Freitag, 28. September 2012
Der Nationalrat in Kürze
(sda) VERHÜLLUNGSVERBOT: Das Parlament will weder ein Verhüllungsverbot für muslimische Frauen noch eines für Chaoten. Nach dem Ständerat hat auch der Nationalrat eine Standesinitiative aus dem Kanton Aargau abgelehnt. Der Entscheid fiel knapp mit 93 zu 87 Stimmen bei 3 Enthaltungen. Es sei unverhältnismässig, schweizweit das Tragen von gesichtsverhüllenden Kleidungsstücken zu verbieten, sagte Bea Heim im Namen der vorberatenden Staatspolitischen Kommission (SPK), die ihrem Rat ebenfalls eine Ablehnung des Verhüllungsverbots empfohlen hatte. Der Nationalrat wird sich bald wieder mit dem Thema auseinandersetzen müssen. Hans Fehr (SVP/ZH), der vor über eineinhalb Jahren vor der Albisgüetli-Tagung von vermummten Autonomen niedergeschlagen worden war, hat eine Motion für ein nationales Verhüllungsverbot eingereicht. Der Vorstoss wurde von 134 Ratsmitgliedern unterzeichnet.
- SCHLACHTTIERTRANSPORTE: Der Nationalrat hat es stillschweigend abgelehnt, ein Verbot von Schlachttiertransporten auf der Strasse im Gesetz zu verankern. Die Standesinitiative aus dem Kanton Basel-Stadt ist die letzte aus einer ganzen Reihe von gleichlautenden Standesinitiativen, die im Parlament gescheitert sind. Wie der Ständerat möchte auch der Nationalrat das Transportverbot in der Tierschutzverordnung belassen. Im März 2011 hatte der Bundesrat das Strassentransportverbot für zu schlachtende Rinder, Ziegen, Schafe und Schweine auf Pferde und Geflügel ausgedehnt. Erlaubt ist der Transport per Bahn oder Flugzeug.
- ABSCHREIBUNG: Nach viermaliger Fristverlängerung hat der Nationalrat im fünften Anlauf zwei Initiativen abgeschrieben, die eine allgemeine Steueramnestie verlangten. Das Resultat war aber knapp: 92 zu 90 Stimmen und 3 Enthaltungen. Beide Räte gaben der Standesinitiative aus dem Kanton Tessin 2003 und 2004 Folge. Eine Vorlage wurde indes nie ausgearbeitet. Zunächst wartete die Kommission die "kleine Steueramnestie" des Bundesrates ab. Diese ist mittlerweile in Kraft. Aus Sicht der Befürworter der Initiative wäre eine Steueramnestie noch immer prüfenswert. Die Gegner beantragten die Abschreibung, weil das Parlament offenbar kein Wille zeige, eine Amnestie zu verabschieden.
- PETITIONEN: Der Nationalrat hat zehn Petitionen behandelt - er will keinem der Anliegen Folge geben. Unter anderem lehnte die grosse Kammer eine Petition des Schriftstellers Guy Krneta ab, der mit einem Verein im Zuge der Querelen um das Eigentum der "Basler Zeitung" eine Offenlegung von Eigentums- und Besitzverhältnissen bei Medienunternehmen forderte. Ebenfalls ablehnend äusserte sich der Rat zu einer Petition der Jugendsession 2011, die verhindern wollte, dass in Medienberichten über Straftaten grundsätzlich keine Angaben zu Herkunft, Religion, Nationalität und Ethnie der Involvierten veröffentlicht werden sollen.
Schlussabstimmungen - Das Parlament verabschiedet 19 Vorlagen
(sda) Mit den Schlussabstimmungen zu 19 Vorlagen haben die eidgenössischen Räte am Freitag die Herbstsession abgeschlossen. Parlamentarisch unter Dach kamen:
- mit 122:49 Stimmen bei 14 Enthaltungen (Nationalrat) und 36:9 Stimmen bei 0 Enthaltungen (Ständerat) dringliche Änderungen des Asylgesetzes, die bereits am Samstag in Kraft treten und unter anderem spezielle Zentren für renitente Asylsuchende ermöglichen;
- mit 120:41 Stimmen bei 16 Enthaltungen und 42:0 Stimmen bei 3 Enthaltungen das Bundesgesetz über die Besteuerung nach dem Aufwand, mit dem die Pauschalbesteuerung für reiche Ausländer nach einer Übergangsfrist von fünf Jahren erhöht wird;
- mit 134:50 Stimmen bei 2 Enthaltungen und 40:5 Stimmen bei 0 Enthaltungen das Steueramtshilfegesetz, das regelt, welche Angaben ein Gesuch enthalten muss, damit die Schweiz bei Steuerdelikten Amtshilfe leistet;
- mit 128:51 Stimmen bei 9 Enthaltungen und 44:0 Stimmen bei 1 Enthaltungen Änderungen des Kollektivanlagengesetzes, mit welchen die Regeln in der Schweiz an jene in der EU angepasst werden;
- mit 186:0 Stimmen bei 0 Enthaltungen und 45:0 Stimmen bei 0 Enthaltungen Änderungen des Börsengesetzes, mit welchen der Insiderhandel schärfer geahndet werden kann;
- mit 136:48 Stimmen bei 4 Enthaltungen und 41:0 Stimmen bei 3 Enthaltungen das revidierte Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetz, das dem Bundesrat ermöglicht, bei Bedarf zusätzliche Staatssekretäre zu ernennen;
- mit 128:57 Stimmen bei 2 Enthaltungen und 31:11 Stimmen bei 3 Enthaltungen das revidierte Betäubungsmittelgesetz, das für erwachsene Kiffer keine Anzeige, sondern eine Ordnungsbusse von 100 Franken vorsieht;
- mit 149:14 Stimmen bei 25 Enthaltungen und 40:2 Stimmen bei 3 Enthaltungen das revidierte Epidemiengesetz, mit dem sich die Schweiz besser gegen übertragbare Krankheiten wie die Lungenkrankheit SARS oder die Schweinegrippe wappnen will;
- mit 101:85 Stimmen bei 2 Enthaltungen und 34:4 Stimmen bei 7 Enthaltungen ein Bundesbeschluss über die Genehmigung des Europäischen Landschaftsübereinkommens;
- mit 101:81 Stimmen bei 6 Enthaltungen und 38:2 Stimmen bei 5 Enthaltungen ein Bundesbeschluss über die Genehmigung einer Änderung des Übereinkommens von Espoo über die Umweltverträglichkeitsprüfung im grenzüberschreitenden Rahmen;
- mit 187:0 Stimmen bei 0 Enthaltungen und 45:0 Stimmen bei 0 Enthaltungen Änderungen in der Strafprozessordnung und in der Zivilprozessordnung, die es urteilenden Gerichten ermöglichen, auf das Verlesen der Einvernahmeprotokolle zu verzichten, wenn die Einvernahme aufgenommen wird;
- mit 188:0 Stimmen bei 0 Enthaltungen und 45:0 Stimmen bei 0 Enthaltungen ein Bundesgesetz, mit dem die verfahrensrechtlichen Bestimmungen zum anwaltlichen Berufsgeheimnis angepasst werden;
- mit 127:56 Stimmen bei 4 Enthaltungen und 45:0 Stimmen bei 0 Enthaltungen der Bundesbeschluss über die Genehmigung des Übereinkommens Nr. 122 der Internationalen Arbeitsorganisation über die Beschäftigungspolitik.
- mit 139:46 Stimmen bei 2 Enthaltungen und 45:0 Stimmen bei 0 Enthaltungen eine Verordnung, mit welcher das Parlament seine Beziehungen mit internationalen Gremien und anderen Parlamenten verbessern will;
- Vorlagen für die Förderung von Bildung, Forschung und Innovation in den Jahren 2013-2016:
- mit 187:0 Stimmen bei 0 Enthaltungen und 42:0 Stimmen bei 3 Enthaltungen das Bundesgesetz über die Eidgenössischen Technischen Hochschulen;
- mit 188:0 Stimmen bei 0 Enthaltungen und 43:0 Stimmen bei 2 Enthaltungen das Bundesgesetz über Beiträge an gemeinsame Projekte von Bund und Kantonen zur Steuerung des Bildungsraumes Schweiz;
- mit 157:28 Stimmen bei 3 Enthaltungen und 40:0 Stimmen bei 5 Enthaltungen das Bundesgesetz über Stipendien an ausländische Studierende und Kunstschaffende in der Schweiz;
- mit 173:13 Stimmen bei 0 Enthaltungen und 42:0 Stimmen bei 3 Enthaltungen das Bundesgesetz über die internationale Zusammenarbeit im Bereich der Bildung, der Berufsbildung, der Jugend und der Mobilitätsförderung;
- mit 187:0 Stimmen bei 1 Enthaltungen und 41:0 Stimmen bei 4 Enthaltungen das Bundesgesetz über die Unterstützung von Dachverbänden der Weiterbildung;
- Mit Ausnahme der Parlamentsverordnung unterstehen alle Vorlagen dem fakultativen Referendum.
Der Donnerstag, 27. September 2012 im Parlament
Der Nationalrat in Kürze
(sda) MANAGER-LÖHNE: Der Nationalrat empfiehlt die JUSO-Initiative "1:12 - Für gerechte Löhne" als Erstrat mit 110 zu 59 Stimmen wie der Bundesrat zur Ablehnung. Die Ratsmehrheit sieht in staatlich festgelegten Löhnen einen Verstoss gegen die Wirtschaftsfreiheit. Die Initiative verlangt, dass in einem Unternehmen der höchste Lohn das Zwölffache des tiefsten Lohns nicht überschreiten darf. Diese Einschränkung gehe zu weit, sei nicht praxistauglich und werde bei den Unternehmen zu Abwanderung oder zur Auslagerung von Abteilungen mit tiefen Löhnen führen, warnten die Bürgerlichen. Linke und Grüne möchten, dass auch bei den Manager-Löhnen wieder mehr die Leistung im Vordergrund steht. Die krankhafte Gier und die Fehlleistungen der Abzocker hätten die Welt mit der Finanzkrise nahe an den Abgrund gebracht.
- MEDIKAMENTE: Der Nationalrat will bei der Festsetzung der Medikamentenpreise der Pharmaindustrie entgegenkommen. Er hat eine Motion angenommen, die den Bundesrat verpflichten will, erneut mit den Pharmafirmen und den Krankenkassen über die Festsetzung der Medikamentenpreise zu verhandeln. Der Entscheid fiel gegen den Widerstand der Ratslinken mit 99 zu 67 Stimmen bei 2 Enthaltungen. Die neuen, seit Mai gültigen Regeln zur Preissetzung der Medikamente stehen damit schon wieder auf der Kippe. Der Ständerat muss noch entscheiden.
- FINANZPLATZ: Der Nationalrat hat sich einmal mehr mit dem Finanzplatz befasst, im Rahmen einer dringlichen Debatte. Die Ratsmitglieder hatten die Gelegenheit, die Probleme zu beklagen und Schuldige auszumachen. Kritik einstecken mussten sowohl der Bundesrat als auch die Banken - der Bundesrat eher von rechts, die Banken eher von links. Der Bundesrat sei eingeknickt und habe überstürzt das Bankgeheimnis gegenüber dem Ausland aufgegeben, lautete der Vorwurf aus den Reihen der SVP. Für die SP ist nicht der Bundesrat, sondern primär das Bankgeheimnis schuld an der Misere. Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf kündigte die Details zur Finanzplatzstrategie für Januar an.
- STILLPAUSEN: Mehr Rechtssicherheit für arbeitende Mütter: Die Entlöhnung von Stillpausen soll erstmals geregelt werden - in einer Verordnung. Der Nationalrat hat als Erstrat den Vorschlag des Bundesrates gutgeheissen. Die rechtliche Regelung der Stillpausen ist nötig, damit die Schweiz dem Übereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) über den Mutterschutz beitreten kann. Diesen Schritt befürwortet die grosse Kammer ebenfalls: Sie sprach sich im gleichen Zug mit 101 zu 56 Stimmen bei 9 Enthaltungen für die Ratifikation des IAO-Abkommens aus und gab damit einer parlamentarischen Initiative Folge, die auf Liliane Maury Pasquier (SP/GE) zurück geht.
- BILDUNG: Das Parlament will der ETH und den Universitäten für die nächsten vier Jahre 157 Millionen Franken mehr geben, als der Bundesrat vorgeschlagen hatte. Die beiden Räte haben sich auf diesen Kompromiss geeinigt. Der Nationalrat stimmte dem Kompromissvorschlag des Ständerates stillschweigend zu. Damit räumte die grosse Kammer die letzte Differenz beim Bildungs- und Forschungskredit für die Jahre 2013 bis 2016 aus. Der Kredit an ETH, Universitäten, Berufsbildung und weitere Bildungs- und Forschungseinrichtungen beläuft sich für die Jahre 2013-2016 auf insgesamt über 26 Milliarden Franken. Die ETH erhält nun mit den zusätzlichen 103 Millionen insgesamt 9,6 Milliarden Franken, die Forschungsinstitutionen wie der SNF erhalten 3,8 Milliarden und die Universitäten mit den zusätzlichen 54 Millionen können mit insgesamt 3,1 Milliarden rechnen.
- ASYLPOLITIK: National- und Ständerat haben bekräftigt, dass die in der laufenden Session beschlossenen Änderungen des Asylgesetzes sofort in Kraft treten sollen. Beide Räte bejahten die Dringlichkeit. Der Ständerat stimmte der Dringlichkeitsklausel mit 36 zu 6 Stimmen bei einer Enthaltung zu, Der Nationalrat hiess sie mit 120 zu 57 bei 2 Enthaltungen gut. Das Geschäft ist damit bereit für die Schlussabstimmung am Freitag. Auf den Inhalt der dringlichen Änderungen hatten sich National- und Ständerat im Laufe der Herbstsession geeinigt. Die Neuerungen sollen am Samstag in Kraft treten. Zu den beschlossenen Massnahmen gehören spezielle Zentren für renitente Asylsuchende.
