Der Nationalrat in Kürze
(sda) BAUERN: Der zeitweise hitzig geführte Streit um Steuerprivilegien für Bauern ist vorerst beigelegt. Der Nationalrat hat seine Pläne für den steuerfreien Verkauf von land- und forstwirtschaftlichen Grundstücken am Mittwoch fallen gelassen. Das Anliegen war im Ständerat chancenlos gewesen. Hintergrund ist ein Bundesgerichtsentscheid von 2011, der den steuerfreien Verkauf auf Liegenschaften nach bäuerlichem Bodenrecht beschränkte. Die bürgerlichen Fraktionen wollten diesen mit einer Gesetzesänderung rückgängig machen. Die Wirtschaftskommission des Nationalrats will den Bundesrat stattdessen beauftragen, Lösungen für die unterschiedliche Besteuerung von Grundstücksverkäufen zu erarbeiten. Dieses Postulat wird voraussichtlich in der Herbstsession behandelt.
WÄHRUNGSFONDS: Die Schweiz soll rund 690 Millionen Franken bereitstellen, damit der Internationale Währungsfonds (IWF) armen Ländern günstige Kredite vergeben kann. Nach dem Ständerat hat auch der Nationalrat grünes Licht zum Darlehen gegeben. Die grosse Kammer folgte in der Gesamtabstimmung mit 118 zu 60 Stimmen ihrer vorberatenden Kommission. Damit ist das Geschäft verabschiedet. Es geht um eine Garantie zu einem Darlehen an den Treuhandfonds für Armutsbekämpfung und Wachstum. Weil für Wechselkursschwankungen ein Puffer von 113 Millionen Franken vorgesehen ist, beläuft sich der beantragte Verpflichtungskredit auf 800 Millionen Franken. Die gesamte vom IWF geplante Aufstockung ist rund 15 Milliarden Franken schwer. Der Schweizer Anteil beläuft sich auf 4,5 Prozent. Die Aufstockung ist nötig, weil der IWF im Juli 2015 die Obergrenzen der Kreditvergabe an ärmere Länder erhöht hat.
BUNDESFINANZEN I: National- und Ständerat sind sich bei den Nachtragskrediten zum Voranschlag 2017 nach drei Runden nicht einig geworden. Die grosse Kammer hat beschlossen, an ihren früheren Beschlüssen festzuhalten. Damit muss das Geschäft in die Einigungskonferenz. Werden sich die Räte am Ende nicht einig, gilt der tiefere Betrag. Es würde sich also die grosse Kammer durchsetzen. Der Nationalrat lehnt zwei Kredite ab. Zum einen stellt er sich gegen einen Zusatzkredit von 10 Millionen Franken für das Informatikprojekt FISCAL-IT der Steuerverwaltung. Zum anderen lehnt der Nationalrat einen Nachtragskredit für die Bundesanwaltschaft im Umfang von 700'000 Franken ab. Über den Vorschlag der Einigungskonferenz entscheidet das Parlament am (morgigen) Donnerstag.
BUNDESFINANZEN II: Immer mehr Ausgaben des Bundes sind stark gebunden, können also nicht kurzfristig gesenkt werden, weil dazu Gesetze oder die Verfassung geändert werden müssten. Der Nationalrat will diese Ausgaben nun um 5 bis 10 Prozent reduzieren. Er hat eine Motion seiner Finanzkommission mit 107 zu 63 Stimmen angenommen. Das Geschäft geht nun an den Ständerat. Kommissionssprecher Hans-Ulrich Bigler (FDP/ZH) sagte im Namen der Mehrheit, dass es in der Finanzpolitik mehr Handlungsspielraum brauche. Sonst bestehe die Gefahr, dass Aufgabengebiete mit schwach gebundenen Ausgaben wie Landwirtschaft und Bildung innerhalb des Bundeshaushalts marginalisiert würden. Gegen den Vorstoss stellten sich die Vertreter der SP, Grünen und der CVP. Für sie ist die Motion nicht zielführend. Sie ziele auf einen Abbau bei AHV, IV, Ergänzungsleistungen und Prämienverbilligungen.
