Die Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Ständerates (WAK-S) hat sich ein weiteres Mal mit der Vorlage zur Umsetzung der parlamentarischen Initiative 15.479 von Nationalrat Jacques Bourgeois befasst und schliesst sich nun weitgehend dem Nationalrat an.

Nach ihrer Sitzung vom 27. Mai 2021 hatte die WAK-S ihrem Rat beantragt, nicht auf die Vorlage zur Umsetzung der parlamentarischen Initiative 15.479 einzutreten, weil die Mehrheit eine Lösung auf Verordnungsstufe für angemessener hielt (vgl. Medienmitteilung vom 28. Mai 2021). Am 3. Juni 2021 folgte der Ständerat jedoch der Kommissionsminderheit und trat auf die Vorlage ein. Bevor die WAK-S nun die Detailberatung an die Hand genommen hat, hat sie Delegationen der Schweizer Zucker AG, des Schweizerischen Verbands der Zuckerrübenpflanzer sowie von Chocosuisse/Biscosuisse angehört, um sich ein umfassendes Bild der Ausgangslage für die Produzenten von Zuckerrüben bzw. Zucker einerseits und für die zuckerverarbeitende Industrie andererseits zu verschaffen. Nach eingehender Diskussion beantragt sie ihrem Rat nun grundsätzlich, dem Beschluss des Nationalrates zuzustimmen, will aber den Mindestgrenzschutz in Artikel 19 des Landwirtschaftsgesetzes ebenso zeitlich begrenzen wie die Einzelkulturbeiträge für die Zuckerrüben in Artikel 54. Eine Minderheit lehnt eine gesetzliche Regelung nach wie vor ab.

2.Bankengesetz bereit für die Herbstsession

Nachdem die Kommission an ihrer letzten Sitzung unter anderem eine Vertretung der Kantonalbanken angehört hat, um sich in den letzten offenen Fragen Klarheit zu verschaffen, hat sie nun die Detailberatung der Vorlage zur Änderung des Bankengesetzes (20.059) abgeschlossen. Sie beantragt grösstenteils, dem Nationalrat zu folgen, hat jedoch die Formulierungen der Artikel 28a und 30b in Bezug auf eine allfällige Sanierung der Kantonalbanken leicht angepasst: Die «ausdrückliche Staatsgarantie» soll gestrichen werden, zudem sollen die Kantone bei der Ausarbeitung des Sanierungsplans konsultiert und nicht nur angehört werden müssen. Schliesslich sollen im Sinn eines stabilen Finanzmarkts auch Kantonalbanken Zugang zu Bail-in Bonds erhalten. In der Gesamtabstimmung hat die Kommission die Vorlage einstimmig angenommen.

 

3.WAK-S lehnt Entwurf zur Änderung des Entsendegesetzes ab

Die 2019 angenommene Motion 18.3473 verlangt, das Entsendegesetz (EntsG) so zu ändern, dass ausländische Arbeitgeber, die ihre Angestellten in die Schweiz entsenden, zur Einhaltung auch derjenigen minimalen Lohnbedingungen verpflichtet werden können, die in einem kantonalen Gesetz vorgeschrieben sind. Zur Umsetzung dieser Motion hat der Bundesrat dem Parlament die Vorlage 21.032 unterbreitet, die zudem eine Bestimmung über die Nichterfüllung oder die mangelhafte Erfüllung von Beobachtungs- und Vollzugsaufgaben enthält sowie die Schaffung einer elektronischen Plattform zur Unterstützung der Vollzugsorgane vorsieht.

Die Kommission beantragt mit 8 zu 3 Stimmen bei 1 Enthaltung, nicht auf die Vorlage einzutreten. Die Kommissionsmehrheit ist der Ansicht, dass die Kantone – wie es der Kanton Jura bereits tut – selbst entscheiden können, die geltenden Mindestlöhne auf alle im Kantonsgebiet arbeitenden Personen anzuwenden; entsprechend bedürfe es keiner bundesrechtlichen Regelung. Sie weist zudem darauf hin, dass die Festlegung kantonaler Mindestlöhne eine sozialpolitische Massnahme ist, die in der Zuständigkeit der Kantone liegt, während das Entsendegesetz der Wirtschaftspolitik zuzuordnen und deshalb in die Zuständigkeit des Bundes fällt.