- FORSCHUNG: Das Parlament fordert vom Bundesrat ein neues Finanzierungskonzept für die Fördertätigkeit der Kommission für Technologie und Innovation (KTI). Nach dem Ständerat hat auch der Nationalrat eine Motion aus den Reihen der FDP verabschiedet. Der Entscheid fiel mit 163 zu 0 Stimmen bei 3 Enthaltungen. Das Konzept solle die staatlichen Fördermittel über die ganze Projektlaufzeit der bewilligten Projekte und kojunkturunabhängig verpflichten, schrieb Ständerat Felix Gutzwiller (FDP/ZH) in der Begründung seines Vorstosses. Dadurch könnten die von der KTI geförderten Institutionen aus Wirtschaft und Hochschulen ihre Forschungsprojekte besser planen. Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann hatte sich gegen die Motion ausgesprochen. Er lehne eine Organisationsform der KTI ab, welche die Bildung von Reserven ermögliche. Eine solche würde unter anderem die Kontrolle über die Finanzierung und die Transparenz beeinträchtigen.
- LOHNDUMPING: Als Erstrat hat der Nationalrat - gegen den Willen des Bundesrats - eine Motion von Luc Barthassat (CVP/GE) mit 85 zu 77 Stimmen gutgeheissen. Barthassat will den Bundesrat mit der Ausarbeitung eines koordinierten Plans zum Schutz aller Arbeitnehmer gegen Lohndumping beauftragen. Der Plan soll der Personenfreizügigkeit Rechnung tragen und folgende Massnahmen beinhalten: Förderung von Gesamtarbeitsverträgen (GAV) in allen Wirtschaftszweigen, schnellere Ausweitung bestehender GAV auf noch nicht unterstellte Personen sowie Empfehlungen zur Revision bestehender GAV.
- FREIE BERUFE: Der Nationalrat beauftragt den Bundesrat, einen Zusatzbericht über die freien Berufe zu erstellen. Der Nationalrat hat ein Postulat von Ignazio Cassis (FDP/TI) mit 151 zu 12 Stimmen bei 5 Enthaltungen gutgeheissen. Der erste Bericht über die freien Berufe wurde im Jahr 2006 veröffentlicht. Nun soll der Bundesrat die damaligen Daten aktualisieren und ergänzen. Unter anderem möchte der Nationalrat auch besser Bescheid wissen über den Stellenwert der freien Berufe in der Volkswirtschaft und deren Rolle darin und über die Herausforderungen für die freien Berufe infolge der stärkeren Grenzöffnung gegenüber der EU. Zu den freien Berufen gehören beispielsweise Ärzte, Anwälte, Architekten oder Apotheker.
- FORSCHUNG: Der Nationalrat will die grenzüberschreitende Zusammenarbeit von Schweizer Hochschulen und Förderagenturen mit Institutionen in den Nachbarländern fördern. Er hiess ein Postulat von Doris Fiala (FDP/ZH) mit 110 zu 40 Stimmen bei 7 Enthaltungen gut. Dadurch gewinne nicht zuletzt die Schweizer Zuliefererindustrie an Attraktivität, begründete Fiala den Vorstoss. Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann hatte sich gegen das Anliegen gestellt - die Schweiz nehme bereits seit 2004 an den EU-Forschungsrahmenprogrammen teil und habe in dieser Zeit über 2,1 Milliarden Franken aus den EU-Fördermitteln zugesprochen erhalten.
Der Ständerat in Kürze
(sda) SWISSNESS: Die Swissness-Vorlage sorgt für rote Köpfe im Parlament. Dass die Marke "Schweiz" geschützt werden soll, ist unbestritten. Bei den Details gehen die Meinungen jedoch weit auseinander. Der Ständerat wollte sich am Donnerstag noch nicht festlegen: Angesichts der zahlreichen Änderungsanträge aus den Reihen des Rates beschloss er, die Entscheide auf die nächste Session zu verschieben. Mit 27 zu 14 Stimmen nahm die kleine Kammer einen entsprechenden Ordnungsantrag von Alex Kuprecht (SVP/SZ) an. Es sei sinnvoller, die Anträge zuerst in der Kommission vorzuberaten, befand die Mehrheit. Die Eintretensdebatte machte deutlich, dass die Diskussionen noch lange andauern dürften.
- PRÄVENTION: Die Schweiz erhält kein Präventionsgesetz. Der Ständerat hat eine Vorlage versenkt, die es dem Bund ermöglicht hätte, Massnahmen zur Krankheitsvorsorge besser zu steuern und zu koordinieren. Für ein Ja zum Präventionsgesetz fehlten zwei Stimmen. Der Ständerat nahm zwar mit 22 zu 19 Stimmen den Antrag der Einigungskonferenz zugunsten des Gesetzes an. Weil es um die Ausgabenbremse ging, hätte jedoch die Mehrheit der 46 Ratsmitglieder zustimmen müssen. 24 Stimmen hätte es gebraucht. Mit dem Entscheid des Ständerates ist das Gesetz vom Tisch. Gesundheitsminister Alain Berset rief den Rat vergeblich ein letztes Mal dazu auf, der Vorlage zuzustimmen. Gegen das Gesetz mobil gemacht hatten Teile der Wirtschaft, zusammengeschlossen in einer "Allianz für eine massvolle Präventionspolitik". Dieser gehören neben dem Gewerbeverband unter anderem GastroSuisse und die Vereinigung des Tabakwarenhandels an.
- LOHNDECKEL: Die Verwertungsgesellschaften des Bundes können die Löhne für ihre Kaderangestellten weiterhin selber bestimmen. Mit dem Nein des Ständerates zu einer parlamentarischen Initiative von Susanne Leutenegger Oberholzer (SP/BL) ist die Idee, einen Lohndeckel einzuführen, vom Tisch. Der Entscheid fiel mit 17 zu 14 Stimmen. Der Nationalrat hatte sich noch für das Anliegen ausgesprochen. Nationalrätin Leutenegger Oberholzer hätte im Urheberrechtsgesetz verankern wollen, dass leitende Angestellte von Verwertungsgesellschaften wie der SUISA oder Pro Litteris nicht mehr verdienen dürfen als leitende Angestellte in der Bundesverwaltung.
- SOZIALHILFE: Der Heimatkanton soll nicht mehr Kosten ersetzen, wenn ein Heimatberechtigter in einem anderen Kanton Sozialhilfe bezieht. Der Ständerat will die sogenannte Rückerstattungspflicht aufheben. Netto würden jährlich rund 18 Millionen Franken zwischen den Kantonen hin- und hergeschoben, sagte Kommissionssprecherin Christine Egerszegi (FDP/AG). Das stehe in keinem Verhältnis zum Verwaltungsaufwand, den dieses Regime verursacht. Ebenfalls wegen des grossen Aufwandes soll auf ein Kompensationsmechanismus verzichtet werden. Die grosse Mehrheit der Kantone sprach sich für die Aufhebung aus, die der Ständerat ohne Gegenstimme beschloss. Vorgesehen ist eine vierjährige Übergangsfrist. Das Geschäft geht nun an den Nationalrat.
- DISKRIMINIERUNG: Der Ständerat hält nichts von der Idee, die Diskriminierung Behinderter unter Strafe zu stellen. Er lehnte stillschweigend eine Standesinitiative des Kantons Basel-Landschaft ab. Es mache keinen Sinn, den Tatbestand der Diskiminierung nur aufgrund von Behinderung aufzugreifen, sagte Claude Janiak (SP(BL). Wenn schon, dann brauche es einen Straftatbestand, der Diskriminierung allgemein umfasse. Der Kanton Baselland verlangt mit der Standesinitiative eine Strafbestimmung analog zum Rassendiskriminierungsverbot. Auslöser war eine Plakatkampagne des Bundesamts für Sozialversicherungen von 2009. Dessen Ziel war es, Vorurteile abzubauen, um die berufliche Integration von Behinderten zu fördern. Die provokativen Aussagen auf den Plakaten riefen bei Behindertenverbänden aber Empörung hervor.
- BONITÄTSDATENBANKEN: Der Ständerat will private Bonitätsdatenbanken nicht verbieten. Er lehnte eine entsprechende Motion von Géraldine Savary (SP/VD) mit 20 zu 15 Stimmen ab. Ein Verbot geht der kleinen Kammer und dem Bundesrat zu weit. Konkret verlangte die Motion, dass Daten über die Zahlungsfähigkeit von Privatpersonen nur noch im Betreibungsregister sowie in der Datenbank der Informationsstelle für Konsumkredit (IKO) erfasst werden dürfen. Die Daten seien manchmal falsch und die Kriterien der Dienste intransparent, sagte Savary. Der Bundesrat will das Anliegen aber trotz Ablehnung der Motion in einer künftigen Revision des Datenschutzgesetzes aufnehmen, ohne aber ein Verbot anzuvisieren.
- INKASSOUNTERNEHMEN: Der Bundesrat soll prüfen, ob es für Inkassounternehmen Rahmenbedingungen benötigt. Die kleine Kammer nahm ein entsprechendes Postulat von Raphaël Comte (FDP/NE) stillschweigend an. Insbesondere soll der Bundesrat abklären, ob gewisse Methoden - beispielsweise die Überwälzung von Verwaltungsgebühren auf die Schuldner - verboten werden sollten.
- WIEDERGUTMACHUNGSARTIKEL: Der Wiedergutmachungsartikel im Strafgesetzbuch soll nicht beschränkt werden. Der Ständerat lehnte eine entsprechende Motion aus dem Nationalrat ohne Gegenstimme ab. Mit dem Wiedergutmachungsartikel (Art. 53) kann auf eine Bestrafung verzichtet werden, wenn der Täter gegenüber dem Opfer eine Wiedergutmachung leistet. Der Vorstoss der nationalrätlichen Rechtskommission sah vor, dass zusätzlich auch der Wille zur Wiedergutmachung nachgewiesen werden muss - ein Täter soll sich vom Delikt abkehren. Auch der Bundesrat wollte diese Einschränkung der Tragweite nicht.
- OBLIGATIONENRECHT: Auftragsverhältnisse sollen nicht mehr jederzeit und ohne Schadenersatz gekündigt werden können. Der Ständerat nahm mit 25 zu 8 Stimmen eine Motion aus dem Nationalrat an, die eine Revision des Artikels 404 des Obligationenrechts verlangt. Nach der Rechtslehre stelle es einen europäischen Sonderfall dar, dass der Auftrag in der Schweiz jederzeit gekündigt werden könne, hält der Motionär, Nationalrat Luc Barthassat (CVP/GE), fest. Diese Bestimmung sei zudem überholt. Eine Änderung soll ein "dauerhaftes Auftragsverhältnis" ermöglichen. Der Bundesrat zeigte sich bereit, die Motion anzunehmen. Er werde nun eine Vorlage ausarbeiten, bei der er eine ausgewogenen Lösung vorschlagen werde, sagte Justizministerin Simonetta Sommaruga. Die Gegner befürchteten, die schwächere Partei könnte an Schutz verlieren.
- PFLEGEKINDER: Der Ständerat will, dass private Organisationen, die im Staatsauftrag Kinder in Pflegefamilien vermitteln, eine Bewilligung benötigen. Die kleine Kammer nahm stillschweigend eine entsprechende Motion aus dem Nationalrat an. Diese will den Kinderschutz verbessern. Eine weitere Forderung zielt darauf ab, dass Kostentransparenz zur Vermittlung von Pflegefamilien hergestellt werden soll. Der Bundesrat zeigte sich bereit, die Motion anzunehmen.
- SCHIEDSGERICHT: Die Schweiz soll ihre Attraktivität als internationalen Schiedsplatz behalten. Dazu soll der Bundesrat das Bundesgesetz über das internationale Privatrecht (IPRG) revidieren. Das beschloss nach dem Nationalrat auch der Ständerat, ohne Gegenstimme. Namentlich soll die Rechtssprechung des Bundesgerichtes der letzten 20 Jahre seit Einführung des IPRG nachgeführt werden. Besonders beachtet werden soll die Beziehungen zwischen staatlichen Gerichten und Schiedsgerichten. Der Bundesrat zeigte sich bereit, die Motion anzunehmen.
- FIRMENSANIERUNGEN: Der Ständerat wünscht einen weiteren Anlauf, das Schweizer Sanierungsrecht zu revidieren. Die kleine Kammer nahm ohne Gegenstimme eine Kommissionsmotion an, die neue Bestimmungen im Obligationenrecht fordert. Das soll rechtzeitige Sanierungen maroder Unternehmen fördern. Heute sei eine rechtzeitige Sanierung oft nicht möglich, sagte Pirmin Bischof (CVP/SO). Es fehlten die nötigen gesetzlichen Grundlagen, namentlich eine Definition der Sanierungsdarlehen. Der Bundesrat zeigte sich bereit, die Motion anzunehmen. "Wir wollen aber nicht Potenzial für neue Missbräuche schaffen", sagte Justizministerin Simonetta Sommaruga. Die Motion geht nun an den Nationalrat.
- PROSTITUTION: Der Ständerat hat parlamentarische und kantonale Initiativen abgelehnt, die ein Verbot der Prostitution von Minderjährigen fordern. Grund ist, dass der Bundesrat in der Zwischenzeit bereits eine Vorlage dazu ans Parlament geleitet hat. Der Nationalrat hatte die Vorstösse dennoch unterstützt. Der Ständerat fand nun aber, dies sei nicht sinnvoll. Die Vorstösse sind damit vom Tisch. Gemäss dem Vorschlag des Bundesrates sollen Freier von minderjährigen Prostituierten bestraft werden. Heute macht sich ein Freier nur strafbar, wenn die oder der Prostituierte unter 16 Jahre alt ist und er selbst mehr als drei Jahre älter ist.
- PETITIONEN: Sechs Petitionen aus der Bevölkerung will der Ständerat keine Folge geben. Dies beschloss er in allen Fällen ohne Gegenstimme. Eine Petition der Urner Landrätinnen und Landräte forderte etwa, dass die Bergkantone bei der Umsetzung der Zweitwohnungsinitiative besonders berücksichtigt werden. Eine weitere Petition verlangte eine deutliche Verschärfung der Insiderstrafnorm. Abgeblitzt ist auch die Petition der Jugendsession 2010, die eine einkommensabhängige Regelungen der Mindestansätze für Kinderzulagen fordert.
Der Mittwoch, 26. September 2012 im Parlament
Der Nationalrat in Kürze
(sda) SORGERECHT: Väter oder Mütter, die bei der Scheidung auf das Sorgerecht für ihre Kinder verzichten mussten, sollen dies bald ändern können. Der Nationalrat hat beschlossen, dass die gemeinsame elterliche Sorge auch rückwirkend der Normalfall sein soll. Der Entscheid fiel mit 109 zu 63 Stimmen bei 1 Enthaltung. Der Nationalrat will mit der Revision des Zivilgesetzbuches getrennten oder geschiedenen Eltern im Normalfall das gemeinsame Sorgerecht für die Kinder zuteilen. Nun beschloss er, bereits geschiedenen Vätern und Müttern zu ermöglichen, rückwirkend das gemeinsame Sorgerecht zu beantragen - egal, wie lange die Scheidung her ist. In der Gesamtabstimmung hiess der Nationalrat die Gesetzesänderungen zum Sorgerecht schliesslich deutlich mit 151 zu 13 Stimmen bei 9 Enthaltungen gut. Die Eckwerte der Vorlage hatte er bereits am Dienstag festgelegt.