ZOLL: Der Nationalrat hat einen Gesamtkredit von 393 Millionen Franken für das Informatikprojekt DaziT der Eidgenössischen Zollverwaltung (EZV) ohne Gegenstimme genehmigt. Nun ist der Ständerat am Zug. Die grosse Kammer folgte ihrer vorberatenden Finanzkommission. Diese hatte vor ihrer einstimmigen Zustimmung zur Vorlage aber Zusatzinformationen von der Verwaltung verlangt. Das mündete in einer Änderung des Bundesbeschlusses. Demnach sollen die Kreditteile gestaffelt freigeben werden, weil die Planung noch viele Unsicherheiten aufweist. Die Notwendigkeit des Projektes war im Nationalrat aber unbestritten. DaziT soll den Zoll ins digitale Zeitalter überführen. Das soll insbesondere die Wirtschaft entlasten, da die Kosten für die Zollverfahren gesenkt werden können.
ERITREA: Der Nationalrat verlangt vom Bundesrat, umgehend eine Botschaft in Eritreas Hauptstadt Asmara zu eröffnen. Mit grosser Mehrheit hat er eine Motion der SVP mit dieser Forderung angenommen. Die Präsenz soll es der Schweiz erlauben, die Lage in dem Land aus erster Hand zu beurteilen und Kontakte zu knüpfen für die Aushandlung eines Rückübernahmeabkommens. Bei Aussenminister Didier Burkhalter rannte die SVP offene Türen ein. Dieser plädierte jedoch für ein schrittweises Vorgehen, das an ein Entgegenkommen Eritreas geknüpft werden soll. In einem ersten Schritt wird ein Schweizer Attaché Station beziehen in Asmara. Abgelehnt hat der Nationalrat eine weitere Motion aus den Reihen der SVP, die verlangte, dass Entwicklungshilfe mit dem Abschluss eines Rückübernahmeabkommen verknüpft wird.
VISA: Die Schweiz soll die Visumspflicht für Bürgerinnen und Bürger eines Staates auch dann aufheben können, wenn sie mit dem entsprechenden Staat kein Rückübernahmeabkommen abgeschlossen hat. Der Nationalrat will daran nichts ändern. Mit 118 zu 60 Stimmen hat er sich gegen eine parlamentarische Initiative von Nationalrätin Céline Amaudruz (SVP/GE) ausgesprochen. Er folgte damit seiner vorberatenden Kommission. Kommissionssprecher Cédric Wermuth (SP/AG) hielt fest, die Mehrheit anerkenne die Problematik, doch sei es wichtig, völkerrechtliche Verpflichtungen zu respektieren. Würde die Schweiz Rückübernahmeabkommen zur Bedingung machen für die Aufhebung der Visumspflicht, könnte das zur Folge haben, dass die Schengener-Abkommen nicht eingehalten würden. Diese verpflichten die Schweiz, von der EU beschlossene Visumsbefreiungen zu übernehmen.
PANAMA PAPERS: Der Nationalrat sieht in Sachen Panama Papers keinen gesetzgeberischen Handlungsbedarf. Die grosse Kammer hat drei Vorstösse der Grünen-Fraktion deutlich abgelehnt. Eine Mehrheit weist auf bereits getroffene Massnahmen hin und plädiert für ein international koordiniertes Vorgehen. Mit dem Nein sind die Geschäfte vom Tisch. Nur die Ratslinke hielt es für angezeigt, neue Regeln anzustossen. Die Grünen wollten diverse Lücken im Geldwäschereigesetz schliessen. Anwälte, die als Berater von Trusts arbeiten, sollten beispielsweise dem Gesetz unterstellt werden. Die Fraktion hatte zudem eine Aufweichung des Anwaltsgeheimnisses bei Missbrauchsvorwürfen zum Ziel.
