Mit einer Motion wird der Bundesrat beauftragt, einen Entwurf zu einem Erlass der Bundesversammlung vorzulegen oder eine Massnahme zu treffen. Unzulässig ist eine Motion, wenn sie eine in einem gesetzlich geordneten Verfahren zu treffende Verwaltungsverfügung oder einen Beschwerdeentscheid betrifft.

Beim Verfahren, welches bei Motionen zur Anwendung kommt, ist zwischen dem Verfahren für die Beschlussfassung über die Motion und dem Verfahren nach der Beschlussfassung zu unterscheiden.

I. Beschlussfassung über die Motion

I.1. Erstrat (1. Beratung)

1. Eine Motion kann von der Mehrheit einer Kommission jederzeit und während einer Session auch von einer Fraktion oder einem Ratsmitglied eingereicht werden (Art. 119 Abs. 1 ParlG). Sie wird von jenem Rat zuerst behandelt, in dem sie eingereicht wurde («Erstrat»). Eine Motion kann von ihrer Urheberin oder ihrem Urheber solange zurückgezogen werden, bis der Rat erstmals darüber Beschluss gefasst hat (Art. 73 Abs. 1 ParlG).

2. Die Kommissionen des Erstrats beraten in der Regel nicht über Vorstösse von Ratsmitgliedern und Fraktionen. Der Rat oder die Kommission können aber ausnahmsweise eine Vorberatung beschliessen (Art. 21 Abs. 2 GRN; Art. 17 Abs. 3 GRS).

3. Der Bundesrat stellt nach dem Einreichen einer Motion in der Regel bis zum Beginn der nächsten ordentlichen Session Antrag auf deren Annahme oder Ablehnung (Art. 121 Abs. 1 ParlG).

4a. Eine Motion eines Ratsmitglieds oder einer Fraktion wird ohne Ratsbeschluss abgeschrieben, wenn (Art. 119 Abs. 5 ParlG):

  • der Rat den Vorstoss nicht innert zwei Jahren nach seiner Einreichung abschliessend behandelt hat, oder
  • die Urheberin oder der Urheber des Vorstosses aus dem Rat ausscheidet und kein anderes Ratsmitglied während der ersten Woche der folgenden Session den Vorstoss aufnimmt.

4b. Der Rat kann Motionen ablehnen oder annehmen. Lehnt der Erstrat eine Motion ab, ist sie erledigt; nimmt er sie an, wird sie der zuständigen Kommission im anderen Rat («Zweitrat») zugewiesen (Art. 121 Abs. 2 ParlG).

I.2. Zweitrat (1. Beratung)

5. Die Motion wird von der Kommission des Zweitrates vorberaten. Der Bundesrat und die Mehrheit der Kommission können dem Rat einen Änderungsantrag stellen (Art. 121 Abs. 3 Bst. b ParlG).

6. Der Zweitrat kann die Motion annehmen, ablehnen oder – im Gegensatz zum Erstrat – abändern (Art. 121 Abs. 3 ParlG). Nimmt der Zweitrat die Motion unverändert an, gilt sie als angenommen, damit ist der mit ihr verbundene Auftrag an den Bundesrat erteilt (Art. 121 Abs. 3 Bst. a ParlG). Lehnt der Zweitrat die Motion ab, ist sie erledigt (Art. 121 Abs. 3 Bst. a ParlG). Eine auf Antrag des Bundesrates oder der Mehrheit der vorberatenden Kommission abgeänderte Motion wird erneut dem Erstrat zugewiesen (Art. 121 Abs. 4 ParlG).

I.3. Erstrat (2. Beratung)

7. Die abgeänderte Motion wird von der Kommission des Erstrates vorberaten.

8. Der Erstrat kann der vom Zweitrat vorgenommenen Änderung zustimmen, an seinem ursprünglichen Beschluss festhalten (neu seit November 2021) oder die Motion definitiv ablehnen (Art. 121 Abs. 4 ParlG).

I.4. Zweitrat (2. Beratung)

9. Hält der Erstrat an seinem Beschluss, die Motion in ihrer ursprünglichen Fassung anzunehmen, fest, kann der Zweitrat diesem Beschluss zustimmen oder die Motion definitiv ablehnen (Art. 121 Abs. 4bis ParlG).

Fakten und Zahlen

Stand am 27.9.2019, Ende der Herbstsession
Einreichungsdatum: ab 03.12.2007, Anfang der 48. Legislatur

Die Grafik zeigt die Verteilung der 24 132 seit Anfang der 48. Legislatur eingereichten Vorstösse nach Einreichungslegislatur sowie den Anteil der Motionen. 1 643 der 8 056 in der 49. Legislatur eingereichten Vorstösse waren Motionen, d. h. rund 20 Prozent. Einige dieser Vorstösse sind noch hängig.

II. Verfahren nach der Beschlussfassung

10. Ist eine von den Räten angenommene Motion nach zwei Jahren noch nicht umgesetzt, berichtet der Bundesrat der Bundesversammlung jährlich, was er zur Erfüllung des Auftrages unternommen hat und was er dafür noch zu tun gedenkt (Art. 122 Abs. 1 ParlG).

11a. Ist der Auftrag einer Motion erfüllt, beantragt eine Kommission oder der Bundesrat ihre Abschreibung (Art. 122 Abs. 2 ParlG).

11b. Die Abschreibung einer Motion ist auch möglich, wenn der mit ihr verbundene Auftrag nicht erfüllt ist, aber nicht mehr aufrechterhalten werden soll (Art. 122 Abs. 3 ParlG). Der Antrag auf Abschreibung muss aber mit einem besonderen Bericht zur abzuschreibenden Motion oder in der Botschaft zu einem sachlich mit ihr zusammenhängenden Erlassentwurf begründet werden, damit die Bundesversammlung entsprechend entscheiden kann (Art. 122 Abs. 3 ParlG).

12. Lehnen beide Räte einen Antrag auf Abschreibung ab, muss der Bundesrat den Auftrag der Motion innert einem Jahr oder in der von den Räten mit der Ablehnung des Antrags gesetzten Frist erfüllen (Art. 122 Abs. 5 ParlG).

13. Hält der Bundesrat die Frist nicht ein, entscheiden beide Räte in der nächsten ordentlichen Session auf Antrag der zuständigen Kommissionen über eine erneute Fristverlängerung oder dann über die Abschreibung (Art. 122 Abs. 6 ParlG).

Fakten und Zahlen

Stand am 27.9.2019, Ende der Herbstsession
Einreichungsdatum: ab 01.12.2003, Anfang der 47. Legislatur


Die Grafik zeigt für die 276 in der 50. Legislatur abgeschriebenen Motionen die Dauer zwischen deren Annahme und deren Abschreibung. Die Motionen, bei denen die Dauer zwischen Annahme und Abschreibung mehr als zehn Jahre beträgt, wurden zwischen 1997 und 2007 eingereicht. Keine Motion, die nach 2007 eingereicht wurde, fällt in diese Kategorie.