- AGRARPOLITIK I: Im zweiten Teil der Agrarpolitik 2014-2017 hat der Nationalrat einen Systemwechsel auf den Weg gebracht. Er hiess ein neues Direktzahlungssystem ohne ineffiziente Tierbeiträge gut. Stattdessen sollen Flächenbeiträge ausgerichtet werden, welche Bauern nicht zur Haltung von möglichst vielen Tieren animieren sollen. Widerstand leisteten die SVP und CVP. Der Nationalrat folgte dem Vorschlag des Bundesrates mit 100 zu 80 Stimmen. Mit Dafür will die grosse Kammer den Vierjahres-Kredit um 160 Millionen Franken aufstocken. Dies entschied sie mit 88 zu 85 Stimmen bei 2 Enthaltungen. Der Zahlungsrahmen beträgt damit rund 13,8 Milliarden Franken für vier Jahre. Im Wesentlichen hielt der Nationalrat an der vorgeschlagenen Agrarpolitik des Bundesrates fest. Der Nationalrat beschloss zudem, das Gentech-Moratorium bis Ende 2017 verlängern.
- AGRARPOLITIK II: Der Bundesrat soll eine Marktöffnung mit der EU für Milchprodukte prüfen. Mit 101 zu 71 Stimmen bei einer Enthaltung stimmte der Nationalrat einer Motion seiner Wirtschaftskommission zu. Der Vorstoss geht nun an den Ständerat. Nach dem Willen des Nationalrates soll der Bundesrat bis nächsten Sommer einen Bericht vorlegen. Darin soll er darstellen, welche Folgen eine gegenseitige sektorielle Marktöffnung mit der EU für alle Milchprodukte hätte. Der Bundesrat soll auch aufzeigen, welche Marktstützungsmassnahmen nötig wären und wie diese finanziert werden könnten. Abgelehnt hat der Nationalrat eine ähnliche Motion zum Fleisch, und zwar mit 85 zu 76 Stimmen bei 11 Enthaltungen. Der Rat möchte also nicht, dass der Bundesrat eine Öffnung des Fleischmarktes prüft.
- ASYLGESETZ: Die dringlichen Änderungen des Asylgesetzes sind unter Dach und Fach. National- und Ständerat haben den Vorschlag der Einigungskonferenz gutgeheissen. Am Donnerstag werden die Räte noch explizit über die Dringlichkeitsklausel entscheiden. Dann ist das Geschäft bereit für die Schlussabstimmung vom Freitag. Heissen die Räte die Änderungen gut, treten diese bereits am Samstag in Kraft. Ein Referendum könnte erst nachträglich ergriffen werden. Die letzte Differenz betraf Testphasen für die geplante Beschleunigung der Asylverfahren. Der Nationalrat hatte es zunächst abgelehnt, dem Bundesrat Versuche zu erlauben. Am Ende stimmte er nun aber doch zu.
- PRÄVENTIONSGESETZ: Das Präventionsgesetz steht weiterhin auf der Kippe. Am Donnerstag entscheidet der Ständerat über den Antrag der Einigungskonferenz, die im Sinne des Nationalrates für das Gesetz entschieden hatte. Lehnt der Ständerat den Antrag ab, ist das Gesetz gescheitert. Der Nationalrat stimmte dem Antrag am Mittwoch erwartungsgemäss zu, mit 105 zu 70 Stimmen bei 2 Enthaltungen. Für ein Nein plädierte Toni Bortoluzzi (SVP/ZH). Das Gesetz sei eine "Fehlgeburt", sagte er. "Die Bevormundung des Bürgers durch den Staat soll durch dieses Gesetz vorangetrieben werden."
- STERBEHILFE: Die Sterbehilfe wird in der Schweiz nicht strenger geregelt. Nach dem Ständerat hat sich auch der Nationalrat für den Status quo ausgesprochen, im Einklang mit dem Bundesrat. Der Nationalrat hat parlamentarische Vorstösse sowie Initiativen aus den Kantonen Aargau und Basel-Landschaft abgelehnt, die neue Vorschriften für die Sterbehilfe verlangten. Die geltenden Regeln genügten, um Missbräuche zu verhindern, befand die Mehrheit. Strafbar ist heute Suizidhilfe aus selbstsüchtigen Beweggründen. Ausserdem müssen sterbewillige Personen urteilsfähig und ausreichend informiert sein. Der Sterbewunsch muss wohlerwogen, ohne äusseren Druck geäussert und dauerhaft sein.
- ARMEEWAFFEN: Polizei, Militär und Gericht sollen bessere Möglichkeiten zur Zusammenarbeit erhalten, um Gewalttaten mit Armeewaffen zu verhindern. Der Nationalrat hat als Zweitrat zwei Motionen mit diesem Ziel angenommen. Die Motionen aus den Sicherheitspolitischen Kommissionen beider Räte verlangen rechtliche Grundlagen zur besseren Zusammenarbeit. Dies soll dazu führen, dass Waffen - egal ob zivil oder militärisch - unverzüglich beschlagnahmt werden, wenn jemand durch Drohungen oder Gewalttätigkeiten auffällt. Zudem sollen Strafverfolgungs- und Polizeiorgane direkt den Einzug einer Waffe anordnen können. Der Bundesrat zeigte sich mit den Motionen einverstanden.
- POKERTURNIERE: Pokerturniere mit kleinen Einsätzen und Gewinnen sollen auch ausserhalb von Casinos wieder erlaubt werden. Der Nationalrat hat eine entsprechende Motion als Zweitrat angenommen und damit an den Bundesrat überwiesen. Der Ständerat hatte die Motion unter anderem mit der Forderung ergänzt, dass alle Anbieter Suchtprävention betreiben und einen Teil der Gewinne an die AHV und gemeinnützige Zwecke abgeben müssen. Turniere müssten in öffentlich zugänglichen Räumen stattfinden; verboten blieben Online-Turniere. Dieser Version schloss sich der Nationalrat nun ohne Gegenstimme an.
- RICHTERWAHLEN: Die Vereinigte Bundesversammlung hat das SVP-Mitglied Alexia Heine als neue Bundesrichterin gewählt. Sie ersetzt am höchsten Gericht in Lausanne den zurücktretenden Bundesgerichtspräsident Lorenz Meyer. Zudem bestimmten die Räte Maurizio Greppi von der SP und Jürg Steiger von der SVP als neue Mitglieder des Bundesverwaltungsgerichts. Beide wurden für die laufende Amtszeit und für die nächste von 2013 bis 2018 gewählt. Ausserdem bestätigten die Räte Markus Metz als Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts. Neuer Vizepräsident für die Jahre 2013 und 2014 wird Jean-Luc Baechler.
- ARBEITSWELT: Jeder Mensch hat das Recht auf freie Berufswahl, auf angemessene und befriedigende Arbeitsbedingungen sowie auf Schutz vor Arbeitslosigkeit. Das Parlament hat ein entsprechendes Übereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) genehmigt. Das Übereinkommen kann damit ratifiziert werden. Nach dem Ständerat stimmte am Mittwoch auch der Nationalrat - gegen den Willen einer SVP-Minderheit - der Ratifizierung des IAO-Übereinkommens 122 zu.
- MUTTERGLÜCK: Die Fraktionspräsidentin der Grünliberalen, Tiana Angelina Moser, ist zum dritten Mal Mutter geworden. Die 33-Jährige gebar einen Sohn, wie Nationalratspräsident Hansjörg Walter im Nationalrat bekannt gab. Walter gratulierte Moser im Namen des Rates. Laut dem Nationalratspräsidenten heisst das Kind Otto Feran. Tiana Angelina Moser ist seit 2004 Mitglied der Grünliberalen und sitzt seit 2007 im Nationalrat.
Der Ständerat in Kürze
(sda) METEOSCHWEIZ: MeteoSchweiz bleibt ein Bundesamt. Das Parlament hat eine Umwandlung in ein öffentlich-rechtliches Institut abgelehnt. Damit endet die geplante Revision des Meteorologiegesetzes im Papierkorb. Der Ständerat weigerte sich am Mittwoch mit 35 zu 4 Stimmen, auf die Revisionsvorlage einzutreten. Im Nationalrat war der Nichteintretensentscheid mit 168 zu 1 Stimmen ebenfalls deutlich ausgefallen. In beiden Räten überwog die Ansicht, dass viele Ziele der Reform auch ohne Gesetzesrevision realisiert werden könnten. Ja sagte das Parlament hingegen zum Gratiszugang zu Wetterdaten. Ob hierfür eine Gesetzesrevision nötig ist, muss noch abgeklärt werden.
- GENTESTS: Das Parlament will Mängel im Bundesgesetz über genetische Untersuchungen beim Menschen - vor allem jene im Online-Markt - beheben. Es beauftragt den Bundesrat, entsprechende Gesetzesänderungen vorzulegen. Nach dem Nationalrat stimmte am Mittwoch auch der Ständerat im Sinne des Bundesrats einer Motion der nationalrätlichen Wissenschaftskommission stillschweigend zu. Laut Kommissionssprecher Felix Gutzwiller (FDP/ZH) geht es vor allem um genetische Untersuchungen, die nicht von einem Arzt angeordnet wurden. Die technisch-wissenschaftliche Entwicklung im Bereich der genetischen Untersuchungen beim Menschen habe mittlerweile die bestehenden gesetzlichen Grundlagen überholt.
- HAUSARZTMEDIZIN UND VERTRAGSZWANG: Der Ständerat ist dagegen, den Vertragszwang zwischen Spezialärzten und Krankenkassen im ambulanten Bereich aufzuheben. Im Sinne der Bundesrats hat er eine Motion von Felix Gutzwiller (FDP/ZH) mit 26 zu 6 Stimmen abgelehnt. Einstimmig angenommen hat er hingegen eine Motion zur Stärkung der Hausärzte. Darin legt die kleine Kammer die Eckwerte für den Masterplan zur Hausarztmedizin fest, der die Initianten der Hausärzte-Initiative zum Rückzug ihres Begehrens bewegen soll. Dazu gehören etwa die Aus- und Weiterbildung, Lehre und Forschung, neue Notfalldienst-Modelle und vor allem die Abgeltung der Leistungen von Hausärzten.
- PRÜFUNGSGEBÜHREN: Die Gebühren für die eidgenössische Medizinalprüfung bleiben gleich und kosten weiterhin insgesamt rund 3200 Franken. Der Ständerat hat eine parlamentarische Intiative von Jacques Neirynck (CVP/VD) mit 20 zu 11 Stimmen abgelehnt. Die Gebühren seien im Quervergleich mit anderen Berufen vertretbar, befand die Mehrheit der kleinen Kammer und folgte somit der Empfehlung ihrer Kommission. Neirynck und eine Minderheit des Rates hatten argumentiert, sie wollten die Ungleichbehandlung von einheimischen und ausländischen Ärzten beheben. Jene Ärzte, die ihre Ausbildung in Deutschland machen, bezahlen keine Prüfungsgebühr und können sich den Abschluss in der Schweiz für 680 Franken anerkennen lassen. Der Nationalrat hatte der Initiative im vergangenen Februar zugestimmt.
- ERGÄNZUNGSLEISTUNGEN: Kantone müssen den Bezügern von Ergänzungsleistungen weiterhin einen jährlichen Pauschalbetrag für die obligatorischen Krankenversicherung bezahlen. Dieser Betrag richtet sich nach den kantonalen Durchschnittsprämien und kann nicht individuell bestimmt werden. Der Ständerat hat eine Motion von Konrad Graber (CVP/LU) mit 19 zu 15 Stimmen abgelehnt, die das System ändern wollte. Graber wollte erreichen, dass die Kantone die Beträge an die tatsächlichen Prämien der einzelnen Personen anpassen können. Denn heute gebe es Bezüger von Ergänzungsleistungen, die dank der Prämienpauschale einen Gewinn machten, weil ihre Krankenkassenprämien niedriger seien als der Durchschnitt. Innenminister Alain Berset warnte vor dem hohen administrativen Aufwand, wenn die Zahlungen individuell an die Prämien von fast 300'000 Bezügern angepasst werden müssten.
- FRISTVERLÄNGERUNG: Stillschweigend hat der Ständerat einer Fristverlängerung für die Behandlung einer Genfer Standesinitiative bis Herbst 2014 zugestimmt. Die Standesinitiative verlangt, dass die Reserven für jeden Kanton, in dem die Krankenkassen die obligatorische Versicherung anbieten, separat gebildet werden müssen.
Der Dienstag, 25. September 2012 im Parlament
Der Nationalrat in Kürze
(sda) SORGERECHT: Der Nationalrat will getrennten oder geschiedenen Eltern im Normalfall das gemeinsame Sorgerecht für die Kinder zuteilen. Er ist als Erstrat stillschweigend auf die Gesetzesvorlage zur Neuregelung der elterlichen Sorge eingetreten. Der Nationalrat folgte bei den Eckwerten mehrheitlich stillschweigend den Vorschlägen des Bundesrats: Künftig sollen in der Regel beide Elternteile das Sorgerecht erhalten. Allerdings müssen die Voraussetzungen gegeben sein. Mögliche Gründe für den Entzug der elterlichen Sorge sind Unerfahrenheit, Krankheit, Gebrechen, Gewalttätigkeit oder Ortsabwesenheit. Für nicht verheiratete Eltern, die nicht zusammen leben, baute der Nationalrat eine Bedingung für das gemeinsame Sorgerecht ein: Diese müssen einen von der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde genehmigten Unterhaltsvertrag vorweisen. Nach einer über viereinhalbstündigen Debatte um zahlreiche Details musste die Beratung unterbrochen und somit die Gesamtabstimmung auf Mittwoch verschoben werden.
