Der Nationalrat in Kürze
Bern (sda) -
KRIEGSMATERIAL: Der Nationalrat hat am Mittwoch mit der Beratung über die Volksinitiative "Für ein Verbot der Finanzierung von Kriegsmaterialproduzenten" begonnen. Diese dürfte in der Abstimmung einen schweren Stand haben, SVP, FDP, die Mitte-Fraktion und die GLP wollen die Initiative ablehnen. Fraglich ist, ob der Vorschlag der SP, einen Gegenvorschlag auszuarbeiten, eine Chance hat. Er wird von den Grünen, der GLP und der EVP unterstützt. Die Volksinitiative will, dass die Nationalbank oder Stiftungen und Einrichtungen der staatlichen und beruflichen Vorsorge Kriegsmaterialhersteller nicht mehr finanzieren dürfen. Nicht mehr finanziert werden dürften Unternehmen, die mehr als fünf Prozent ihres Umsatzes mit der Herstellung von Kriegsmaterial erwirtschaften. Die Debatte wird am Donnerstag fortgesetzt. Zudem wird der Rat Bundesrat Guy Parmelin anhören. Im Anschluss will der Rat entscheiden, ob er die Volksinitiative unterstützt, einen indirekten Gegenvorschlag ausarbeiten lassen will oder ob er beides ablehnt.
ARBEIT: Die Überbrückungsrente für ältere Arbeitslose soll gegen oben begrenzt sein. Der Nationalrat ist auf seinen ursprünglichen Entscheid zurückgekommen und dem Ständerat gefolgt. Auch den Bezügerkreis will die grosse Kammer verkleinern - zum Unmut der Linken. Anspruch auf Überbrückungsleistungen sollen nur mit 60 Jahren oder später ausgesteuerte Personen haben. Die maximale Überbrückungsleistung soll das 2,25-Fache des allgemeinen Lebensbedarfs betragen. Der Ständerat schlägt das 2-Fache vor. Die Krankheits- und Behinderungskosten sollen separat abgegolten werden. Ziel der Räte ist es, die Überbrückungsrente nächste Woche definitiv zu beschliessen. Voraussichtlich am (morgigen) Donnerstag ist wieder der Ständerat am Zug.
BURKA-VERBOT: Der indirekte Gegenvorschlag zur sogenannten Burka-Initiative steht. Der Nationalrat hat stillschweigend die letzte Differenz bereinigt. Damit ist das Geschäft bereit für die Schlussabstimmung. Zu bereinigen gab es nur noch redaktionelle Änderungen. Der Vorschlag sieht vor, dass alle, die sich in der Schweiz vor Behörden oder im öffentlichen Verkehr identifizieren müssen, gesetzlich verpflichtet sind, das Gesicht zu zeigen. Der Nationalrat hat dem Gesetz noch gleichstellungspolitische Aspekte hinzugefügt, mit welchen Ständerat und Bundesrat einverstanden sind. Die Volksinitiative "Ja zu Verhüllungsverbot" verlangt derweil, dass in der ganzen Schweiz niemand im öffentlichen Raum das Gesicht verhüllen darf. Gegen die Volksinitiative haben sich bereits Ständerat und Bundesrat ausgesprochen. Im Nationalrat steht der Entscheid noch aus.
HAFTUNG: Die Haftungsregeln für Konzerne und deren Tochterfirmen für Schäden im Ausland bleiben umstritten. Der Nationalrat ist beim indirekten Gegenvorschlag zur Konzernverantwortungsinitiative nicht von seiner Position abgewichen. Er will Haftungsregeln einführen für Unternehmen, die im Ausland Menschenrechte verletzen oder die Umwelt schädigen. Der Ständerat lehnt das ab. Die Konzernverantwortungsinitiative selbst empfehlen beide Räte zur Ablehnung. Die Initianten haben signalisiert, dass sie ihr Begehren zurückziehen, wenn sich das Konzept des Nationalrats in den Ratsdebatten durchsetzt.
DATENSCHUTZ: Der Nationalrat hat sich für die Ratifizierung der modernisierten Datenschutzkonvention des Europarates ausgesprochen. Diese sieht mehr Schutz für die betroffenen Personen und ausgeweitete Pflichten für Datenschutz-Verantwortliche vor. Das Übereinkommen wurde bisher von 30 Staaten unterzeichnet. Vertragsstaaten müssen ein Sanktionensystem und Rechtsmittel einführen. Der Nationalrat stimmte dem Übereinkommen mit 185 zu 0 Stimmen, aber mit 6 Enthaltungen zu. Das Abkommen habe auch eine europarechtliche Dimension, sagte der Sprecher der Staatspolitischen Kommission, Matthias Jauslin (FDP/AG). Die EU überprüft demnach bis im Mai 2020, ob der Datenschutz in der Schweiz angemessen ist. Beim Entscheid berücksichtige die EU, ob ein Staat der Konvention beigetreten sei. Voraussichtlich in der Sondersession im Mai wird der Ständerat darüber befinden.
