Der Nationalrat in Kürze
Bern (sda)
WOHNEN: Die Initiative "Mehr bezahlbare Wohnungen" des Mieterverbands ist im Nationalrat wohl nicht mehrheitsfähig. Das hat die Debatte vom Mittwoch gezeigt. Nur SP und Grüne setzten sich dafür ein. Die grosse Kammer ist aber im Grundsatz bereit, zusätzliche Mittel für den gemeinnützigen Wohnungsbau zu bewilligen. Mit Ausnahme der SVP und eines Teils der FDP sprachen sich alle Fraktionen für einen Rahmenkredit von 250 Millionen Franken zur Aufstockung des Fonds de Roulement aus. Dieser kann Wohnbaugenossenschaften zinsgünstige Darlehen gewähren. Der Nationalrat ist vorerst nur auf diesen indirekten Gegenvorschlag eingetreten. Vor dem Entscheid muss sich die Wirtschaftskommission damit befassen. Die Abstimmungen über die Initiative und den indirekten Gegenvorschlag finden am Freitag statt.
ÄRZTE: Der Nationalrat hat über ein definitives Regime für die Ärztezulassung diskutiert. Kantone sollen Höchst- und Mindestzahlen festlegen, um die Versorgung sicherzustellen und eine Überversorgung zu verhindern. Der Bundesrat kann einheitliche Anforderungen und ein Verfahren für die Zulassung festlegen. Der Nationalrat will mit der Vorlage jedoch auch den Vertragszwang lockern. Zudem sollen Ärztinnen und Ärzte verpflichtet werden, ein elektronisches Patientendossier zu führen. Schliesslich will der Nationalrat die Zulassungssteuerung mit der einheitlichen Finanzierung von ambulanten und stationären Leistungen verknüpfen. Gesundheitsminister Alain Berset warnte vor einer Blockade. Das heutige Regime läuft voraussichtlich Mitte 2021 aus.
FLÜCHTLINGE: National- und Ständerat haben sich auf eine Verschärfung des Heimatreiseverbots für Flüchtlinge geeinigt. Der Nationalrat hat die letzte Differenz ausgeräumt. Damit bleiben Ausnahmen vom Verbot möglich, beispielsweise für den Besuch todkranker Angehöriger. Künftig müssen aber nicht mehr die Behörden beweisen, dass eine Reise unzulässig war. Vielmehr muss der Flüchtling glaubhaft machen, dass er aufgrund eines Zwangs in den Heimatstaat reiste. Neu können auch Reisen in andere Staaten als die Heimatländer verboten werden, insbesondere in Nachbarstaaten. Dies dann, wenn ein begründeter Verdacht besteht, dass das Reiseverbot auf diesem Weg missachtet wird.
AGROSCOPE: Die landwirtschaftliche Forschungsanstalt Agroscope soll weiterhin über mehr als einen Standort verfügen. Auch soll ihr Budget nicht um 20 Prozent gekürzt werden. Das fordert der Nationalrat. Er hat zwei Motionen seiner Finanzkommission oppositionslos angenommen, im Einverständnis mit dem Bundesrat. Die Vorstösse sind inzwischen überholt: Der Bundesrat ist bereits auf die ursprünglichen Pläne zurückgekommen. Ende November hat er neue Pläne bekannt gegeben, die der Stossrichtung der Motionen entsprechen. Agroscope soll künftig aus einem zentralen Forschungscampus in Posieux FR, je einem regionalen Forschungszentrum in Changins VD und Reckenholz ZH sowie aus dezentralen Versuchsstationen bestehen.
FACHHOCHSCHULEN: Der Bundesrat soll dafür sorgen, dass die höheren Fachschulen mit eidgenössisch anerkannten Bildungsgängen und ihre Abschlüsse national und international klar als Teil der schweizerischen Berufsbildung positioniert sind. Der Nationalrat hat einer entsprechenden Forderung aus dem Ständerat zugestimmt. Das Anliegen, dass ein Bezeichnungsschutz, eidgenössische Titel oder Bundesdiplome eingeführt werden sollten, lehnt er jedoch ab. Weil er den Text einer entsprechenden Motion geändert hat, muss sich der Ständerat noch einmal damit befassen.
