gesundheitlichen und epidemiologischen Aspekten, denen in vollem Umfang Rechnung zu tragen ist, muss der Bundesrat auch darauf achten, dass die Rechtsstaatlichkeit und die Verhältnismässigkeit gewahrt werden, dass das Willkürverbot eingehalten wird und dass keine Wettbewerbsverzerrungen entstehen. Zudem sollte beachtet werden, dass die epidemiologische und gesundheitliche Lage in den einzelnen Kantonen und Regionen sehr unterschiedlich ist. Ferner gilt es stärker zu berücksichtigen, dass die Bedingungen in den jeweiligen öffentlichen Einrichtungen nicht die gleichen sind (so besteht z. B. ein grosser Unterschied zwischen einer Bar in einer Grossstadt und einem Restaurant in einem Dorf). Daher empfiehlt die Kommission dem Bundesrat, der Gewerbepolizei in den Kantonen und Gemeinden eine bedeutendere Rolle beizumessen. Diese hätte die Aufgabe, für jedes Unternehmen, das wieder öffnen möchte, zu überprüfen, ob die allgemeinen und abstrakten Vorgaben des Bundes zum Gesundheitsschutz erfüllt sind. Sie könnte zudem für die Branchen, die ihre Tätigkeit aus Gründen des Gesundheitsschutzes nicht normal aufnehmen können, eine begrenzte Anzahl an Dienstleistungen bestimmen, welche diese Branchen anbieten könnten (z. B. Fitnesskurs bei vorgängiger Anmeldung).

Die Kommission hat diese Diskussionen im Beisein der Vertreterinnen und Vertreter des WBF und des EFD geführt. Die Kommission möchte diese Fragen, welche die schwierige Abwägung zwischen gesundheitlichen und wirtschaftlichen Interessen betreffen, gerne in Anwesenheit des für die entsprechende Notverordnung zuständigen Vorstehers des EDI besprechen. Deshalb hat sie Bundesrat Berset für ihre nächste Sitzung eingeladen, welche am 28. April 2020 stattfindet.

Einrichtungen der nachobligatorischen Bildung

Die Kommission erachtet es als wichtig, dass in den Einrichtungen der nachobligatorischen Bildung bestimmte Aktivitäten (z. B. Laboraktivitäten im Rahmen der Lehre oder des Hochschulstudiums) wiederaufgenommen werden können, da sonst die Gefahr besteht, dass ganze Semesterpläne durcheinandergeraten. Sie ersucht den Bundesrat deshalb, die Covid-19-Verordnung 2 so anzupassen, dass alle Veranstaltungen erlaubt sind, an denen höchstens fünf Personen teilnehmen und die Hygiene- und Abstandsempfehlungen des BAG eingehalten werden.

Wirtschaftliche Auswirkungen der Corona-Krise

Mit 8 zu 0 Stimmen bei 4 Enthaltungen bittet die Kommission den Bundesrat, im Rahmen des vom Bundesrat angekündigten Erklärungsentwurfs der Räte anlässlich der ausserordentlichen Session im Mai, das Parlament in geeigneter Form und auf Basis der dann vorliegenden Daten über die wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Krise zu informieren. Dabei sollen die Fragen, welche wirtschaftlichen Auswirkungen die angeordneten Massnahmen hatten und voraussichtlich haben werden und wie der Bundesrat bei diesen Massnahmen die Abwägung zwischen gesundheitspolitischem Nutzen und wirtschaftlichem Schaden vorgenommen hat beziehungsweise nimmt behandelt werden. Schliesslich soll der Bundesrat das Parlament auch über geplante Massnahmen oder Änderungen von Massnahmen orientieren.

Die Kommission möchte vom Bundesrat zu einem späteren Zeitpunkt eine vertiefte Analyse unter anderem zu diesen Punkten in Form eines Berichts erhalten und hat zu diesem Zweck ebenfalls ein entsprechendes Kommissionspostulat (20.3132 s Po. WAK-SR. «Wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise») beschlossen.

Mitbericht an die Finanzkommission

Die Kommission hat schliesslich auch die Kredite, die der Bundesrat dem Parlament zur Bewältigung der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie beantragt, im Rahmen ihres Mitberichts zum Nachtrag I zum Voranschlag 2020 (20.007 ns) zuhanden der Finanzkommission des Ständerates diskutiert. Sie hat sich ohne Gegenstimme für die Genehmigung der in ihren Sachbereich fallenden Kredite ausgesprochen.

Die Kommission ersucht den Bundesrat, ihre Empfehlungen zu prüfen, und behält es sich vor, an ihrer Sitzung vom 28. April 2020 parlamentarische Vorstösse einzureichen, sollten ihre Anliegen nicht ausreichend berücksichtigt werden.

 

Die Kommission hat am 20. April 2020 unter dem Vorsitz von Ständerat Levrat Christian (SP/FR) und teilweise in Anwesenheit von den Bundesräten Ueli Maurer und Guy Parmelin in Bern getagt.