KANTONE: Das Parlament hat Verfassungsänderungen in den fünf Kantonen Uri, Tessin, Waadt, Wallis und Genf genehmigt. Zu reden gab im Nationalrat das Wahlsystem für den Urner Landrat, das Kantonsparlament. Der Rat stimmte aber schliesslich zu, so wie zuvor der Ständerat. Im Tessin geht es um die politischen Rechte, in der Waadt um den Zugang zu einer Unterkunft aus medizinischen oder sozialen Gründen. Mit der geänderten Genfer Verfassung werden die öffentlichen Aufgaben im Bereich Kunst und Kultur neu geregelt, im Wallis geht es um die konstituierende Session des Grossen Rates und um die kantonalen Wahlen.
WIEDERGUTMACHUNG: Ehemalige Verdingkinder und administrativ Versorgte sollen auch nach Ablauf der ursprünglichen Frist ein Gesuch um einen Solidaritätsbeitrag stellen können. Nach dem Ständerat hat auch der Nationalrat einer entsprechenden Gesetzesänderung zugestimmt. Diese ist bereit für die Schlussabstimmung. Den Entwurf hatte die Rechtskommission des Ständerats ausgearbeiteten. Die Gesuchsfrist ist Ende März 2018 abgelaufen. Bis dahin waren über 9000 Gesuche um Solidaritätsbeiträge eingegangen. Gemäss Forschungsergebnissen einer Expertenkommission waren im Lauf des 20. Jahrhunderts mindestens 60'000 Personen in 648 Institutionen in der Schweiz unter Zwang administrativ versorgt worden.
DEKLARATION: Der Nationalrat will, dass künftig bei Fleisch die Schlachtmethode angegeben werden muss. Er nahm eine entsprechende Motion seiner Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur (WBK) mit 122 zu 65 Stimmen bei drei Enthaltungen an. Vergangenes Jahr hatte diese eine Vorlage in die Vernehmlassung geschickt, die eine Deklarationspflicht für Halal- und Koscherfleisch verlangt. Die Reaktionen in der Vernehmlassung waren mehrheitlich negativ, weshalb sie auf die Gesetzesänderung verzichtet. Stattdessen will sie mit der Motion den Bundesrat beauftragen, eine umfassende Deklarationspflicht für die Schlachtmethode einzuführen. Der Bundesrat lehnt die Motion ab. Die Motion geht an den Ständerat.
ALTERSVORSORGE: Der Nationalrat wird in der laufenden Session über einen weiteren Vorstoss entscheiden, der verlangt, dass die von der Nationalbank erhobenen Negativzinsen an die AHV gehen. Er hiess einen Ordnungsantrag von Motionär Alfred Heer (SVP/ZH), den Vorstoss auf Grund der Aktualität noch ins Sessionsprogramm aufzunehmen, mit 141 gegen 52 Stimmen bei 2 Enthaltungen gut. Die Motion hatte Heer Ende 2018 eingereicht. Christian Lüscher (FDP/GE), Präsident der Wirtschaftskommission (Wak), wies darauf hin, dass die Kommission bereits mehrere Vorstösse mit diesem Anliegen vorliegen habe und sie an einer Sitzung Ende März behandeln werde. Das Anliegen könne so schneller aufgenommen werden als mit der neuen Motion.
GEWALTENTEILUNG: Der Nationalrat will dem Parlament das Recht verschaffen, bei bundesrätlichen Verordnungen sein Veto einzulegen. Er beharrt darauf, auf eine Gesetzesänderung einzutreten. Der Ständerat wollte dies bisher nicht, und auch im Nationalrat ist eine Minderheit dagegen. Das Verordnungsveto soll verhindern, dass der Bundesrat Verordnungen erlassen kann, die dem Willen der Räte nicht entsprechen. Befürworter sehen darin eine Art Notbremse, die auch präventive Wirkung haben soll. Der Nationalrat hielt mit 99 gegen 83 Stimmen und bei 6 Enthaltungen an seiner Position fest.