STEUERSCHLUPFLÖCHER: Der Bundesrat muss nicht darlegen, wie die Transparenz bei juristischen Personen, bei Rechtskonstruktionen wie Trusts und vergleichbaren Rechtsinstituten und Offshore-Konstruktionen verbessert werden kann. Der Nationalrat hat ein Vorstoss von Susanne Leutenegger Oberholzer (SP/BL) mit dieser Forderung abgelehnt, mit 135 zu 52 Stimmen bei einer Enthaltung. Die Postulantin wollte weiter erreichen, dass diese Informationen öffentlich zugänglich sind. Eine Mehrheit hielt das für unnötig und folgte der Argumentation von Finanzminister Ueli Maurer. Demnach hat die Schweiz bereits Massnahmen in diese Richtung ergriffen. Die geltenden Bestimmungen genügten. Jedoch sehe der Bundesrat "keine Notwendigkeit, jedermann den öffentlichen Zugang zu dieser Art von Informationen zu ermöglichen".
GUTE DIENSTE: Der Bundesrat muss einen Bericht über die guten Dienste der Schweiz verfassen. Der Nationalrat hat ein Postulat von Claude Béglé (CVP/VD) angenommen, der die Allgemeinheit über diese internationalen Aktivitäten der Schweiz aufklären und von den vom Aussendepartement EDA durchgeführten Prozessen überzeugen will. Der Bericht soll daher mit erfolgreichen Einsätzen, schwierigen Fällen oder den angewandten Methoden untermalt werden. Aussenminister Didier Burkhalter zeigte sich gerne bereit, den Auftrag entgegenzunehmen. Die SVP hingegen bekämpfte den Vorstoss. Die Schweiz sei überzeugend, weil sie gute Taten leiste, ohne der Welt die Ohren vollzuschwatzen, sagte Roland Büchel (SVP/SG). "Es wird geliefert, nicht gelafert", sagte er.
UNTERNEHMEN: Der Nationalrat möchte die steuerliche Situation von Start-ups und deren Mitarbeitenden verbessern. Er hat eine Motion seiner Wirtschaftskommission mit diesem Anliegen angenommen, mit 122 zu 48 Stimmen bei 2 Enthaltungen. Finanzminister Ueli Maurer hatte den Rat vergeblich darauf hingewiesen, dass sich bereits eine Arbeitsgruppe mit dem Thema beschäftige. Diese sollte demnächst einen Bericht vorlegen. Der Bundesrat werde dann allenfalls konkrete Massnahmen vorschlagen.
BANKEN: Italienische Treuhandgesellschaften, die der Steuersicherung dienen, sollen von der Umsatzabgabe befreit werden. Das hat der Nationalrat einstimmig beschlossen. Ziel ist es, die Schweizer Banken wettbewerbsfähiger zu machen, vor allem jene im Kanton Tessin. Sind die Wertschriften nämlich bei einer italienischen Bank deponiert, ist keine Umsatzabgabe geschuldet. Finanzminister Ueli Maurer geht von Mindereinnahmen von rund 10 Millionen Franken aus. Diese Ausfälle sollen dank der Befreiung von der Stempelabgabe mehr als wettgemacht werden.
ENTWICKLUNGSHILFE: Das Nahrungsmittelhilfeprogramm mit Schweizer Milchpulver wird nach den Plänen des Bundes Ende Jahr eingestellt. Ab 2018 erhält das UNO-Welternährungsprogramm die entsprechenden Gelder. Eine knappe Mehrheit des Nationalrats ist mit diesem Vorgehen einverstanden. Die grosse Kammer hat eine Motion von Markus Hausammann (SVP/TG) mit 94 zu 93 Stimmen bei 4 Enthaltungen abgelehnt. Der Vorstoss hatte zum Ziel, die Nahrungsmittelhilfe mit Milchpulver in geeigneter Form weiterzuführen. Nach dem knappen Nein muss der Bundesrat nun aber nicht mehr über die Bücher. Die 20 Millionen Franken im Jahr sollen künftig nicht für Exportsubventionen verwendet werden, sondern in ein effizientes Nahrungsmittelhilfeprogramm der UNO fliessen.
FINANZEN: Das Parlament verlangt vom Bundesrat, die Rechnungslegung so anzupassen, dass das Bild des Finanzhaushalts möglichst die tatsächliche Vermögens-, Finanz- und Ertragslage spiegelt. Nach dem Ständerat hat auch der Nationalrat eine Motion mit dieser Forderung stillschweigend angenommen. Diese stammt von Ständerat Peter Hegglin (CVP/ZG). Hintergrund ist der Überschuss des Bundes für das Jahr 2016. Dieser geht auf Vorauszahlungen bei der direkten Bundessteuer zurück und entspricht daher nicht der tatsächlichen Ertragssituation des betreffenden Jahres. Der Bundesrat muss auch prüfen, ob sich Vorteile ergeben, wenn die Haushaltsteuerung über die Erfolgsrechnung anstelle der Finanzierungsrechnung erfolgt. Dies soll die Lesbarkeit der Finanzierungsrechnung verbessern.