Die Kommissionsminderheit erinnert daran, dass der Lohnschutz stets der Eckpfeiler der flankierenden Massnahmen zur Personenfreizügigkeit war. In ihren Augen ist es nicht nachvollziehbar, warum das Entsendegesetz die Arbeitgeber nur zur Einhaltung der in den Gesamtarbeitsverträgen (GAV) und in den Normalarbeitsverträgen (NAV) festgelegten Arbeitsbedingungen und nicht auch zur Einhaltung allfälliger kantonaler Mindestlöhne verpflichtet. Sie ist zudem der Ansicht, eine Ablehnung dieser Vorlage würde ein schlechtes Zeichen ins Tessin senden, umso mehr, als sich die Mehrheit der konsultierten Kantone für die Vorlage ausgesprochen hat.

Der Ständerat wird sich in der Herbstsession 2021 mit dieser Vorlage befassen.

Die Kommission hat im Weiteren beschlossen, die Behandlung der Motion 18.3108 zu sistieren. Diese verlangt, die Missachtung des Meldeverfahrens durch einen selbstständigen Dienstleistungserbringer oder durch Schweizer Arbeitgeber sei mit einer Verwaltungssanktion und nicht mit einer strafrechtlichen Sanktion zu bestrafen. Die WAK-S ist der Ansicht, dass das Motionsanliegen im Zusammenhang mit den Überlegungen steht, die das Postulat 18.4100 («Instrument der pekuniären Verwaltungssanktionen») in Gang gesetzt hat, weshalb sie zunächst den für Ende Jahr erwarteten Postulatsbericht abwarten möchte, bevor sie über die Motion 18.3108 befindet.

4.Steuerliche Entlastung von Familien mit Kindern

Die Kommission hat den Entwurf zur steuerlichen Entlastung von Familien mit Kindern (20.455) beraten, den ihre Schwesterkommission nach der Ablehnung des entsprechenden Gesetzes in der Volksabstimmung im September 2020 ausgearbeitet hatte. Ziel der Vorlage ist es, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie und die Integration gut ausgebildeter Frauen in den Arbeitsmarkt weiter zu fördern. Die WAK-S will die Abzüge für die familienexterne Kinderbetreuung bei der direkten Bundessteuer wie der Nationalrat auf bis zu 25'000 Franken erhöhen. Zusätzlich beantragt sie ihrem Rat eine Erhöhung des Abzugs vom geschuldeten Steuerbetrag von 251 auf 300 Franken pro Kind (10 zu 3 Stimmen). Sie argumentiert, ein Abzug vom Steuerbetrag komme allen Familien zugute, unabhängig vom gewählten Familienmodell. Ausserdem würden Familien mit tieferen Einkommen durch einen Abzug vom Steuerbetrag verhältnismässig stärker entlastet als solche mit hohen Einkommen. Die zusätzlichen Mindereinnahmen infolge dieses höheren Abzugs belaufen sich auf rund 69 Millionen Franken. Diese Einbusse scheint der Kommission angesichts der guten Wirtschaftslage vertretbar. Die Minderheit lehnt eine Erhöhung des Steuerabzugs ab, weil sie dieses Ansinnen im Rahmen des vorliegenden Entwurfs für sachfremd hält. In der Gesamtabstimmung hat die Kommission die Vorlage mit 10 zu 2 Stimmen bei 1 Enthaltung angenommen. Der Ständerat wird die Vorlage in der Herbstsession 2021 beraten.

5.Eintreten auf die Änderung des Versicherungsaufsichtsgesetzes

Die Kommission hat die Beratung zur Änderung des Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG, 20.078) aufgenommen und ist – wie der Nationalrat – ohne Gegenstimme auf die Vorlage des Bundesrates eingetreten. Sie begrüsst insbesondere die in der Vorlage vorgesehene Stärkung des Konsumentenschutzes, die Anpassung des Sanierungsrechts und die Erleichterungen bei der Aufsicht über Versicherungsunternehmen, die nur professionelle Kunden haben. Die Detailberatung findet im nächsten Quartal statt. Im Weiteren beantragt die Kommission ihrem Rat einstimmig die Abschreibung der parlamentarischen Initiative 17.409, welche eine Präzisierung des Missbrauchsbegriffs im VAG verlangt. Die Kommission will sich im Rahmen der Arbeiten zur VAG-Revision mit diesem Thema befassen.