UNTERSUCHUNGEN: Der Nationalrat will, dass der Bundesrat eine oder mehrere Anlaufstellen bezeichnet, die Bundesstellen beim Führen von Administrativ- oder Disziplinaruntersuchungen zur Hand gehen können. Die Regierung soll auch dafür sorgen, dass Fragen an diese Stellen gelangen. Der Rat unterstützte dazu stillschweigend eine Motion seiner Geschäftsprüfungskommission (GPK). Diese hatte den Vorstoss im Nachgang des Debakels rund um die Bürgschaften des Bundes für die Hochseeschifffahrt eingereicht, wegen von den GPK beider Räte kritisierter Mängel an der Untersuchung. Der Bundesrat habe auf die entsprechende Empfehlung im Bericht zur Hochseeschifffahrt "mit grosser Zurückhaltung" reagiert, schrieb die GPK des Nationalrats. Deshalb habe sie die Empfehlung in eine Motion umgewandelt. Mit dieser war der Bundesrat einverstanden.
Der Ständerat in Kürze
Bern (sda) -
ZIVILDIENST: Der Ständerat bleibt dabei: Wer nach abgeschlossener Rekrutenschule von der Armee in den Zivildienst wechseln will, soll dies erst nach einer Wartefrist von zwölf Monaten tun dürfen. Die Mehrheit ist überzeugt, dass dadurch "Wechsel im Affekt" besser verhindert werden können. Sie hofft auch, während der Wartezeit noch einen Sinneswandel bewirken zu können. Der Nationalrat lehnt die Wartefrist ab. Über die übrigen Punkte der Revision des Zivildienstgesetzes haben sich die Räte bereits geeinigt. Das letzte Wort hat voraussichtlich das Volk.
POSTAUTO: Der Ständerat hat dem Bundesrat mehrere Prüfaufträge im Zusammenhang mit der Postauto-Affäre erteilt. Dieser muss eine Gesamtbilanz ziehen, sobald das laufende Verwaltungsstrafverfahren abgeschlossen ist. Weiter muss er das Thema Gewinne im regionalen Personenverkehr untersuchen und klären, ob die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Kantonen bei der Aufsicht über den regionalen Personenverkehr angepasst werden muss. Auch die Revision will der Ständerat unter die Lupe nehmen lassen. Die Vorstösse hatte die Geschäftsprüfungskommission formuliert. Sie macht den Bundesrat und die Verwaltung mitverantwortlich dafür, dass die Post mit illegalen Buchungstricks zu hohe Subventionen für Postauto erschlichen hat.
ZWEISPRACHIGKEIT: In zweisprachigen Ortschaften sollen auf Autobahnen zweisprachige Verkehrsschilder erlaubt sein. So will es das Parlament. Der Ständerat hat mit 28 zu 8 Stimmen und zwei Enthaltungen eine Motion des früheren bernjurassischen SVP-Nationalrates Manfred Bühler überwiesen. Diese verlangt, dass der Bundesrat eine zweisprachige Signalisation auf Autobahnen ermöglicht, wenn die kleinere Sprachgruppe mindestens 30 Prozent der Bevölkerung umfasst. Verkehrsministerin Simonetta Sommaruga wies darauf hin, dass mit einer Weisung des Verkehrsdepartements (Uvek) ans Bundesamt für Strassen das Anliegen bedeutend schneller umgesetzt werden könne. So sei es auch im Fall der Stadt Biel geschehen.
ARBEITSLOSENVERSICHERUNG: Angestellte müssen während des Bezugs von Kurzarbeits- oder Schlechtwetterentschädigung keine Zwischenbeschäftigung mehr suchen. Der Ständerat hat bei der Revision des Arbeitslosenversicherungsgesetzes die letzte Differenz zum Nationalrat bereinigt. Damit ist das geänderte Bundesgesetz über die obligatorische Arbeitslosenversicherung und die Insolvenzentschädigung bereit für die Schlussabstimmung. Das Parlament will, dass der Bundesrat künftig mehr Spielraum beim Entscheid erhält, die Höchstbezugsdauer für Kurzarbeitsentschädigung zu verlängern. Eine andauernde erhebliche Arbeitslosigkeit ist dafür keine Voraussetzung mehr. Zudem kann die Höchstbezugsdauer nicht nur in besonders stark betroffenen Regionen und Branchen verlängert werden.