SCHWEIZ - RUSSLAND: Der Bundesrat soll die Beziehungen zwischen der Schweiz und Russland nicht erneuern und intensivieren. Ein Vorstoss von Yvette Estermann (SVP/LU) mit diesem Auftrag hat der Nationalrat mit 152 zu 20 Stimmen bei 4 Enthaltungen abgelehnt. Damit ist das Geschäft vom Tisch. Die Motionärin wollte "der verfehlten Sanktionspolitik" des Westens gegen Russland ein Ende setzen. Diese schade beiden Seiten. Als neutrales Land und Nicht-EU-Mitglied sei die Schweiz geradezu prädestiniert, im Interesse des Friedens in Europa als Vermittlerin aufzutreten. Eine Mehrheit im Rat sah das anders und folgte der Argumentation des Bundesrats. Laut Aussenminister Didier Burkhalter ist das Anliegen der Motion bereits erfüllt. Die Beziehungen zwischen der Schweiz und Russland seien gut, vielfältig und intensiv.
SYRIEN-KRIEG: Der Nationalrat lehnt zusätzliche Hilfen der Schweiz im Syrien-Krieg ab. Eine Motion der Grünen-Fraktion, welche die humanitäre Hilfe vor Ort verstärken, die Flüchtlingskontingente erhöhen und privates Flüchtlingssponsoring ermöglichen wollte, lehnte er deutlich ab. Keine der drei vorgeschlagenen Massnahmen erhielt mehr als 71 Stimmen. Damit ist das Geschäft vom Tisch. Eine Mehrheit der grossen Kammer folgte der Argumentation des Bundesrats. Demnach unterstützt die Schweiz die vom Krieg betroffenen Menschen bereits in verschiedener Hinsicht. Neben grossen finanziellen Hilfen setze die Schweiz mit der Aufnahme von syrischen Flüchtlingen ein zusätzliches Zeichen der Solidarität mit den Kriegsopfern. Laut Aussenminister Didier Burkhalter sind die Forderungen der Motion derzeit hinreichend berücksichtigt.
ERBSCHAFTSSTEUER: Der Bundesrat muss kein neues Erbschaftssteuerabkommen mit Frankreich aushandeln. Der Nationalrat hat eine Motion von Jean-Luc Addor (SVP/VS) abgelehnt. Der Entscheid fiel allerdings äusserst knapp aus, mit 93 zu 92 Stimmen bei 3 Enthaltungen. Frankreich hatte das Erbschaftssteuerabkommen mit der Schweiz auf Ende 2014 gekündigt, nachdem das Schweizer Parlament ein vom Bundesrat neu ausgehandeltes, revidiertes Abkommen abgelehnt hatte. Damit herrscht seit 2015 zwischen der Schweiz und Frankreich in Sachen Doppelbesteuerung von Erbschaften ein vertragsloser Zustand. Davon seien Hunderttausende betroffen, sagte Addor. Der Bundesrat wollte indes nichts von neuen Verhandlungen wissen. "Wir werden kein besseres Ergebnis erzielen, wenn Frankreich überhaupt zu Verhandlungen bereit ist", sagte Finanzminister Ueli Maurer.
HOCHSCHULRAT: Die Zusammensetzung des Hochschulrats soll nicht neu überdacht werden. Der Nationalrat hat eine parlamentarische Initiative von Christoph Eymann (LDP/BS) mit 121 zu 50 Stimmen bei 7 Enthaltungen abgelehnt. Dieser wollte erreichen, dass die Regierungen der massgeblichen Hochschulträger künftig von Gesetzes wegen im Hochschulrat vertreten sind - auch diejenige von Baselland, die heute nicht berücksichtigt wird. Welche 14 Regierungsmitglieder Einsitz nehmen, ist im Hochschulkonkordat geregelt und damit Sache der Kantone. Die Mehrheit der grossen Kammer zeigte sich mit der aktuellen Regelung zufrieden. Potenziell könne schon heute jeder Trägerkanton im Hochschulrat vertreten sein.