6.Einkaufstourismus bleibt eine Herausforderung

Die Kommission hat sich erneut mit den Standesinitiativen der Kantone St. Gallen (18.300) und Thurgau (18.316) zum Einkaufstourismus befasst, da der Nationalrat diesen in der Herbstsession 2020 anders als zuvor der Ständerat Folge gegeben hatte. Sie ist nach wie vor der Überzeugung, dass das Ausmass des Einkaufstourismus insbesondere für den Detailhandel tatsächlich problematisch ist, hält jedoch die von den beiden Standesinitiativen vorgeschlagenen Wege nicht für gangbar. Sie bestätigt deshalb ihre früheren Beschlüsse (vgl. Medienmitteilung vom 30. August 2019) mit jeweils 6 zu 4 Stimmen bei 3 Enthaltungen. Der Kommission lag zum selben Themenbereich eine vom Nationalrat angenommene Motion (19.3975) vor, die die Steuergerechtigkeit im Warenfluss des kleinen Grenzverkehrs über eine Senkung der Wertfreigrenze verbessern will. Sie lehnt diese ebenfalls ab (7 zu 4 Stimmen bei 2 Enthaltungen), weil sie auch diesen Ansatz nicht für zielführend hält. Die Kommission sieht das Problem eher in den hohen Schweizer Preisen als in den Einfuhrbestimmungen. Eine tiefere Wertfreigrenze könnte zudem dazu führen, dass Waren einfach nicht mehr zur Einfuhr angemeldet würden oder dass dann auch bei Kleinstbeträgen Bussen verhängt werden müssten, was unverhältnismässig wäre.

7.Geschäfte zur Mehrwertsteuer

Mit 9 zu 4 Stimmen hat sich die Kommission gegen den Beschluss ihrer nationalrätlichen Schwesterkommission ausgesprochen, der parlamentarischen Initiative 19.405 von Nationalrat Grüter Folge zu geben (siehe Medienmitteilung der WAK-N vom 18. August 2020). Diese verlangt, dass der Mineralölsteuersatz, der Mineralölsteuerzuschlag und die Importabgaben nicht mehr in die Bemessungsgrundlage für die Erhebung der Mehrwertsteuer auf Treibstoffen einbezogen werden. Der Kommissionsmehrheit zufolge würde der administrative Aufwand bei einer Umsetzung der Initiative beträchtlich zunehmen. Auch könnten zu hohe Vorsteuerabzüge geltend gemacht werden, was zu wesentlichen Steuerausfällen führen würde. Die Kommission ist dennoch der Meinung, dass die allgemeine Frage der Erhebung von Mehrwertsteuer auf Leistungen, deren Preis bereits staatliche Abgaben beinhaltet, eingehender geprüft werden sollte. Deshalb wird sie die Diskussion in dieser Sache an ihrer nächsten Sitzung fortführen.

Mit 8 zu 5 Stimmen beantragt die Kommission, die Motion 21.3444 von Ständerat Caroni abzulehnen. Diese verlangt die Einführung eines Einheitssatzes bei der Mehrwertsteuer und die Abschaffung der meisten Steuerbefreiungen. Die Kommissionsmehrheit ist der Auffassung, dass für dieses bereits mehrfach diskutierte Thema keine politische Mehrheit gefunden werden kann. Sie hält zudem fest, dass das Schweizer System im europäischen Vergleich den geringsten administrativen Aufwand verursacht. In den Augen der Minderheit würde ein Einheitssatz unter anderem die administrative Arbeit für Unternehmen massiv vereinfachen.

Zu guter Letzt lehnt die Kommission die Motion 20.4042 von Ständerat Rieder einstimmig ab. Diese verlangt eine Mehrwertsteuererleichterung für stark von der Coronakrise betroffene Unternehmen. Die Kommission betont, dass seit der Einreichung dieses Vorstosses im September 2020 zahlreiche Massnahmen zur Unterstützung der Unternehmen ergriffen wurden und das Motionsanliegen deshalb als hinfällig betrachtet werden kann.

8.Weitere Beschlüsse

Die Kommission beantragt ihrem Rat einstimmig, die Motion 18.3315 des Nationalrates anzunehmen. Diese beauftragt den Bundesrat, die gesetzlichen Kontroll- und Verfahrensbestimmungen für den internationalen Online-Versandhandel zu straffen und die für eine sachgerechte Umsetzung notwendigen Massnahmen zu ergreifen. Die Kommission begrüsst die diesbezüglichen Arbeiten des Bundesrates im Rahmen des Programms DaziT.

Die Kommission hat am 01./02 Juli 2021 unter dem Vorsitz von Ständerat Christian Levrat (SP/FR) in Bern getagt.