- ASYLPOLITIK: Die Vorlage mit den dringlichen Massnahmen in der Asylpolitik ist noch nicht ganz unter Dach. Weil sich National- und Ständerat in einem Punkt nicht einig geworden sind, muss sich die Einigungskonferenz damit befassen. Offen ist die Frage, ob das Parlament dem Bundesrat erlauben soll, bei den Asylverfahren neue Abläufe zu testen und dabei vom Gesetz abzuweichen. Der Ständerat ist dafür, der Nationalrat dagegen. Am Dienstag hat der Nationalrat seine Haltung bekräftigt, mit 131 zu 43 Stimmen bei 2 Enthaltungen. Die Befürworter argumentierten, es sei vernünftig, neue Abläufe zuerst zu testen, bevor sie im Rahmen der nächsten Asylgesetzrevision im Gesetz verankert würden. Die Gegner machten staatspolitische Bedenken geltend. Eine solch weitgehende Delegation der Kompetenzen an den Bundesrat sei heikel.
Der Ständerat in Kürze
(sda) PERSONENFREIZÜGIGKEIT: Zur Bekämpfung des Lohndumpings auf dem Bau spricht sich der Ständerat für eine Solidarhaftung für die ganze Auftragnehmerkette aus. Gegen den Widerstand eines Teils der Bürgerlichen beschloss dies die kleine Kammer am Dienstag mit 22 zu 18 Stimmen. Ein Erstunternehmen soll haften, wenn ein Subunternehmen die Mindestlöhne und Arbeitsbedingungen nicht einhält - und zwar für die gesamte ihm nachfolgende Kette an Auftragnehmern haften. Eine abgeschwächte Variante aus den Reihen der Bürgerlichen hätte vorgesehen, dass sich ein Erstunternehmer über einen schriftlichen Vertrag über die Einhaltung Schweizer Arbeitsbedingungen hätte absichern sollen. Andernfalls hätte für seinen Auftragnehmer gehaftet. Das Geschäft geht nun an den Nationalrat.
- PRÄVENTION: National- und Ständerat haben sich beim Präventionsgesetz nicht einigen können. Nun muss sich eine Einigungskonferenz aus Vertreterinnen und Vertretern beider Räte damit befassen. Im Ständerat will eine knappe Mehrheit das Gesetz zu Fall bringen. Mit 21 zu 20 Stimmen hat der Rat beschlossen, jenen Artikel zu streichen, der die Ausgaben betrifft. Zuvor hatte er es zweimal abgelehnt, die Ausgabenbremse zu lösen und damit die Mittel zu sprechen. Zur Debatte stehen neun Millionen Franken, die an die Stiftung Gesundheitsförderung Schweiz fliessen sollen. Um zusätzliche Ausgaben handelt es sich allerdings nicht: Die Gelder gibt heute das Bundesamt für Gesundheit aus. Neu würde die Stiftung die Präventionsprogramme konzipieren und die Mittel verteilen.
- BILDUNG UND FORSCHUNG: Der Ständerat will die Bildungs- und Forschungskredite für die ETH und die Universitäten um total 157 Millionen Franken erhöhen, nicht jedoch den Kredit für den Nationalfonds. Mit diesem Vorschlag kommt die kleine Kammer dem Nationalrat entgegen. Dieser will die Bildungskredite für die Jahre 2013 bis 2016 von total über 26 Milliarden Franken um rund 240 Millionen Franken gegenüber dem Vorschlag des Bundesrates aufstocken. Der Ständerat hiess die Vorschläge mit 23 zu 17 Stimmen, respektive mit 26 zu 15 Stimmen gut. Lenkt der Nationalrat bei seiner nächsten und letzten Beratung ein, sind die Kredite unter Dach. Ansonsten muss eine Einigungskonferenz einen Vorschlag ausarbeiten.
- ARBEITSLOSENVERSICHERUNG: Auch Grossverdiener sollen mit einem Solidaritätsprozent zur Sanierung der Arbeitslosenversicherung (ALV) beitragen. Nach dem Nationalrat hat am Dienstag auch der Ständerat eine Motion der nationalrätlichen Wirtschaftskommission stillschweigend angenommen. Neu soll somit auch auf Saläre von über 315'000 Franken ein Solidaritätsprozent erhoben werden. Jährlich sollen damit etwa 90 zusätzliche Millionen in die ALV fliessen. Bisher waren nur Einkommen zwischen 126'000 und 315'00 Franken davon betroffen. Innert anderthalb Jahren reduzierte sich das ALV-Defizit von 7 auf mittlerweile 5,5 Milliarden Franken. Bei einer Arbeitslosenrate von 3,2 Prozent dürfte es laut Volkswirtschaftsminister Johann Schneider-Amman etwa zehn Jahre dauern, bis die ALV wieder auf gesunden Beinen steht.
- ZWEITWOHNUNGEN: Der Ständerat möchte die Folgen der Zweitwohnungs-Initiative für die Tourismusregionen mildern und generell die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für das Berggebiet verbessern. Er hat entsprechende Motionen angenommen. Unter anderem möchte die kleine Kammer über Massnahmen bei der Besteuerung und bei Aufenthaltsbewilligungen den Berggebieten helfen, reiche Ausländerinnen und Ausländer anzulocken. Zudem sollen die Aufgaben der Schweizerischen Gesellschaft für Hotelkredit (SGH) angepasst werden. Die Banken zeigten sich zurückhaltend bei der Kreditvergabe. Bundesrat Schneider-Ammann versicherte, die Regierung kläre die Auswirkungen in Studien ab. Er möchte erst aufgrund dieser Arbeiten Massnahmen vorschlagen.
- MELDEPFLICHT: Wenn Angehörige aus EU- und EFTA-Staaten in der Schweiz zeitweilig in einem reglementierten Beruf tätig sein wollen, müssen sie dies dem Bundesamt für Berufsbildung und Technologie vorab melden und die erforderlichen Berufsqualifikationen nachweisen. Von Bedeutung ist dies vor allem Berufe im Gesundheitssektor und solche, welche die Sicherheit tangieren. Der Ständerat hat am Dienstag als Erstrat eine Beschleunigung des Anmeldeverfahrens und damit eine Änderung von Anhang III des Freizügigkeitsabkommens einstimmig gutgeheissen.
- NACHDIPLOMSTUDIEN: Mit bundesrätlichem Segen hat der Ständerat ein Postulat von Brigitte Häberli-Koller zur Sicherung der eidgenössischen Anerkennung der Nachdiplomstudien überwiesen. Der Bundesrat soll in einem Bericht darlegen, wie beziehungsweise unter welchen Bedingungen die höheren Fachschulen als werthaltiger, zweistufiger Bildungsweg erhalten werden und deren Nachdiplomstudien weiterhin auf die wichtige eidgenössische Anerkennung zählen können.
- SOMMELIERS: Der Ständerat hat eine Motion von Ex-Nationalrat Josef Zisyadis (VD/PdA) zur eidgenössischen Anerkennung des Berufs des Sommeliers (Weinkellner) als erfüllt abgelehnt. Seit der Einreichung der Motion haben die betroffenen Branchenverbände den zuständigen Behörden den Entwurf einer Prüfungsordnung über die Berufsprüfung Sommelier/Sommelière mit eidgenössischem Fachausweis eingereicht. Am 21. August 2012 wurde diese eidgenössische Berufsprüfung im Bundesblatt publiziert. Damit wurde dem Anliegen der Motion Rechnung getragen.
Der Montag, 24. September 2012 im Parlament
Der Nationalrat in Kürze
(sda) HOOLIGANS: Der Nationalrat ist gegen Schnellgerichte für gewalttätige Sportfans. Er hat eine Motion seiner Sicherheitspolitischen Kommission (SIK) mit 101 zu 66 Stimmen bei 7 Enthaltungen abgelehnt. Die SIK zielte mit ihrer Motion auf schweizweit gültige Rechtsgrundlagen, damit die betroffenen Kantone vor allem für Fussballspiele Schnellgerichte einführen. Weiter stärkte der Nationalrat dem Bundesrat für die Gesetzesänderung beim Hooligantransport den Rücken. Er nahm mit 135 zu 26 Stimmen bei 13 Enthaltungen eine Motion der SIK an, die den Bahnunternehmen beim Transport von Sportfans mehr Rechte einräumen will. Der Bundesrat hat bereits solche Massnahmen aufgegleist und im vergangenen Juni eine Gesetzesänderung in die Vernehmlassung geschickt. Demnach sollen die SBB und andere Bahnen Fussballfans dazu verpflichten können, in einem Extrazug zu einem Spiel zu reisen.
- BAHNINFRASTRUKTUR: Die Bahnen in der Schweiz erhalten für die nächsten vier Jahre rund 9,45 Milliarden Franken für den Betrieb, Unterhalt und Substanzerhalt ihrer Infrastruktur. Der Nationalrat hiess als Zweitrat die Finanzierung und die Leistungsvereinbarung ohne Gegenstimme gut. Vom Kredit für die Jahre 2013 bis 2016 geht der grösste Teil an die SBB: Ihr Zahlungsrahmen beläuft sich auf 6,624 Milliarden Franken. 2,825 Milliarden Franken entfallen auf den Verpflichtungskredit für die Privatbahnen. Der Kredit diene dazu, "unsere gut ausgebaute Bahninfrastruktur auf hohem Niveau zu erhalten", sagte Kommissionssprecherin Viola Amherd (CVP/VS). Der Kredit ist jährlich 600 Millionen Franken höher als heute. Es handelt sich um die letzte Vereinbarung dieser Art, bevor die FABI-Vorlage den Ausbau und die Finanzierung regeln wird.
- ELEKTROMOBILITÄT: Damit in der Schweiz möglichst bald möglichst viele elektrisch betriebene Fahrzeuge unterwegs sind, soll der Bundesrat einen Masterplan zur Elektromobilität entwerfen. Der Nationalrat hiess als Erstrat mit 115 zu 60 Stimmen eine entsprechende Motion gut. Der Bundesrat soll unter anderem den Aufbau eines landesweiten Netzes an Schnellladestationen unterstützen, an denen die strombetriebenen Fahrzeuge ihre Batterien aufladen können. Der Bund könnte zudem Pilotprojekte fördern. Finanzielle Anreize für die Nutzer sind indes nicht vorgesehen. Der Bundesrat befürwortete die Motion. Die Gegner wollen die Förderung dem Markt überlassen. Das Geschäft geht an den Ständerat.
- ENERGIEEFFIZIENZ: Bis 2025 sollen alle Elektroheizungen in Schweizer Gebäuden durch umweltfreundlichere Heizsysteme ersetzt sein. Der Nationalrat hat ohne Gegenstimme eine Motion angenommen, die den Bundesrat beauftragt, entsprechende Rahmenbedingungen auszuarbeiten. Die über 250'000 Elektroheizungen in der Schweiz verbrauchen jährlich rund 3 Terawattstunden Strom - praktisch gleich viel wie das AKW Mühleberg produziert. Effizientere Systeme würden beträchtliche Einsparungen ermöglichen, hielt die nationalrätliche Energiekommission fest. Der Bundesrat zeigte sich bereit, den Vorstoss anzunehmen. Das Gesetz geht an den Ständerat, der früher einen ähnlichen Vorstoss abgelehnt hatte.
- VERKEHR: Für die Verlagerungspolitik haben die Räte dem Bundesrat mehrere Aufträge erteilt. Gefahrenguttransporte sollen auf der Strasse stärker eingeschränkt werden und der Bundesrat soll prüfen, ob die Gotthardtunnel-Sanierung auch der Verlagerung dienen könnte. Der Nationalrat stimmte diesen zwei umstrittenen Punkten einer Motion aus dem Ständerat mit 91 zu 82 Stimmen zu. Es sollten alle möglichen Optionen und Möglichkeiten geprüft werden, die zu einer Verlagerungen führen könnten, sagte Martin Candinas (CVP/GR) im Namen der vorberatenden Kommission. Aus Sicht der Gegner und des Bundesrates sollen die Sanierung des Gotthardtunnels und die Verlagerung nicht vermischt werden. Bei Gefahrengütern müsse sich die Schweiz zudem an der EU-Regelung orientieren.
- STRASSENCAFÉS: Besitzt ein Gastronom eine Betriebsbewilligung und eine Bewilligung zur Nutzung des öffentlichen Grundes, soll er ein Strassencafé betreiben dürfen, ohne vorher eine Baubewilligung beantragen zu müssen. Das Parlament beauftragte den Bundesrat, eine entsprechende Verordnungsänderung auszuarbeiten. Die beiden Räte hatten sich bereits früher für das Anliegen von Nationalrat Adrian Amstutz (SVP/BE) ausgesprochen. Dieser verlangte mit der Motion ursprünglich eine Revision des Raumplanungsgesetzes. Der Ständerat änderte die Motion ab: Er war der Ansicht, dass auch der Weg über eine Verordnungsänderung denkbar sei. Die grosse Kammer schloss sich nun stillschweigend diesem Vorschlag an.
- ZUWANDERUNG: Die SVP ist im Nationalrat mit dem Versuch gescheitert, das Anliegen ihrer Volksinitiative "Gegen Masseneinwanderung" über eine Abkürzung durchzusetzen. Die Abkürzung wäre eine parlamentarische Initiative mit dem gleichen Inhalt gewesen. Der Nationalrat lehnte die parlamentarische Initiative mit 132 zu 49 Stimmen ab. Vergeblich hatte Hans Fehr (SVP/ZH) die Vorzüge des Vorstosses angepriesen: "Damit können Sie dem Volk beweisen, dass Sie das Problem der Masseneinwanderung ernst nehmen." Die SVP hatte das Volksbegehren im vergangenen Februar mit über 136'000 beglaubigten Unterschriften eingereicht. Der Bundesrat lehnt die Initiative ab.
- STUDIENGEBÜHREN: Die Gebühren an den Eidgenössischen Technischen Hochschulen (ETH) sollen nicht auf ein Maximum von 650 Franken begrenzt werden. Der Nationalrat lehnte eine entsprechende parlamentarische Initiative des Walliser SP-Nationalrats Mathias Reynard mit 114 u 68 Stimmen ab. Nicht nur Kinder wohlhabender Eltern sollen Zugang zu universitärer Bildung haben, sondern alle, hielt Reynard fest. Die Gegner stellten in Frage, dass die Studiengebühren Junge am Studieren hinderten. Sie halten zudem ein Festschreiben von Studiengebühren im Gesetz für verfehlt. Wichtiger als maximale Studiengebühren wäre aus Sicht der Gegner eine Harmonisierung des Stipendienwesens.