JAHRESZIELE: Bundespräsident Alain Berset hat im Nationalrat die Jahresziele des Bundesrates für 2019 erläutert. In der laufenden Legislatur sind laut Berset bisher zwei Drittel der Ziele erreicht worden. Hinzu kamen unvorhersehbare Themen. Bis zum Ende der Legislatur sollten 80 Prozent der Ziele umgesetzt sein. Die Leitlinien des Bundesrates für das kommende Jahr sind der Wohlstand, der nationale Zusammenhalt und die Sicherheit der Schweiz. Zur Europapolitik habe der Bundesrat vergangenen Freitag gesagt, was es zu sagen gebe, sagte Berset. Er betonte, wie wichtig stabile Beziehungen zur EU seien. Im kommenden Jahr werde nun die Konsultation zum Rahmenabkommen durchgeführt.
GERICHTE: Die Vereinigte Bundesversammlung hat den Gerichtspräsidenten und die Vizepräsidentin des Bundesgerichts, Ulrich Meyer (SP) und Martha Niquille (CVP), für die Jahre 2019 und 2020 bestätigt. Am Bundesverwaltungsgericht amtet künftig Susanne Genner (SP). Das Parlament wählte sie zur Nachfolgerin von Philippe Weissenberger (GL). Für die Nachfolge von Andrea Blum (SVP) hat es Adrian Urwyler (CVP) zum nebenamtlichen Richter an der Beschwerde- und an der Strafkammer des Bundesstrafgerichts gewählt.
Der Ständerat in Kürze
Bern (sda)
ATOMWAFFEN: Der Bundesrat muss so rasch wie möglich den Atomwaffenverbotsvertrag unterzeichnen und dem Parlament zur Genehmigung vorlegen. Der Ständerat hat am Mittwoch einer Motion von Carlo Sommaruga (SP/GE) aus dem Nationalrat zugestimmt - gegen den Willen des Bundesrates und der Kommission. Letztere hatte gefordert, dass der Bundesrat bis Ende 2020 eine neue Standortbestimmung vornimmt und erst dann entscheidet, ob die Schweiz das Uno-Abkommen unterzeichnet. Die Ratsmehrheit überzeugte dieses Vorgehen nicht. Ohne Unterzeichnung sende die Schweiz ein negatives Signal an die internationale Gemeinschaft aus, argumentierte sie.
PRÄMIEN: Die Prämienregionen sollen unverändert bleiben. Das fordert der Ständerat mit dem Ja zu einer Motion seiner Gesundheitskommission. Damit sollen Prämiensprünge vermieden werden. Die Pläne des Bundesrates zur Neueinteilung der Prämienregionen gaben im Ständerat einmal mehr zu reden. Es brauche einen Schlussstrich unter dieses verunglückte Dossier, sagte Alex Kuprecht (SVP/SZ). Anita Fetz (SP/BS) warf der Ratsmehrheit vor, eine ungerechte Formel zu verteidigen. Die Prämienregionen spiegelten nicht die effektiven Kosten. Gesundheitsminister Alain Berset verteidigte im Ständerat seine Pläne. Es könne nicht sein, dass Versicherte in Städten im Allgemeinen zu hohe Prämien bezahlten und damit Versicherte in ländlichen Gebieten subventionierten. Die Motion geht nun an den Nationalrat.
KRANKENVERSICHERUNG: Der Ständerat sagt Ja zu einer Motion seiner Gesundheitskommission, mit welcher Verkaufsanrufen von Krankenkassenberatern geregelt sowie überzogenen Provisionen für Vermittler von Grundversicherungen ein Riegel geschoben werden soll. Der Bundesrat soll eine entsprechende Vereinbarung unter Krankenversicherern zur Regelung der Provisionen bei der obligatorischen Krankenpflegeversicherung für allgemeinverbindlich erklären können. Versicherer, die sich nicht an die Vorgaben halten, sollen sanktioniert werden können. Zudem soll etwa die telefonische Kaltakquise verboten werden können. Auf eine verbindliche Regelung der Provisionen in der Zusatzversicherung wurde wegen wettbewerbsrechtlicher Bedenken verzichtet. Die Motion geht nun in den Nationalrat.