VERKEHR: Der Ständerat will die Verbreitung von emissionsarmen Nutzfahrzeugen fördern. Er hat einer Motion der Verkehrskommission mit 35 zu 0 Stimmen bei 3 Enthaltungen zugestimmt. Diese verlangt, dass nicht nur Nutzfahrzeuge mit alternativem Antrieb von der LSVA-Pflicht befreit werden, sondern auch Hybridfahrzeuge. Zudem solle die maximal zulässige Länge von Wasserstoff-Lastwagen um einen Meter verlängert werden. So finden die Wasserstoffbehälter Platz, ohne dass dadurch das Transportvolumen reduziert wird.
FREIHANDEL: Der Ständerat will den Bundesrat bei Freihandelsabkommen zwischen den Efta-Staaten oder der Schweiz und Drittländern nicht zu mehr Transparenz verpflichten. Er hat eine Motion von Nationalrätin Sibel Arslan (Grüne/BS) abgelehnt. Der Entscheid fiel mit 29 zu 15 Stimmen bei einer Enthaltung. Der Vorstoss ist damit erledigt. Bei einem Ja hätte der Bundesrat künftig insbesondere die Mitglieder der Aussenpolitischen Kommissionen über den Stand der Verhandlungen informieren und ihnen die Möglichkeit geben müssen, die Verhandlungsmandate einzusehen. Die Mehrheit im Ständerat begrüsste dieses Bestreben, hielt aber gleichzeitig fest, dass bereits institutionalisierte Abläufe existierten.
E-AUTOS: Der Ständerat will vorerst keine Abgabe auf Elektro- oder Gasautos einführen. Er hat eine Motion des Luzerner FDP-Nationalrats Damian Müller abgelehnt. Müller erinnerte daran, dass Fahrzeuge mit alternativem Antrieb keinen Beitrag zur Finanzierung der Strasseninfrastruktur leisteten. Irgendwann werde ihr Anteil so gross sein, dass die Kosten nicht mehr gedeckt werden könnten. Nach Ansicht der Mehrheit im Ständerat wäre es aber zu früh für eine Abgabe. "Es wäre widersprüchlich, E-Mobilität zu fördern und sie gleichzeitig zu schröpfen", sagte Kommissionssprecher Stefan Engler (CVP/GR). Verkehrsministerin Simonetta Sommaruga erinnerte daran, dass der Bundesrat bereits an einem Konzept zur langfristigen Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur arbeite.
E-BIKES: Jugendliche sollen ab 12 Jahren E-Bikes mit einer Tretunterstützung bis 25 Stundenkilometer fahren dürfen. Der Ständerat unterstützte mit 40 zu 4 Stimmen bei einer Enthaltung eine Motion und folgte der einstimmigen Verkehrskommission. Mit dem Ja sei die Schweiz immer noch restriktiver als die meisten Nachbarländer, sagte Kommissionssprecher Hans Wicki (FDP/NW). Er argumentierte auch mit dem Tourismus: Für Gäste sei es unverständlich, warum Kinder und Jugendliche mit E-Bikes nicht frei fahren dürften. Der Bundesrat sprach sich gegen das Anliegen aus. Verkehrsministerin Simonetta Sommaruga verwies auf die Zahl der Unfälle mit E-Bikes und darauf, dass diese schwerer seien als Velos und ein anderes Fahrverhalten hätten. Die Motion geht nun an den Nationalrat.
PARLAMENT: Zwischen Parlamentskommissionen und der Leitung der Parlamentsdienste ist es zu Konflikten gekommen. Der Nationalrat wollte die Kompetenzen und Hierarchien deshalb neu regeln. Der Ständerat ist dagegen. Die parlamentarische Initiative der Staatspolitischen Kommission des Nationalrats (SPK) ist damit vom Tisch. Laut Andrea Caroni (FDP/AR), der in der kleinen Kammer die Haltung der ständerätlichen SPK vertrat, gibt es keinen Handlungsbedarf. Hintergrund der Initiative sind verschiedene Konflikte, etwa darüber, ob Mitarbeitende die Kommission an eine auswärtige Sitzung begleiten dürfen oder nicht - und wer das entscheidet.
ABKOMMEN: Der Ständerat hat vom bundesrätlichen Bericht zur Aussenwirtschaftspolitik 2019 Kenntnis genommen. Gleichzeitig genehmigte er mehrere internationale Abkommen, darunter ein Landwirtschaftsabkommen mit Israel. Eine Handelsabkommen zwischen der Schweiz und dem Vereinigten Königreich soll die Handelsbeziehungen nach dem Brexit absichern. Ein Abkommen mit der Türkei betrifft die Verwendung von Vormaterialien.