PANDEMIEN: Der Nationalrat soll nicht Mitglied von Unitaid werden. Er hat ein Postulat von Mathias Reynard (SP/VS), der den Bundesrat mit der Prüfung eines Beitritts beauftragen wollte, abgelehnt - mit 129 zu 61 Stimmen bei einer Enthaltung. Unitaid wurde 2006 von Brasilien, Chile, Frankreich, Norwegen und dem Vereinigten Königreich gegründet. Sie wird von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) in Genf beherbergt und unterstützt weltweit Gesundheitsprogramme in ihrem Kampf gegen HIV, Malaria und Tuberkulose. Laut Aussenminister Didier Burkhalter beteiligt sich die Schweiz schon heute sehr aktiv an der Bekämpfung dieser Krankheiten. Der Bundesrat sehe einen Beitritt zu Unitaid zurzeit nicht vor. Er verfolge aber mit Interesse die innovativen Ansätze der Organisation.
ABSCHIED: Nationalratspräsident Jürg Stahl (SVP/ZH) hat die beiden abtretenden Nationalräte Cesla Amarelle (SP/VD) und Roberto Schmidt (CVP/VS) mit persönlichen Worten aus dem Nationalrat verabschiedet. Beide verlassen den Rat, weil sie in die Regierung ihrer Kantone gewählt worden sind. Stahl wünschte ihnen für die neue Aufgabe viel Erfolg. Der Nationalrat verabschiedete die Ratskollegen mit Applaus und Standing Ovations. Die beiden nachrückenden Nationalräte werden am (morgigen) Donnerstag vereidigt.
SERVICE PUBLIC: Eine gute Grundversorgung für alle: Dieses Ziel war im Nationalrat unbestritten. Trotzdem lehnte die grosse Kammer eine parlamentarische Initiative von Marina Carobbio (SP/TI) ab. Die Initiantin hatte verlangt, Bund und Kantone sollten den Zugang zu einer "ausreichenden, allen zugänglichen Grundversorgung sicherstellen". Ihre Forderung beziehe sich nicht auf Luxusgüter, sondern um Bereiche wie öffentlicher Verkehr oder den Zugang zum Gesundheitswesen oder Internet, sagte Carobbio. Es brauche ein einklagbares Recht auf eine gute Grundversorgung, allenfalls auf Verfassungsstufe, zeigte sich die SP-Nationalrätin überzeugt. Einer Ratsmehrheit ging dies allerdings zu weit. Das Anliegen sei aus praktischen und finanziellen Gründen nicht umsetzbar, sagte Kommissionssprecher Bernhard Guhl (BDP/AG).
MORATORIUM: Der Nationalrat will nichts von einem Moratorium für den Verkauf von Zollgebäuden und deren Nebengebäuden wissen. Er hat eine entsprechende Motion von Roger Golay (MCG/GE) abgelehnt, mit 118 zu 64 Stimmen. Golay begründete seinen Vorstoss mit dem "beträchtlichen Zustrom von Flüchtlingen". Finanzminister Ueli Maurer betonte im Rat, der Bund verkaufe keine Gebäude, die für die Sicherheit wichtig oder für den Zoll oder das Grenzwachtkorps von strategischer Bedeutung seien. Es gebe aber viele Gebäude, die seit Jahren nicht mehr benötigt würden. Es gebe nichts Teureres als ein Gebäude, das nicht mehr benutzt werde, weil die Unterhaltskosten dann entsprechend stiegen.
BUDGET: Der Bundesrat muss keinen Bericht zu einem ausgeglichenen Budget vorlegen. Der Nationalrat hat ein Postulat von Thomas Burgherr (SVP/AG) abgelehnt, mit 123 zu 64 Stimmen. Burgherr hatte einen umfassenden Bericht dazu verlangt, wie ab 2020 ein zwischen Einnahmen und Ausgaben ausgeglichenes Budget ohne Steuer- und Gebührenerhöhungen sowie ohne Kostenabwälzung auf die Kantone möglich wäre. Im Bericht sollten mögliche Massnahmen und allenfalls nötige gesetzliche Anpassungen aufgeführt werden. Was Burgherr fordere, werde faktisch bereits erfüllt, mit der jährlichen Finanzplanung, sagte Finanzminister Ueli Maurer im Rat. Die Schuldenbremse dürfe nicht angetastet werden, das sei klar.