SCHWEIZ - EU: Der Bundesrat soll Verträge mit europäischen Staaten abschliessen dürfen, um Gelder der Kohäsionsmilliarde für Migrationsprojekte zu verteilen. Der Ständerat hat einer Änderung des Asylgesetzes zugestimmt. Das Geld soll aber nur fliessen, wenn die EU keine diskriminierenden Massnahmen gegen die Schweiz ergreift. Das hatte der Ständerat bereits bei der Genehmigung der Kohäsionsmilliarde entschieden. Der Rahmenkredit Migration von 200 Millionen Franken war im Ständerat unbestritten. Dessen Ziel ist es, effizientere Asylverfahren sowie verbesserte Verfahren zur Aufnahme von Schutzsuchenden und zur Rückkehr zu gewähren. Nun entscheidet noch der Nationalrat.
BUDGET: Das Personalbudget für die Eidgenössische Finanzkontrolle (EFK) kommt vor die Einigungskonferenz. Der Ständerat hat bei der Bereinigung des Voranschlages 2019 an dieser letzten Differenz zum Nationalrat festgehalten. Streitpunkt sind 1,97 Millionen Franken, mit denen die EFK ihren Personalbestand um zehn Vollzeit-Stellen auf 118 Stellen erhöhen will. Der Ständerat hielt sich oppositionslos an den Antrag seiner Finanzkommission. Die Stärkung der EFK sei der Kommission zentral erschienen, sagte Kommissionspräsident Hannes Germann (SVP/SH).
BUNDESSTRAFGERICHT: Die Zahl der Stellen für Richterinnen und Richter der Berufungskammer des Bundesstrafgerichtes in Bellinzona kann von zwei auf drei Vollzeitstellen erhöht werden. Nach dem Nationalrat hat auch der Ständerat oppositionslos einer Verordnungsänderung zugestimmt. Ziel ist es, die Ressourcen der neuen Berufungskammer so schnell wie möglich zu erhöhen. Zudem werden die Rechtsgrundlagen dahingehend angepasst, dass eine ordentliche Richterstelle französischer Sprache besetzt werden kann.
FAMILIEN: Der Ständerat will wissen, ob angesichts neuer Familienmodelle und Reproduktionsmethoden das Abstammungsrecht angepasst werden muss. Er hat dazu ein Postulat seiner Rechtskommission überwiesen. Das geltende fortpflanzungsmedizinische Verbot der Ei- und der Embryonenspende sowie der Leihmutterschaft soll zwar nicht in Frage stellen. Dass Einwohnerinnen und Einwohner der Schweiz verbotene Reproduktionsmethoden im Ausland in Anspruch nehmen, will die Kommission aber nicht ausser Acht lassen. Der Bundesrat soll im Bericht prüfen, ob und wie das Abstammungsrecht dieser Tatsache Rechnung tragen kann, heisst es im Postulat.
FLÜCHTLINGE: Der Bundesrat wird in einem Bericht Fragen zur Anwendung der Flüchtlingskonvention prüfen. Dazu hat ihn der Ständerat beauftragt. Damian Müller (FDP/LU) forderte mit seinem Postulat, dass der Bundesrat eine Revision der Genfer Flüchtlingskonvention von 1951 prüft. Ihm geht es um eine Anpassung der Fluchtgründe. Der Bundesrat ist einverstanden. Personen, die rein wirtschaftliche Gründe oder ausschliesslich Wehrdienstverweigerung geltend machen, fielen bereits heute nicht unter die Konvention, stellte Justizministerin Simonetta Sommaruga im Rat klar.