- KINDERBETREUUNG: Der Nationalrat lehnt eine weitergehende Förderung von Tagesschulen ab. Unter dem provokativen Titel "Tagesschule statt Kampfflieger" wollte die Zürcher Nationalrätin Jacqueline Fehr eine Milliarde Franken jährlich für Ganztagesschulen einsetzen. Die grosse Kammer lehnte dies mit 110 zu 61 Stimmen ab. Dies würde den Tagesschulen einen neuen Schub verleihen, hielt Fehr fest. Mit Ganztagesschulen könne der Tagesablauf von Kindern beruhigt werden, da diese zur Betreuung nicht mehr von einer Aktivität zur andern transportiert werden müssten. Junge Paare könnten zudem ermutigt werden, mehr Kinder zu haben. Die Gegner hielten fest, dass der Bund Tagesschulen bereits mit 3000 Franken pro Platz während dreier Jahre unterstützen könne. Diese Subventionierung sei bereits grosszügig.
- FALL RAMOS: Die Affäre um den umstrittenen Einsatz des Informanten Ramos bei der Bundesanwaltschaft wird nicht auch noch von einer Parlamentarischen Untersuchungskommission (PUK) aufgearbeitet. Der Nationalrat lehnte die Forderung von Geri Müller (Grüne/AG) mit 114 zu 57 Stimmen ab. Die Mehrheit hält eine PUK als schärfstes Instrument der parlamentarischen Oberaufsicht für übertrieben. Aus Müllers Sicht sind die bereits durchgeführten Untersuchungen der Geschäftsprüfungskommission (GPK) zur Affäre unvollständig, weil diese falsch informiert worden sei und ihr Dokumente vorenthalten worden seien. Das Büro des Nationalrats hält den Brief für umfassend und glaubwürdig.
- WINDRÄDER: In den kantonalen Richtplänen sollen geeignete Gebiete für Windräder bezeichnet werden. Der Nationalrat hat eine entsprechende Motion ohne Gegenstimme angenommen. Die Ausscheidung der Gebiete soll die Bewilligungsverfahren für Windenergieanlagen beschleunigen. Bei konkreten Standorten in solchen Gebieten soll aber nach wie vor eine Überprüfung stattfinden - in diesem Sinne hatte der Ständerat die Motion ergänzt. Der Nationalrat hiess diese nun gut.
Der Ständerat in Kürze
(sda) VOLKSWAHL: Der Ständerat will nicht, dass der Bundesrat vom Volk gewählt wird. Als Erstrat hat er die eidgenössische SVP-Initiative "Volkswahl des Bundesrats" ohne Gegenvorschlag mit 35 zu 6 Stimmen zur Ablehnung empfohlen. Der Bundesrat hatte die Initiative bereits Anfang Jahr abgelehnt. Das bestehende Modell der Bundesratswahl durch das Parlament habe sich bewährt. Eine Volkswahl bringt nach Ansicht der Gegner zu viele Nachteile. Bundesräte würden zu Wahlkampflokomotiven ihrer Parteien und wären quasi im Dauerwahlkampf. Vergeblich versuchten einzelne Vertreter auch anderer Parteien, dem Rat eine Annahme-Empfehlung schmackhaft zu machen. Die Initianten verlangen, dass die Mitglieder des Bundesrates vom Volk in direkter Wahl nach dem Majorzsystem gewählt werden, und zwar alle vier Jahre gleichzeitig mit den Nationalratswahlen, wobei die gesamte Schweiz ein einziger Wahlkreis wäre.
- ASYLPOLITIK I: Bei den Asylverfahren soll der Bundesrat neue Abläufe testen und dabei vom Gesetz abweichen können. Der Ständerat beharrt darauf, im Gesetz über die dringlichen Massnahmen in der Asylpolitik einen entsprechenden Artikel zu verankern. Nun ist der Ball wieder beim Nationalrat. Dieser hatte es klar abgelehnt, dem Bundesrat die erforderlichen Kompetenzen zu erteilen. Die Mehrheit in der grossen Kammer sah darin eine fragwürdige "carte blanche" für den Bundesrat. Auch ein Teil des Ständerates wollte den Gesetzesartikel über die Testphasen streichen. Der Ständerat sprach sich aber mit 23 zu 16 Stimmen dafür aus, daran festzuhalten. Die Testphasen sollen nach seinem Willen höchstens drei Jahre dauern. Dies beschloss er mit 21 zu 20 Stimmen.
- ASYLPOLITIK II: Der Ständerat hat die Vorlage mit den nicht dringlichen Massnahmen in der Asylpolitik zu Ende beraten. Dabei sprach er sich gegen etliche der vom Nationalrat beschlossenen Verschärfungen aus. So will er nicht, dass vorläufig Aufgenommene erst nach sieben statt wie heute nach fünf Jahren um eine Aufenthaltsbewilligung ersuchen können. Mit 30 zu 8 Stimmen lehnte er den Antrag von This Jenny (SVP/GL) ab, in diesem Punkt dem Nationalrat zu folgen. Die Asylgesetzrevision geht nun zurück an den Nationalrat. Im Gegensatz zur Vorlage mit den dringlichen Massnahmen werden die Räte die Revision nicht mehr in der laufenden Session verabschieden.
- LOBBYING: Dem parteilosen Schaffhauser Ständerat Thomas Minder sind die vielen Lobbyisten im Bundeshaus ein Dorn im Auge. Mit einer parlamentarischen Initiative wollte er deren Zutritt einschränken. Mit diesem Anliegen ist er im Ständerat jedoch aufgelaufen. Mit 22 zu 17 Stimmen lehnte die kleine Kammer seinen Vorstoss ab - auch wenn etliche Rednerinnen und Redner Verständnis für sein Anliegen hatten. Minder verlangte, dass den Lobbyisten künftig keine dauerhaften Zutrittskarten mehr ausgestellt werden. Ratsmitglieder sollten die beiden ihnen zur Verfügung stehenden Karten nur noch persönlichen Mitarbeitenden oder Personen aus dem erweiterten Familienkreis abgeben dürfen. Mit dem Nein des Ständerats ist der Vorstoss vom Tisch - nicht aber das Thema. Der Ausserrhoder FDP-Nationalrat Andrea Caroni reichte im Mai eine parlamentarische Initiative für "klare Regeln und Transparenz für die Interessenvertretung im Bundeshaus" ein.
- ÜBERWACHUNG: Die verschiedenen Aufgaben des Dienstes für die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs sollen klar getrennt werden. Dies verlangen die eidgenössischen Räte mit Blick auf die Revision des entsprechenden Gesetzes. Nach dem Nationalrat hat auch der Ständerat Teile einer Motion angenommen, die dem Bundesrat bei der Gesetzesrevision Leitplanken setzen. Der Bundesrat will dem Parlament die Vorlage für die Revision noch im laufenden Jahr vorlegen. Der Bundesrat stellte sich nicht gegen die verbliebenen Punkte der Motion. Der Vorstoss verlangte ursprünglich auch, dass die Fernmeldedienstanbieter vom Überwachungsdienst für die effektiv anfallenden Kosten pro Überwachung bis zu einem Maximalbetrag entschädigt werden. Diesen Punkt liessen die Räte aber fallen.
- ANWALTSGEHEIMNIS: Anwälte können sich künftig unabhängig vom Verfahren gleichermassen auf das Anwaltsgeheimnis berufen. National- und Ständerat haben entsprechenden Gesetzesänderungen zugestimmt. Der Ständerat hat am Montag die letzten Differenzen ausgeräumt. Damit ist die Vorlage bereit für die Schlussabstimmung. Zur Diskussion stand der Umgang mit anwaltlichen Dokumenten als Beweismittel. Nun ist einheitlich geregelt, dass anwaltliche Korrespondenz nicht herausgegeben werden muss - auch wenn sie sich in den Händen der Klienten oder Dritter befindet. Dies gilt auch für Unterlagen und Dokumente von Patentanwälten. Diese Frage war umstritten.
Der Donnerstag, 20. September 2012 im Parlament
Der Nationalrat in Kürze
(sda) CANNABIS: Wenn ein Erwachsener mit einem Joint erwischt wird, soll er künftig nicht mehr angezeigt werden, sondern mit einer Ordnungsbusse von 100 Franken davonkommen - sofern er nicht mehr als 10 Gramm Cannabis besitzt. Jugendliche haben auch künftig mit einer Anzeige zu rechnen. Darauf hat sich das Parlament geeinigt. Einem Joint gleich war die Bussenfrage zwischen den Parlamentskammern hin und her gewandert. Der Nationalrat bestand jeweils auf einer Busse von 200 Franken, während Bundesrat und Ständerat 100 Franken für angemessen hielten. Mit 102 zu 71 Stimmen akzeptierte der Nationalrat schliesslich die 100 Franken. Die Revision des Betäubungsmittelgesetzes geht nun in die Schlussabstimmung.
- GESUNDHEIT: Das revidierte Epidemiengesetz ist bereit für die Schlussabstimmung. Der Nationalrat hat die letzte Differenz bereinigt. Dabei ging es um die Verteilung der Kosten für die Vorbereitung von epidemienbedingten Massnahmen im internationalen Grenzverkehr. Der Ständerat beharrte erfolgreich darauf, dass diese Kosten grundsätzlich den betroffenen Bahn-, Bus-, Schiffs- und Flugverkehrsunternehmen übertragen werden. Der Bund soll sich nur dann an den Kosten beteiligen, falls sie für die betroffenen Unternehmen zu einer "unzumutbaren wirtschaftlichen Belastung" führen. Möglicherweise wird sich das Stimmvolk zum revidierten Epidemiengesetz äussern können. Impfgegner wollen das Referendum ergreifen.
- PAUSCHALBESTEUERUNG: Der Nationalrat ist bei der Pauschalbesteuerung mit 115 zu 48 Stimmen dem Ständerat gefolgt. Das bedeutet: Keine Bevorzugung von reichen Senioren und keine längeren Übergangsfristen. Die Vorlage ist bereit für die Schlussabstimmung. Die Kantone haben zwei Jahre Zeit, das neue Gesetz umzusetzen. Anschliessend gilt eine Übergangsfrist von fünf Jahren für Personen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Gesetzesänderung bereits nach Aufwand besteuert wurden. Der Nationalrat verzichtete im Sinne der Kommissionsmehrheit darauf, weiterhin auf einer Übergangsfrist von zehn Jahren zu beharren. Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf wiederholte ihre Auffassung, dass eine so lange Frist völlig unverhältnismässig sei.
- HOCHSCHULEN: Der Nationalrat bleibt in der Bildungspolitik grosszügig. Er hält gegen den Willen des Ständerates daran fest, dass die Hochschulen in den nächsten vier Jahren mehr Geld erhalten sollen als der Bundesrat vorschlägt. Einen kleinen Schritt ist der Nationalrat aber auf den Ständerat zugegangen: Bei der Kommission für Technologie und Innovation (KTI) ist die grosse Kammer auf die Linie der kleinen eingeschwenkt. Die KTI soll demnach für die Jahre 2013 bis 2016 546,4 Millionen erhalten, wie der Bundesrat vorgeschlagen hatte. Ursprünglich wollte der Nationalrat auch diesen Kredit aufstocken. Insgesamt möchte er nun noch rund 240 Millionen mehr ausgeben als der Bundesrat und der Ständerat.
- PRÄVENTION: Beim Präventionsgesetz ist nächste Woche wieder der Ständerat am Zug. Der Nationalrat hat erwartungsgemäss an seiner Position festgehalten. Die einzige Differenz betrifft die Ausgabenbremse. Die kleine Kammer hatte es am Dienstag zum zweiten Mal abgelehnt, diese zu lösen. Damit weigerte er sich, die Mittel für die im Gesetz verankerten Bestimmungen zu sprechen. Das Nein zur Ausgabenbremse ist Ausdruck der grundsätzlichen Skepsis gegen das Gesetz im Ständerat.
- SOZIALHILFE: Damit die Tätigkeiten der Sozialwerke besser koordiniert werden können, soll auf nationaler Ebene ein gesetzlicher Rahmen für Sozialhilfe geschaffen werden. Der Nationalrat hat eine entsprechende Motion seiner Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit gutgeheissen. Der Bundesrat hatte die Ablehnung der Motion beantragt. Er räumte aber ein, dass auf dem Gebiet der Sozialhilfe ein gewisser Harmonisierungsbedarf besteht, und zeigte sich bereit, das Anliegen zu prüfen. Die Motion geht nun an den Ständerat.
- VERKEHRSHAUS: Das Verkehrshaus in Luzern erhält nicht mehr Geld aus der Bundeskasse. Nach dem Ständerat hat auch der Nationalrat eine Standesinitiative des Kantons Luzern abgelehnt. Mit 94 zu 85 Stimmen bei 3 Enthaltungen hat sich die grosse Kammer gegen die Standesinitiative ausgesprochen. Dies aber erst beim zweiten Anlauf: Zunächst hatte der Nationalrat sich für die Initiative ausgesprochen, mit 86 zu 78 Stimmen bei 3 Enthaltungen. Doch die SP-Fraktion wünschte per Ordnungsantrag eine Wiederholung der Abstimmung. In der Fraktion habe Verwirrung geherrscht, ein Teil der Fraktion habe falsch abgestimmt, begründete Josiane Aubert (SP/VD) den Antrag. Der Rat zeigte sich einverstanden, die Abstimmung zu wiederholen. In der Folge resultierte ein Nein.
- LITTERING: Der Nationalrat will kein obligatorisches Pfand auf Getränkeflaschen und -dosen einführen. Er hat eine Standesinitiative des Kantons Basel-Stadt mit 82 zu 79 Stimmen bei 12 Enthaltungen abgelehnt. Niemand streite ab, dass das Littering ein Problem sei, sagten Laurent Favre (FDP/NE) und Stefan Müller (CVP/SO) im Namen der vorberatenden Kommission. Die Recycling-Quote in der Schweiz sei aber gut. Bei PET etwa liege sie über 80 Prozent. "Wir sammeln alles bis hin zu den Kaffeerahmdeckeli, das hat in der Schweiz Tradition", sagte Müller. Die Befürworter eines Pflichtpfandes verwiesen auf die Kosten, welche das Einsammeln der herumliegenden PET-Flaschen und Alu-Dosen verursache.
- PFLEGEHEIME: Der Nationalrat will, dass die Leistungen und Preise von Alters- und Pflegeheimen besser vergleichbar werden. Er hat eine Motion seiner Gesundheitskommission mit 144 zu 13 Stimmen bei einer Enthaltung angenommen. Die Motion, über die noch der Ständerat befinden muss, beauftragt den Bundesrat, die Qualität der Pflege und Betreuung in den Heimen mit gesetzlichen Grundlagen zu sichern. Damit die Heime verglichen werden können, soll die Qualität einheitlich erfasst werden. Der Bundesrat hatte den Räten beantragt, die Motion abzulehnen. Angesichts der bereits eingeleiteten Massnahmen erachtet er die Anliegen als weitgehend erfüllt.