VEREINIGTE BUNDESVERSAMMLUNG
GERICHTE: Das Bundespatentgericht hat einen neuen Präsidenten: Der 44-jährige St. Galler Mark Schweizer ist von der Vereinigten Bundesversammlung zum Nachfolger von Dieter Brändle gewählt worden - mit allen 184 gültigen Stimmen. In den weiteren Wahlgeschäften wurde der 38-jährige Freiburger Gregor Chatton (CVP) für die vakante Stelle des französischsprachigen Bundesverwaltungsrichters gewählt. Ferner wurde die Anzahl Richterstellen am Bundesverwaltungsgericht im Asylbereich vorübergehend von 65 auf 69 aufgestockt. Neu amten: Andrea Berger-Fehr (SVP/SH); Mia Fuchs (SP/BS); Constance Leisinger (SP/GR) sowie Jeannine Scherrer-Bänziger (SVP/AR). Weiter wählte die Bundesversammlung den 37-jährigen Walliser Stéphane Zenger (SP) als neuen ordentlicher Richter am Bundesstrafgericht. Zudem ist der 47-jährige parteilose Olivier Bleicker neuer Ersatzrichter am Militärkassationsgericht.
DER Ständerat in Kürze
(sda) FREIHANDEL: Der Ständerat hat am Mittwoch das Freihandelsabkommen zwischen den EFTA-Staaten (Island, Liechtenstein, Norwegen, Schweiz) und Georgien ohne Gegenstimme angenommen. Nicht einverstanden war die kleine Kammer allerdings mit einem Antrag des Bundesrates, künftig vergleichbare Abkommen nicht mehr dem fakultativen Referendum zu unterstellen. Der Ständerat lehnte eine entsprechende Änderung mit 32 zu 7 Stimmen deutlich ab.
DATEN: Das in die Jahre gekommene System zur Erfassung biometrischer Daten kann ab 2020 ersetzt werden. Mit diesem werden biometrische Daten wie Fingerabdrücke oder Gesichtsbilder für Pässe, Visa und Ausländerausweise erfasst. Das Parlament hat einem Verpflichtungskredit von 33 Millionen Franken zugestimmt. Umstritten war bis zuletzt, ob bei der Beschaffung wo immer möglich Offerten von Schweizer Unternehmen eingeholt werden müssten. Der Nationalrat konnte sich mit dieser Spezialbestimmung schliesslich durchsetzen. Der Ständerat lenkte ein, um das Geschäft nicht weiter zu verzögern.
LANDWIRTSCHAFT: Das Parlament will verhindern, dass Anbindeställe für Rindvieh gegenüber anderen Haltungsformen finanziell benachteiligt werden. Der Ständerat stimmte oppositionslos für eine Motion aus dem Nationalrat, will diese aber abändern. Gemäss der Variante des Ständerates soll der Bundesrat nur im Bereich der Strukturverbesserungsmassnahmen dafür sorgen, dass es zu keinen Benachteiligungen von Anbindeställen gegenüber anderen Stallsystemen wie etwa Freilaufställen kommt. Keine Anpassungen geben soll es hingegen bei den Direktzahlungen. Die Programme "Regelmässiger Auslauf im Freien" (RAUS) und "Besonders tierfreundliche Stallhaltungssysteme" (BTS) könnten damit unverändert weitergeführt werden. Die abgeänderte Motion geht nun zurück an den Nationalrat.