GESUNDHEIT: Der Ständerat ist gegen einen Masterplan zur langfristigen Finanzierung der obligatorischen Krankenversicherung bis 2030. Er hat eine Motion aus dem Nationalrat stillschweigend abgelehnt. Damit ist der Vorstoss erledigt. Der Ständerat befürwortet zwar die Kernforderungen der Motion. Seiner Meinung nach hat der Bundesrat das Anliegen aber bereits aufgenommen. Mit dem Expertenbericht über Massnahmen zur Kostendämpfung liege eine Gesamtschau über das Sparpotenzial im Gesundheitswesen vor, befand der Rat. Mit dem Entscheid ist der Vorstoss vom Tisch.
MEDIZINISCHE BEHANDLUNGEN: Der Bundesrat soll Massnahmen ausarbeiten, um die Patientensicherheit bei medizinischen Behandlungen zu erhöhen. Darin ist sich das Parlament einig. Anders als der Nationalrat will der Ständerat aber das Haftpflichtrecht nicht ins Visier nehmen. Er hat eine Motion der nationalrätlichen Gesundheitskommission entsprechend abgeändert. Nach seinem Willen soll der Fokus auf der Prävention gegen schädigende Handlungen liegen. Die neue Version geht nun zurück an den Nationalrat.^
PATIENTENSTEUERUNG: Der Ständerat hat eine Motion aus dem Nationalrat abgelehnt, die eine bessere Steuerung und Koordination der Behandlung von chronisch Kranken verlangt. Solche Programme zur Patientensteuerung sollen gemäss Vorstoss dank einem Experimentierartikel von der obligatorischen Krankenversicherung vergütet werden. Die Gesundheitskommission hatte ihren Antrag für ein Nein damit begründet, dass entsprechende Massnahmen bereits in Arbeit seien. Die Vernehmlassung für Anpassungen im Krankenversicherungsgesetz dauert bis Freitag.
KRANKENVERSICHERUNG: Der Ständerat hat eine Motion aus dem Nationalrat abgelehnt, die ein differenziertes Zulassungs- und Preissystem für Arzneimittel verlangt, die den Krankenkassen vergütet werden müssen. Er folgte dabei der Gesundheitskommission. Der Bundesrat habe die verlangten Anpassungen am Referenzpreissystem bereits an die Hand genommen. Die Vorlage ist bis Freitag in der Vernehmlassung.
APOTHEKEN: Leistungen von Apotheken soll die Grundversicherung auch vergüten können, wenn die Apotheken während einer Behandlung keine Medikamente abgeben. Das verlangt der Ständerat mit Blick auf Sparpotenzial. Eine Motion von Erich Ettlin (CVP/OW) unterstützte er oppositionslos. Apotheken könnten aber bei Behandlungen auch mit Leistungen ohne Medikamentenabgabe Einsparungen herbeiführen, begründete Ettlin den Vorstoss. Als Beispiele nannte er die pharmazeutische Betreuung von Patienten in Heimen im Kanton Freiburg und die so genannte Medication Reconciliation beim Spitalaustritt.
GERICHTE: Die Vereinigte Bundesversammlung hat den Gerichtspräsidenten und die Vizepräsidentin des Bundesgerichts, Ulrich Meyer (SP) und Martha Niquille (CVP), für die Jahre 2019 und 2020 bestätigt. Am Bundesverwaltungsgericht amtet künftig Susanne Genner (SP). Das Parlament wählte sie zur Nachfolgerin von Philippe Weissenberger. Für die Nachfolge von Andrea Blum (SVP) bestimmte es Adrian Urwyler (CVP) zum nebenamtlichen Richter an der Beschwerde- und an der Strafkammer des Bundesstrafgerichts gewählt.
SOZIALVERSICHERUNG: Der Bundesrat wird untersuchen, wie selbstständig Erwerbende sozial besser abgesichert werden können. Der Ständerat hat ein Postulat von Pascale Bruderer Wyss (SP/AG) überwiesen. Untersuchen soll der Bundesrat vor allem, wie digitale Plattformunternehmen zu einer besseren Absicherung beitragen können. Der Bundesrat zeigte sich einverstanden, den Auftrag anzunehmen.