- ELEKTRONISCHES DOSSIER: Der Nationalrat macht Druck beim elektronischen Patientendossier. Er fordert, dass der Bundesrat rasch die Gesetzesgrundlagen vorlegt und eine Anschubfinanzierung plant. Mit deutlicher Mehrheit stimmte der Nationalrat einer Motion seiner Gesundheitskommission zu. Neben einer Anschubfinanzierung soll der Bundesrat ein Anreizsystem für Ärztinnen und Ärzte schaffen, welche die Patientendaten elektronisch dokumentieren und austauschen. Der Bundesrat hatte diese beiden Forderungen abgelehnt. Das elektronische Patientendossier will aber auch er fördern. Gesundheitsminister Alain Berset kündigte an, dass die Vorlage für das erste halbe Jahr 2013 zu erwarten sei.
- GRUPPENPRAXEN: Der Nationalrat will Gruppenpraxen nicht mit einem Impulsprogramm fördern. Er hat eine parlamentarische Initiative von Jacqueline Fehr (SP/ZH) abgelehnt. Diese forderte, dass der Bund während vier Jahren bis zu 100 Millionen Franken an die Gründung und den Aufbau von Gruppenpraxen und Gesundheitszentren beisteuert. Mit einem Impulsprogramm sollte die Ausrüstung der Gruppenpraxen verbessert werden, insbesondere auch der Informatik. Dies bringe bessere Qualität und tiefere Kosten, argumentierte Fehr.
- FESSENHEIM: National- und Ständerat wollen nicht "alle denkbaren Schritte" unternehmen, damit das AKW Fessenheim in Frankreich stillgelegt wird. Nach dem Ständerat hat auch der Nationalrat eine Standesinitiative des Kantons Basel-Stadt abgelehnt. Die grosse Kammer sprach sich mit 85 zu 76 Stimmen bei 2 Enthaltungen gegen das Anliegen aus. Die Gegner wiesen darauf hin, dass Frankreichs Staatschef François Hollande vor kurzem angekündigt habe, das AKW nahe der Schweizer Grenze Ende 2016 vom Netz zu nehmen. Die Standesinitiative habe sich damit erübrigt.
- FAMILIENZULAGEN: Der Nationalrat will das Gesetz über die Familienzulagen nicht ändern. Nach dem Ständerat hat auch er eine Standesinitiative des Kantons Genf abgelehnt, mit 89 zu 80 Stimmen bei einer Enthaltung. Für die Initiative setzte sich Yvonne Gilli (Grüne/SG) ein. Die Familienzulagen landeten nicht immer dort, wo sie hingehörten, argumentierte sie. Es gehe um die Situation von alleinerziehenden, nicht erwerbstätigen Personen. Der Kanton Genf forderte, dass das Geld direkt jener Person ausbezahlt wird, die das Kind betreut. Das Verfahren sollte vereinfacht werden.
- LOHN IN EURO: Mit 118 zu 62 Stimmen hat es der Nationalrat abgelehnt, ein Verbot der Lohnauszahlung in Euro im Obligationenrecht zu verankern. Die Tessiner SP-Nationalrätin Marina Carobbio Guscetti begründete ihre Parlamentarische Initiative mit dem Hinweis, dass die Auszahlung von Löhnen in Euro einer Überwälzung der unternehmerischen Risiken auf die Arbeitnehmer gleichkomme und damit illegal sei. Die Ratsmehrheit sah wie die Kommission jedoch keinen Handlungsbedarf. Das OR biete Arbeitnehmern genügend rechtliche Möglichkeiten, gegen allfälligen Missbrauch vorzugehen.
- VERNEHMLASSUNGEN: Der Bundesrat muss prüfen, wie das Vernehmlassungsverfahren verbessert werden könnte. Der Nationalrat hat drei Postulate der nationalrätlichen Geschäftsprüfungskommission (GPK) überwiesen. Die GPK hatte in einem Bericht das Vernehmlassungsverfahren kritisiert und Vorschläge für Verbesserungen präsentiert. Der Bundesrat kündigte daraufhin an, die Ergebnisse von Vernehmlassungen transparenter zu kommunizieren und auf die Unterscheidung zwischen Vernehmlassung und Anhörung zu verzichten. Dies reichte der GPK aber nicht. Der Bundesrat sei auf die Kritik nur teilweise eingegangen, befand sie - und verlieh ihren Forderungen mit Postulaten Nachdruck. Nun muss der Bundesrat einen Bericht verfassen. Dagegen wehrte er sich nicht: Er empfahl dem Nationalrat, die Postulate anzunehmen.
Der Ständerat in Kürze
(sda) STRASSENFINANZIERUNG I: Die Autobahnvignette wird definitiv teurer. Nach dem Nationalrat hat auch der Ständerat beschlossen, den Preis anzuheben. Über die Höhe des Aufschlags sind sich die Räte aber nicht einig. Der Ständerat beschloss mit 38 zu 0 Stimmen bei 2 Enthaltungen, den Preis für die Autobahnvignette von 40 Franken pro Jahr auf 100 Franken zu erhöhen. Dadurch würden pro Jahr 275 Millionen Franken in die Strassenprojekte des Bundes fliessen. Der Nationalrat will bloss 70 Franken verlangen. Mit dem zusätzlichen Geld aus dem Vignettenverkauf will der Bundesrat das Nationalstrassennetz erweitern und dadurch Engpässe beseitigen. Ab Anfang 2014 sollen zusätzliche Strecken im Umfang von rund 387 Kilometer ins Netz aufgenommen werden. Das Geschäft geht zurück in den Nationalrat.
- STRASSENFINANZIERUNG II: Die Erträge aus der Mineralölsteuer werden wie bisher zu gleichen Teilen zwischen Strassen- und Schienenverkehr aufgeteilt. Der Ständerat hat eine Parlamentarische Initiative aus den Reihen der CVP mit 24 zu 3 Stimmen abgelehnt. Diese verlangte, dass künftig 60 statt 50 Prozent der Mineralölsteuererträge dem Strassenverkehr zugute kommen. Durch diese Umverteilung würde ein 300-Millionen-Loch in der Bundeskasse entstehen, warnte Peter Bieri (CVP/ZG). Der Nationalrat hatte der Initiative im vergangenen März Folge gegeben. Mit dem Nein des Ständerates ist der Vorstoss nun aber erledigt.
- KITESURFEN: Die grundsätzliche Erlaubnis für das Kitesurfen auf Schweizer Seen kommt einen Schritt weiter. Der Ständerat hiess mit 17 zu 12 Stimmen eine Motion von Hans Hess (FDP/OW) für eine Aufhebung des Verbots gut. Geändert werden soll die Verordnung über die Binnenschifffahrt. Dort sind heute die Drachensegelbretter, wie die von Drachensegeln gezogenen Surfbretter juristisch heissen, nur auf behördlich bewilligten Seeflächen erlaubt. Dieser Artikel soll gestrichen und damit Kitesurfen grundsätzlich erlaubt werden. Aus Sicht der Gegner funktionieren die heutige Regeln gut. Auch die Kantone seien gegen eine Änderung, sagte Isidor Baumann (CVP/UR). Nun ist der Nationalrat an der Reihe. Weitere sechs Parlamentarier reichten gleichlautende Motionen ein.
- GÜTERVERKEHR I: Bei der Zuteilung von Schienentrassen soll der Bundesrat Güterzügen eine höhere Priorität einräumen als heute. Der Ständerat hiess stillschweigend eine entsprechende Motion von Claude Janiak (SP/BL) gut. In der heutigen Situation fehle den Güterverkehrsunternehmen die Planungssicherheit. Bundesrätin Doris Leuthard kündigte bereits eine Vorlage zu einer Prioritätsregelung für spätestens Anfang des kommenden Jahres an. Die beabsichtigte Lösung mit verbindlichen Netznutzungsplänen bezeichnete Janiak als gute Nachricht. Über die Motion muss nun der Nationalrat entscheiden.
- GÜTERVERKEHR II: Der Bundesrat soll eine Übersicht erstellen, welche Nebenstrecken des Bahnnetzes sich zusätzlich für den Güterverkehr eignen könnten. Der Ständerat überwies stillschweigend ein entsprechendes Postulat von Anita Fetz (SP/BS). Ein Ausweichen auf weniger genutzte Nebenstrecken könnte die Hauptstrecken entlasten. Im Bericht soll die Regierung aufzeigen, wie viel es kosten würde, die Nebenstrecken für den Güterverkehr aufzurüsten und wie stark sich die Leistungsfähigkeit des Bahnnetzes verbessern würde. Der Bundesrat zeigte sich bereit, den Bericht zu erstellen.
- ALPENTRANSITBÖRSE: Der Bundesrat soll nicht den Auftrag erhalten, bis zur Eröffnung des Gotthard-Basistunnels eine Alpentransitbörse einzuführen. Der Ständerat lehnte eine entsprechende Motion mit 16 zu 13 Stimmen ab. Motionär Markus Stadler (GLP/GL) wollte mit der Forderung die Verlagerung auf die Schiene vorantreiben. Verkehrsministerin Doris Leuthard wies darauf hin, dass die EU und die Nachbarländer derzeit nicht zu Verhandlungen über eine Alpentransitbörse, an der die alpenquerenden Fahrten versteigert würden, zu bewegen seien.
- GOTTHARD: Der Bundesrat soll sich Gedanken machen zur Zukunft des alten Gotthard-Bahntunnels nach Eröffnung des neuen Basistunnels voraussichtlich Ende 2016. Der Ständerat überwies ein entsprechendes Postulat von Isidor Baumann (CVP/UR) ohne Gegenstimme. Baumann fordert eine "Lösung unter Berücksichtigung aller betroffenen Themenbereiche". Dazu gehören die Anlagen, die Verkehrserschliessung der Region, der Tourismus, aber auch der Umgang mit dem 1882 in Betrieb genommenen Scheiteltunnel als wichtiges bahn- und nationalhistorisches Monument.
Der Mittwoch, 19. September 2012 im Parlament
Der Nationalrat in Kürze
(sda) AGRARPOLITIK: Der Nationalrat hat am Mittwoch die Stossrichtung der Agrarpolitik 2014-2017 in einer ersten neunstündigen Teildebatte bestätigt. Die grosse Kammer nahm einzelne Anpassungen zu Gunsten der Bauern vor, hiess aber das neue Direktzahlungssystem im Grundsatz gut. Trotz Opposition der SVP, Teilen der CVP und BDP hiess der Rat die umstrittenen Landschaftsqualitätsbeiträge mit 98 zu 85 Stimmen gut. Für Bauland will der Nationalrat im Gegensatz zum Bundesrat weiterhin Direktzahlungen ausrichten. Einen Teilerfolg feierten die Milchbauern: Der Nationalrat befürwortete engere Schranken für Milchverträge und forderte eine Verordnung dazu. Mehrere Entscheide zu den zielgerichteteren Direktzahlungen aber noch aus, beispielsweise zu tierbezogenen Beiträgen. Für die Agrarpolitik will der Bundesrat insgesamt 13,67 Milliarden Franken ausgeben - praktisch gleich viel wie heute.
Der Ständerat in Kürze
- (sda) Der Bundesrat kann künftig bei Bedarf vier bis sechs zusätzliche Staatssekretäre ernennen. Diskussionslos ist der Ständerat am Mittwoch dem Nationalrat gefolgt und hat damit die letzten Differenzen zu diesem Thema ausgeräumt. Die Vorlage ist bereit für die Schlussabstimmung. Die Staatssekretäre sollen den Bundesrat vor allem im Kontakt mit dem Ausland vertreten. In Kommissionen dürfen sie den Bundesrat nur mit Zustimmung des zuständigen Präsidenten vertreten. Derzeit gibt es vier ständige Staatssekretäre (Aussenpolitik, internationale Finanzfragen, Wirtschaft sowie Bildung und Forschung).
- PAUSCHALBESTEUERUNG: Der Ständerat bleibt hart: Über 65-jährige Pauschalbesteuerte sollen nach Inkrafttreten der Gesetzesrevision zur Aufwandbesteuerung nicht weniger bezahlen müssen als jüngere, und die Übergangsfrist soll wie vom Bundesrat vorgeschlagen fünf und nicht zehn Jahre dauern. Mit 33 zu 5 Stimmen hat der Ständerat an seiner bisherigen Position festgehalten und damit sowohl die Beschlüsse des Nationalrats als auch einen Antrag aus den eigenen Reihen abgelehnt. Die Vorlage geht damit wieder in den Nationalrat. Mit der Gesetzesrevision werden die Pauschalbesteuerten etwas tiefer in die Tasche greifen müssen.
- IMMOBILIENBOTSCHAFT VBS: Das eidgenössische Militärdepartement VBS erhält für seine Infrastruktur dieses Jahr 407,8 Millionen Franken - 100 Millionen mehr als 2011. Nach dem Nationalrat hat am Mittwoch auch der Ständerat den Kredit, einstimmig und ohne Enthaltungen, gebilligt. Ein guter Teil der Gelder wird in Unterhalt und Reparaturen gesteckt. So will die Armee unter anderem den Waffenplatz Bure JU und den Flugplatz Payerne VD sanieren. Für die erste Etappe sind hierzu 52,25 Millionen Franken vorgesehen. Mit 14,5 Millionen werden die Flugbetriebsflächen auf dem Flugplatz Payerne VD saniert. Über 18 Millionen Franken sind für ein neues Glasfaserkabel über den Gemmi-Pass BE/VS vorgesehen. Insgesamt fliessen 160 Millionen in die Ausbildungsinfrastruktur und 90 Millionen in die Einsatzinfrastruktur.
- BOTSCHAFTSSCHUTZ: Schweizer Soldaten sollen auch nach 2015 der Polizei helfen können, ausländische Botschaften zu bewachen. Der Ständerat folgte dem Vorschlag des Bundesrates. Der Nationalrat hatte die Botschaftseinsätze der Armee nach 2015 verhindern wollen. Der Ständerat nahm den Bundesbeschluss über den Einsatz der Armee zur Unterstützung ziviler Behörden mit 34 zu 0 Stimmen bei 1 Enthaltung an - und zwar in der Version des Bundesrates. Dieser hatte vorgeschlagen, die Bewachungs-Einsätze der Armee vor ausländischen Botschaften bis Ende 2015 zu verlängern. Diese Formulierung lässt eine weitere Verlängerung offen. Einverstanden sind beide Räte mit der schrittweisen Reduktion der Soldaten, die Botschaften bewachen, von heute 125 auf 80 bis zum Jahr 2014. Das Geschäft geht zurück in den Nationalrat.