SPRACHEN: Der Ständerat hat sich mit der Dominanz des Englischen in der Wissenschaft befasst. Joachim Eder (FDP/ZG) wollte vom Bundesrat wissen, warum die Landessprachen vernachlässigt würden. Er kritisierte insbesondere, dass Gesuche an den Schweizerischen Nationalfonds (SNF) nur in englischer Sprache akzeptiert würden. Auch Didier Berberat (SP/NE) und Thomas Hefti (FDP/GL) übten Kritik. Der Nationalfonds stellt sich auf den Standpunkt, Gesuche würden durch internationale Expertengruppen geprüft. Deshalb sei es erforderlich, dass der wissenschaftliche Teil in englischer Sprache abgefasst sei. Bildungsminister Johann Schneider-Ammann wies auf das kompetitive internationale Umfeld hin. Die Wissenschaftssprache sei Englisch, daran könne man nicht schrauben.
ERASMUS: Der Ständerat hat über die Pläne des Bundesrates zum EU-Studentenaustauschprogramm Erasmus+ diskutiert. Dass der Bundesrat bis 2020 nicht mehr eine volle Teilnahme der Schweiz anstrebt, stiess auf Kritik. Der Freiburger CVP-Ständerat Beat Vonlanthen hatte sich in einer Interpellation erkundigt, was die Gründe für den Entscheid seien. Von der Antwort des Bundesrates zeigte er sich "ganz und gar nicht befriedigt". Der Bundesrat mache geltend, die Kosten für eine volle Teilnahme seien zu hoch. Diese Überlegungen seien nur schwer nachvollziehbar, kritisierte Vonlanthen. Mit der vom Bundesrat angestrebten "Schweizer Lösung" fielen die Kosten nämlich bei den Schweizer Bildungsinstitutionen an, und die Schweizer Studierenden würden benachteiligt.
CYBER-DEFENCE: Ein Beirat unterstützt die Bundesverwaltung im Umgang mit dem Risiko von Cyber-Attacken. Verteidigungsminister Guy Parmelin erteilte im Ständerat Auskunft zu diesem Gremium. Traktandiert war eine Interpellation von Joachim Eder (FDP/ZG), der sich sorgt, dass die Schweiz nicht genügend gegen Cyber-Attacken gewappnet ist. Unter anderem wollte er wissen, was es mit dem Cyber-Defence-Beirat auf sich habe. Laut Parmelin wurde dieser bereits 2013 geschaffen. Es handle sich um eine Gruppe von Experten aus der Wissenschaft. Vor kurzem sei entschieden worden, das Gremium im Generalsekretariat des Verteidigungsdepartements anzusiedeln, wo der Beirat nun über ein Büro verfüge.
ENTWICKLUNGSHILFE: Der Ständerat hat einen Bericht des Bundesrates zur Entwicklungsfinanzierungsgesellschaft SIFEM zur Kenntnis genommen. Dabei wurde grundsätzliche Kritik an der Institution laut. Im Bericht legt der Bundesrat dar, warum er das Bundesdarlehen an die SIFEM in Aktienkapital umwandeln will. Die Erklärungen überzeugten die vorberatende Ständeratskommission, wie Sprecherin Anita Fetz (SP/BS) sagte. Generelle Zweifel an der SIFEM äusserte Thomas Minder (parteilos/SH). Mit dem komplizierten Konstrukt zur Anlage der Gelder versickerten Millionen, sagte er. Davon profitiere ein Heer von Portfoliomanagern mit hohen Löhnen und Boni. Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann widersprach: Die SIFEM sei ein wertvolles Instrument, aus seiner Sicht die "schlagkräftigste Organisation, um Entwicklungshilfe zu betreiben".
ARBEITSLOSIGKEIT: Wirtschaftsminister Johann Schneider ist bereit, die Verlängerung der Kurzarbeitsentschädigung von 12 auf 18 Monate fortzusetzen, wenn dies in gewissen Branchen oder Regionen nötig sein sollte. Das sagte er im Ständerat bei der Diskussion über eine Interpellation von Karin Keller-Sutter (FDP/SG). Davon profitieren könnten Unternehmen, die per 1. August bereits zwölf oder mehr Bezugsmonate aufweisen. Für eine Verlängerung auf 24 Monate bräuchte es eine Gesetzesänderung. Das habe er bisher nicht für sinnvoll erachtet, sagte Schneider-Ammann. Die Kurzarbeitsentschädigung sei als Hilfsmittel zur Überbrückung gedacht. Strukturerhaltungspolitik sollte nicht betrieben werden.