- WEF: Bis zu 5000 Armeeangehörige sollen auch 2013, 2014 und 2015 das Jahrestreffen des World Economic Forum (WEF) in Davos GR schützen. Nach dem Nationalrat hat der Ständerat dem Assistenzdienst ebenfalls zugestimmt. Der Entscheid fiel einstimmig. Tatsächlich werden aber deutlich weniger Armeeangehörige zum Einsatz kommen, wie Hans Hess (FDP/OW) im Namen der Sicherheitspolitischen Kommission sagte. Seit dem Jahr 2009 sei die Anzahl der Soldaten von 4700 auf rund 3300 reduziert worden. Die Schwelle von 5000 Mann diene als Reserve für besondere Ereignisse.
- REKRUTENSCHULE: Der Ständerat hat stillschweigend eine Motion aus den Reihen der SP abgelehnt, die eine bessere Koordination von Rekrutenschule und Studienbeginn fordert. Die kleine Kammer will nicht, dass sich der Bund in Belange der Kantone einmischt. Der Nationalrat hatte dem Vorstoss zugestimmt. Wie Verteidigungsminister Ueli Maurer berichtete, ist der Bund daran, Lösungen mit Universitäten und Hochschulen auszuhandeln. Mit der Universität St. Gallen bestehe bereits eine Einigung.
- BUNDESSTEUER: Alle Kantone sollen prüfen lassen, ob die direkte Bundessteuer ordnungs- und rechtmässig erhoben und an den Bund weitergeleitet wird. Der Ständerat hat eine Vorlage einstimmig gutgeheissen, welche die Kantone dazu verpflichtet. Ziel ist es, die Finanzaufsicht über die Erhebung der direkten Bundessteuer zu verbessern. Heute erheben die Kantone die direkte Bundessteuer im Auftrag des Bundes, sind aber nicht dazu verpflichtet, die Ordnungs- und Rechtmässigkeit der Erhebung und der Ablieferung des Bundesanteils jeweils durch eine unabhängige Stelle prüfen zu lassen. Die Vorlage geht nun an den Nationalrat.
- UNTERNEHMENSBESTEUERUNG: Der Ständerat will dem Bundesrat für die Verhandlungen mit der EU über die Unternehmensbesteuerung keine Eckwerte vorgeben. Er hat eine Motion von Hannes Germann (SVP/SH) mit 25 zu 10 Stimmen abgelehnt. Die Mehrheit im Rat war der Auffassung, es sei nicht nötig, die Eckwerte festzulegen. Der Bundesrat habe sich selbst im Verhandlungsmandat beinahe die selben Vorgaben gemacht, die Germann vorschlage. Auch Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf argumentierte, das Verhandlungsmandat und die Motion seien inhaltlich fast identisch. Sie erinnerte daran, dass die Aussenpolitischen Kommissionen der Räte das Verhandlungsmandat gutgeheissen hatten.
- BUNDESVERWALTUNG: Am Lohnsystem in der Bundesverwaltung wird nicht gerüttelt. Der Ständerat hat eine Motion aus dem Nationalrat abgelehnt. Der Nationalrat wollte, dass Bundesangestellte nicht mehr automatisch eine Lohnerhöhung von eins bis zwei Prozent erhalten, wenn sie genügende oder gute Leistungen erbringen. Wer überdurchschnittliche Leistungen erbringt, sollte dafür eine Lohnerhöhung von über fünf Prozent erhalten können. Im Ständerat hatte das Anliegen keine Chance. Hans Stöckli (SP/BE) sagte im Namen der vorberatenden Kommission, mit der Flexibilisierung würde die Transparenz im Lohnsystem verschwinden. Ausserdem käme es zwangsläufig zu Reduktionen bei den tieferen Löhnen.
- STEUERABZÜGE: Für ehrenamtliche Tätigkeiten gibt es auch in Zukunft keine Steuerabzüge. Der Ständerat hat eine Motion aus den Reihen der FDP abgelehnt, die der Nationalrat gutgeheissen hatte. Zur Debatte stand ein allgemeiner Steuerabzug für ehrenamtliche Tätigkeiten zugunsten juristischer Personen mit gemeinnützigen Zwecken. Der Ständerat hält nichts davon. Auch der Bundesrat stellte sich gegen die Motion. Die Regierung unterstütze Bestrebungen, freiwillige Tätigkeiten zu fördern, sagte Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf. Steuerliche Erleichterungen seien aber nicht das geeignete Mittel.
Der Dienstag, 18. September 2012 im Parlament
Der Nationalrat in Kürze
(sda) BANKEN: Die neue Bankenregulierung mit "Swiss finish" kann in Kraft treten. Der Nationalrat hat am Dienstag als Zweitrat die Verordnungen zur Umsetzung des Regelwerks "Basel III" und der "Too-big-to-fail"-Vorlage mit 128 zu 40 Stimmen genehmigt. Teile der SVP lehnten ab. Mehrere Redner nutzten in der Debatte die Gelegenheit, nochmals grundsätzlich zum Finanzplatz Stellung zu beziehen. SP und Grüne kritisierten die Vorkehrungen als ernüchternd. Zudem nahm die grosse Kammer eine Motion an, die für die nicht-systemrelevanten Banken eine eigene Verordnung zu den Eigenmitteln fordert, die für diese konkret geringere Anforderungen festschreiben soll. Als systemrelevante Banken gelten in der Schweiz die Grossbanken UBS und CS. Der Bundesrat sieht diese Abstufung bereits genügend verankert.
- KAPITALANLAGEN: Das revidierte Kollektivanlagengesetz zur Anpassung an EU-Regeln ist unter Dach und Fach. Der Nationalrat räumte die letzten Differenzen aus. Konkret hiess er die vom Ständerat leicht ausgebaute Protokollierungspflicht mit 99 zu 73 Stimmen gut. Die Pflicht sieht vor, dass Vermögensverwalter festhalten müssen, welche Bedürfnisse Anleger haben und aus welchen Gründen der eines Fonds empfohlen wird. Wie der Ständerat ist nun auch der Nationalrat dafür, dass die Kunden Zugang zu diesem Protokoll erhalten sollen. Bei der Bewilligung des Verkaufs ausländischer Fonds an nicht-qualifizierte Anleger schwenkte der Nationalrat auch auf die anlegerfreundlichere Regelung des Ständerats ein. Eine Zusammenarbeit der Aufsichtsbehörden soll notwendig sein. Das Geschäft ist bereit für die Schlussabstimmung.
- TRANSPARENZ: Der Nationalrat wünscht sich mehr Transparenz beim Abstimmungsverhalten des Ständerates. Er nahm mit 93 gegen 70 Stimmen bei 25 Enthaltungen zwei parlamentarische Initiativen aus den Reihen der SVP an, die im Ständerat ein elektronisches Abstimmungsverfahren einführen und die Abstimmungsresultate veröffentlichen wollen. Heute wird im Ständerat - anders als im Nationalrat - per Handzeichen abgestimmt und es wird nicht kommuniziert, wer sich wie entschieden hat. "Mit einer modernen Demokratie ist diese Intransparenz nicht vereinbar", sagte Lukas Reimann (SVP/SG), der eine der beiden Initiativen lanciert hatte. In der vergangenen Sommersession hatte sich der Ständerat selber erstmals für das Abstimmen per Knopfdruck ausgesprochen. Er hiess eine parlamentarische Initiative des SVP-Ständerats This Jenny (GL) knapp gut.
- WELTAUSSTELLUNG: Der Schweizer Auftritt an der Weltausstellung 2015 in Mailand soll 23,1 Millionen Franken kosten dürfen. Der Nationalrat hat als Erstrat den Verpflichtungskredit mit 178 zu 0 Stimmen bei 4 Enthaltungen gutgeheissen. Die Steuerzahler müssen voraussichtlich 15 Millionen Franken beisteuern. Mindestens 8 Millionen Franken sollen durch Sponsoring eingenommen werden. Die Weltausstellung in Mailand findet vom 1. Mai bis am 31. Oktober 2015 statt. Das Konzept für den Schweizer Pavillon trägt in Anlehnung an das Ausstellungsmotto "Den Planeten ernähren. Energie für das Leben." den Namen "Confooderatio Helvetica".
- INSIDERHANDEL: Künftig wird Insiderhandel schärfer geahndet als heute. In einer letzten Differenz entschied sich der Nationalrat mit 116 zu 51 Stimmen bei einer Enthaltung aber wie der Ständerat gegen einen noch weiteren Ausbau der Strafnorm. Insiderhandel wird somit nur dann strafbar, wenn jemand einen Vermögensvorteil erlangt. Die Revision des Börsengesetzes weitete die Strafbarkeit des Insiderhandels auf einen weiteren Personenkreis aus. Neu können auch Hedgefonds und private Investoren bestraft werden. Strenger geahndet wird auch die Marktmanipulation an der Börse, und für Verletzungen der Meldepflicht beträgt die Busse maximal 10 Millionen Franken. Das Geschäft ist damit bereit für die Schlussabstimmung.
- ARBEITSRECHT: Der Bundesrat soll dafür sorgen, dass in der Bundesverwaltung die gesetzlichen Arbeitszeitbestimmungen eingehalten werden - auch bei den Kadern. Der Nationalrat nahm mit 164 zu 1 Stimmen bei 2 Enthaltungen eine Motion seiner Geschäftsprüfungskommission (GPK) an. Mit dieser will die GPK den Bundesrat beauftragen, ein Kontrollkonzept einzuführen, damit Angestellte, die nach dem Modell der Vertrauensarbeitszeit arbeiten, nicht zu viele Überstunden leisten. Bundespräsidentin Eveline Widmer-Schlumpf hatte sich vergeblich gegen die "faktische Wiedereinführung der Stempeluhr" gewehrt. Über die Motion muss noch der Ständerat entscheiden. Heute arbeiten rund zehn Prozent aller Angestellten des Bundes nach dem Modell der Vertrauensarbeitszeit.
- AUSSENBEZIEHUNGEN: Das Parlament hat sich auf neue Regeln für seine Beziehungen mit internationalen Gremien und anderen Parlamenten geeinigt. Der Nationalrat räumte zwei letzte Differenzen in dem Geschäft aus. So sollen die Parlamentarier, die die Schweiz in den internationalen parlamentarischen Versammlungen vertreten, künftig den zuständigen Kommissionen und nicht nur dem Parlament Rechenschaft ablegen müssen. Bereits früher gestrichen wurde von beiden Räten der Vorschlag, eine ständige Delegation für den Empfang ausländischer Parlamentarierdelegationen zu gründen. Das Geschäft ist bereit für die Schlussabstimmung.
- GELDWÄSCHEREI: Der Nationalrat lehnt mehrere schärfere Regeln gegen die Geldwäscherei ab. Die grosse Kammer lehnte fünf Motionen aus den Reihen der SP mit jeweils 129 zu 59 Stimmen ab. Nichts wissen will der Rat, dass auch Händler von wertvollen Gütern wie Schmuck, Uhren, Kunst oder Rohstoffen dem Geldwäschereigesetz unterstellt werden. Eine Bewilligungspflicht für die Erbringung von Finanzdienstleistungen zu Gunsten von politisch exponierten Personen (PEP) lehnte der Nationalrat auch ab - ebenso wie einen spezieller Nachweis für Gelder von PEP. Keine Chance hatte auch die Senkung der Anforderungen für die Meldepflicht bei Geldwäschereiverdacht und eine strengere Revision bei Finanzintermediären.
- WÄHRUNG: Der Nationalrat will keinen Goldfranken einführen. Er hat mit 135 zu 38 Stimmen bei 15 Enthaltungen eine parlamentarische Initiative aus den Reihen der SVP abgelehnt und folgte somit der Empfehlung der vorberatenden Wirtschaftskommission. Der Goldfranken eigne sich wegen des schwankenden Goldkurses nicht als Zahlungsmittel, sagte Kommissionssprecherin Susanne Leutenegger Oberholzer (SP/BL). Und als Sparmittel brauche es den Goldfranken nicht - es gebe bereits genügend Möglichkeiten für Kleinsparer, Gold zu erwerben.
- STRASSENBAU: Die Erträge der Mineralölsteuer sollen nicht gänzlich dem Strassenbau zugute kommen. Der Nationalrat hat eine Motion von Walter Wobmann (SVP/SO) mit 122 zu 58 Stimmen bei 8 Enthaltungen abgelehnt. Wobmann wollte mit dem Vorstoss, den er vom ehemaligen SVP-Nationalrat Christoph von Rotz (OW) übernommen hatte, die Finanzierung des Schweizer Strassennetzes sichern. "Wir stehen kurz vor einem Verkehrskollaps", sagte er. Für den Ausbau des Strassennetzes fehlten aber Milliarden. Er forderte deshalb mit der Motion, dass künftig nicht bloss die Hälfte, sondern die gesamten Erträge der Mineralölsteuer für den Strassenbau verwendet werden dürfen. Dadurch wären pro Jahr rund 1,5 Milliarden Franken zusätzlich in den Strassenbau geflossen.
- BESCHAFFUNG: Die Schwellenwerte für eine freihändige Vergabe im öffentlichen Beschaffungswesen sollen nicht angehoben werden. Der Nationalrat lehnte eine entsprechende Motion von Viola Amherd (CVP/VS) mit 154 zu 31 Stimmen bei einer Enthaltung ab. Der Bundesrat führte unter anderem an, dass der Einbezug mehrere Anbieter die Korruptionsanfälligkeit senken könne.
Der Ständerat in Kürze
(sda) INNOVATIONSPARK: In der Schweiz kann ein nationaler Innovationspark geschaffen werden. Hochschulen und privatwirtschaftliche Unternehmen sollen dort gemeinsam forschen. Nach dem Nationalrat hat am Dienstag auch der Ständerat die rechtliche Basis dafür gutgeheissen. Die kleine Kammer genehmigte das revidierte Forschungs- und Innovationsförderungsgesetz einstimmig. Umstritten ist noch die Standortfrage. Der Nationalrat will, dass der Park von Anfang an auf mehrere Standorte verteilt wird. Dies geht dem Ständerat zu weit. Zwar plädiert auch er für mehrere Standorte. Nach seinem Willen muss das aber nicht von Anfang an sein. Dafür möchte der Ständerat präzisieren, dass die Standorte untereinander vernetzt sind und mit den Hochschulen zusammenarbeiten.
- HOCHSCHULEN: Der Ständerat bleibt dabei: Die Hochschulen sollen in den nächsten vier Jahren nicht mehr Geld erhalten als der Bundesrat vorschlägt. Der Nationalrat möchte die Kredite um insgesamt rund 300 Millionen Franken aufstocken. Die vorberatende Ständeratskommission war bereit, in den meisten Punkten auf die Linie des Nationalrats einzuschwenken. Der Ständerat wollte davon aber nichts wissen. Er beschloss, bei den Vorschlägen des Bundesrates zu bleiben. Die Mehrheit gab zu bedenken, eine Aufstockung der Gelder würde die Regeln der Schuldenbremse verletzen. Die Befürworter einer Aufstockung argumentierten vergeblich, diese wäre finanzierbar.
- CANNABIS: Die beiden Parlamentskammern können sich weiterhin nicht auf die Bussenhöhe für Kiffer einigen. Der Ständerat hat sein Festhalten an 100 Franken mit 24 zu 14 Stimmen bekräftigt. Der Nationalrat will eine Busse in der Höhe von 200 Franken durchsetzen. Damit geht die Vorlage wieder zurück in den Nationalrat, zumal eine zweite Differenz fortbesteht: Für den Fall, dass ein ordentliches Strafverfahren eingeleitet wird, soll die Höhe der Busse laut Ständerat vom Richter festgelegt werden können. Der Nationalrat möchte festschreiben, dass die Busse mindestens so hoch sein soll wie die Ordnungsbusse.
- EPIDEMIEN: Mit einer letzten Differenz geht die Revision des Epidemiegesetzes wieder in den Nationalrat. Der Ständerat hielt daran fest, dass die Kosten für die Vorbereitung epidemiebedingter Vorkehrungen von den Unternehmen getragen werden sollen, die im internationalen Grenzverkehr tätig sind. Der Nationalrat möchte diese Kosten dem Bund übertragen. Der Ständerat zeigte sich jedoch kompromissbereit: Der Bund kann sich demnach an solchen Kosten beteiligen, falls sie für die betroffenen Unternehmen zu einer "unzumutbaren wirtschaftlichen Belastung" führen. Geeinigt haben sich die beiden Kammern darauf, dass die Kantone Impfungen für bestimmte Berufsgruppen für obligatorisch erklären können, sofern eine erhebliche Gefahr besteht. Stillschweigend übernahm der Ständerat diese Position des Nationalrats.
- PRÄVENTION: Der Ständerat weigert sich weiterhin, beim Präventionsgesetz die Ausgabenbremse zu lösen und damit die Mittel für die beschlossenen Massnahmen zu sprechen. Er entschied mit 22 zu 19 Stimmen, bei seiner Haltung zu bleiben. Das Präventionsgesetz geht damit zurück an den Nationalrat, der vergangene Woche die inhaltlichen Differenzen ausgeräumt hatte. Im Ständerat ist das Präventionsgesetz äusserst umstritten. Ob der Rat in der Schlussabstimmung zustimmen wird, ist offen. Mit dem Präventionsgesetz soll der Bund eine rechtliche Grundlage erhalten, um Massnahmen zur Krankheitsvorsorge und Gesundheitsförderung besser steuern und koordinieren zu können.
- BILDUNG: Um dem zunehmenden Mangel an Ingenieuren und Ingenieurinnen zu begegnen, soll sich der Bundesrat bei den Bildungseinrichtungen auf allen Ebenen dafür einsetzen, das Interesse an Mathematik, Informatik sowie Natur- und Technikwissenschaften (MINT) zu fördern. Stillschweigend hat der Ständerat eine Motion des Nationalrats überwiesen. Gleichzeitig soll der Bundesrat die herfür nötigen Mittel in der BFI-Botschaft 2013 - 2016 bereitstellen. Die vorberatende Kommission wies daraufhin, dass sich der Mangel an MINT-Fachkräften angesichts der demografischen Entwicklung noch verschärfen wird.
Der Montag, 17. September 2012 im Parlament
Der Nationalrat in Kürze
(sda) BUNDESPERSONAL: Der Bundesrat will die Anstellungsbedingungen für das Bundespersonal der Privatwirtschaft annähern und unter anderem den Kündigungsschutz lockern. Der Nationalrat hat die geplanten Änderungen im Bundespersonalgesetz am Montag mit 126 zu 34 Stimmen angenommen. Die Revision schafft auch die Grundlage für Elternurlaube. Laut Bundespräsidentin Eveline Widmer-Schlumpf entstehen durch die Gesetzesänderung keine zusätzlichen Kosten. Die Vorlage geht nun wieder in den Ständerat. Die SVP hatte das Geschäft an den Bundesrat zurückweisen wollen mit dem Auftrag, den Gesetzesentwurf zu überarbeiten und diesen bei dieser Gelegenheit noch enger als vorgesehen an das Obligationenrecht anzulehnen. Ausserdem seien Elemente wie Arbeitszeit, Kündigungsfristen, Ferien und Urlaub nicht in den Ausführungsbestimmungen, sondern im Gesetz zu regeln. Der Rückweisungsantrag wurde jedoch mit 122 zu 49 Stimmen abgelehnt.
- ASYLPOLITIK: Asylsuchende können künftig während bis zu drei Jahren in Bundesbauten untergebracht werden, ohne dass der Kanton oder die Gemeinde zustimmt. Diese dringliche Gesetzesänderung hat nach dem Ständerat auch der Nationalrat gutgeheissen. Die grosse Kammer hatte die bewilligungsfreie Umnutzung von Bundesbauten ursprünglich auf ein Jahr begrenzen wollen. Der Ständerat votierte aber für eine maximale Dauer von drei Jahren. Dem stimmte der Nationalrat nun zu, gegen den Widerstand von SVP und Grünen. Abgelehnt hat es der Nationalrat, dem Bundesrat weitreichende Kompetenzen zu erteilen, um Änderungen bei den Asylverfahren zu testen. Mit dieser Differenz geht die Vorlage zu den dringlichen Änderungen des Asylgesetzes zurück in den Ständerat.
- PROTOKOLLE: Urteilende Gerichte dürfen künftig darauf verzichten, Einvernahmeprotokolle vorzulesen oder der einvernommenen Person zum Lesen und zur Unterzeichnung vorzulegen. Nach dem Ständerat hat auch der Nationalrat oppositionslos eine entsprechende Vorlage angenommen. Die Möglichkeit eines vereinfachten Verfahrens steht einem Gericht allerdings nur offen, wenn die Einvernahme aufgenommen wird. Die vom Ständerat vorgeschlagenen Änderungen in der Strafprozessordnung und der Zivilprozessordnung gehen zurück auf eine parlamentarische Initiative seiner Kommission für Rechtsfragen.
- BANKGEHEIMNIS: Der Nationalrat will die Unterscheidung zwischen Steuerhinterziehung und Steuerbetrug in der Schweiz vorerst nicht aufheben. Er hat eine Motion von Louis Schelbert (Grüne/LU) mit 105 zu 56 Stimmen abgelehnt. Schelbert forderte, dass die inländischen Steuerbehörden für Ermittlungen bei Verdacht auf Steuerdelikte die gleichen Möglichkeiten erhalten sollen wie die ausländischen. Heute seien die Spiesse ungleich lang, kritisierte er. Der Bundesrat hatte sich gegen die Motion ausgesprochen, aber eine Prüfung der Frage in Aussicht gestellt. Solche Änderungen müssten umfassend angegangen werden, sagte Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf. Die Arbeiten seien in Gang. Sie werde dem Bundesrat "demnächst" ein Aussprachepapier vorlegen.
- ÖFFENTLICHE BESCHAFFUNGEN I: Der Bundesrat muss nicht darlegen, wie die Chancengleichheit zwischen den verschiedenen Sprachregionen bei der Vergabe öffentlicher Aufträge durch den Bund verbessert werden könnte. Der Nationalrat hat ein Postulat von Antonio Hodgers (Grüne/GE) mit 86 zu 82 Stimmen bei 1 Enthaltung abgelehnt. Es sei eine Tatsache, dass der Grossteil der Aufträge an Deutschschweizer Unternehmen gehe, stellte Hodgers fest. In den allermeisten Fällen werde das Vergabeverfahren auf Deutsch abgewickelt. Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf räumte ein, es habe Fehler gegeben. Dem Bundesrat sei aber die Gleichbehandlung der Amtssprachen wichtig.
- ÖFFENTLICHE BESCHAFFUNGEN II: Firmen, die Stellen zur beruflichen Integration von Behinderten anbieten, sollen bei der Vergabe von Aufträgen im öffentlichen Beschaffungswesen nicht bevorzugt behandelt werden. Der Nationalrat hat eine Motion aus den Reihen der Grünen mit 102 zu 63 Stimmen bei 7 Enthaltungen abgelehnt. Das Anliegen sei nachvollziehbar, sagte Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf. Der Berücksichtigung solcher Kriterien seien im öffentlichen Beschaffungswesen aber enge Grenzen gesetzt. Die Firmen müssten anders motiviert werden.
- ÖFFENTLICHE BESCHAFFUNGEN III: Der Bund soll nicht bei allen Beschaffungen oder Investitionen Schätzungen zu den Folgekosten und Folgeaufträgen veröffentlichen müssen. Der Nationalrat hat eine Motion der SVP-Fraktion mit 99 zu 69 Stimmen bei 4 Enthaltungen abgelehnt. Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf sagte mit Blick auf das Informatikprojekt INSIEME, in den letzten Jahren sei einiges schief gelaufen. Die Forderung erübrige sich aber, ein besseres Controlling sei geplant. Auch gebe es bereits Bestimmungen, die für Transparenz sorgten.
- STEUERN I: Der Bund wird nicht verpflichtet, die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler mit einem Informationsblatt über die wichtigsten Einnahmen, Ausgaben und Aufgaben des Bundes zu informieren. Der Nationalrat hat eine Motion der SP-Fraktion mit 105 zu 63 Stimmen bei 1 Enthaltung abgelehnt. Die SP hätte ein Informationsblatt als vertrauensfördernde Massnahme betrachtet. Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf sagte, die Bundesverfassung überlasse die Veranlagung und den Bezug der direkten Bundessteuer den Kantonen. Diese sei damit auch für die Information der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler zuständig.
- STEUERN II: Die Eidgenössische Steuerverwaltung soll nicht mehr Personal erhalten. Der Nationalrat hat eine Motion der SP-Fraktion mit 116 zu 56 Stimmen abgelehnt. Die SP wollte den Bundesrat beauftragen, die Steuerverwaltung aufzustocken, damit Steuerbetrug und Steuerhinterziehung konsequent aufgedeckt werden könnten. Sie wollte dem Bundesrat auch die Mehreinnahmen vorschreiben, die er damit zu erzielen hätte. Finanzministerin Widmer-Schlumpf gab zu bedenken, dies sei nicht möglich. Der Bundesrat teile aber die Meinung, dass mit Steuerwiderhandlungen alle pflichtbewussten und ehrlichen Steuerpflichtigen geschädigt würden.
- FINMA: Der Nationalrat will nicht, dass die Geschäftsleitungsmitglieder der Finanzmarktaufsicht (FINMA) mehr verdienen. Er hat eine Motion der FDP-Fraktion mit 142 zu 25 Stimmen bei 4 Enthaltungen abgelehnt. Die FDP wollte den Bundesrat beauftragen, die in der FINMA-Personalverordnung geregelten Lohnobergrenzen für Geschäftsleitungsmitglieder nach oben anzupassen. Die FINMA brauche für die Rekrutierung von qualifizierten Führungspersonen mehr Gestaltungsspielraum, argumentierte die FDP. Sonst sei sie gegenüber privaten Arbeitgebern im Finanzbereich nicht konkurrenzfähig.
- MENSCHENRECHTE: Der Nationalrat will die Banken nicht dazu verpflichten, das Verhalten ihrer Geschäftspartner systematisch auf die Einhaltung der Menschenrechte zu überprüfen. Er hat eine Motion von alt Nationalrat Jean-Claude Rennwald (SP/JU) mit 115 zu 56 Stimmen abgelehnt. Rennwald ging es insbesondere um die Finanzierung der Herstellung von Streumunition durch Schweizer Banken. Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf wies darauf hin, dass dies inzwischen verboten wurde.
- FINANZAUSGLEICH: Der Nationalrat will nicht dagegen vorgehen, dass Kantone mit unterdurchschnittlich tiefen Steuern von hohen Ausgleichszahlungen aus dem interkantonalen Finanzausgleich profitieren können. Er hat eine Motion der SP-Fraktion mit 103 zu 64 Stimmen bei 6 Enthaltungen abgelehnt. Auch der Bundesrat hatte sich dagegen ausgesprochen. Im heutigen System würden die Zahlungen reduziert, wenn Steuersenkungen in einem ressourcenschwachen Kanton erfolgreich seien, argumentierte er.
- IMMOBILIEN: Der Nationalrat hat sich dagegen ausgesprochen, die Mehrwertsteuerschranken bei Immobilienverkäufen zu beseitigen. Er hat eine Motion aus den Reihen der SVP mit 97 zu 74 Stimmen bei 2 Enthaltungen abgelehnt. Mit der Motion wäre der Bundesrat beauftragt worden, Massnahmen zu ergreifen, um die Abgrenzung zwischen steuerbarer werkvertraglicher Lieferung und steuerfreiem Grundstückskauf zu regeln. Für die Abgrenzung nicht massgebend sein sollte das Kriterium der Finanzierung, beispielsweise die Höhe der Anzahlung. Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf sagte, der Bundesrat prüfe eine Änderung. Die vorgeschlagene lehne er aber ab.
- IWF: Der Nationalrat ist dagegen, dass die Schweiz aus dem IWF austritt. Er hat eine Motion von Oskar Freysinger (SVP/VS) mit 120 zu 35 Stimmen bei 13 Enthaltungen abgelehnt. Auch Freysingers Forderung nach besserem Schutz des Finanzplatzes lehnte der Nationalrat ab, und zwar mit 122 zu 45 Stimmen bei 7 Enthaltungen.
- MELANI: Der Bundesrat muss die Melde- und Analysestelle Informationssicherung Schweiz (MELANI) nicht ausbauen. Der Nationalrat hat eine Motion von Ida Glanzmann (CVP/LU) mit 127 zu 26 Stimmen bei 9 Enthaltungen abgelehnt. Glanzmann forderte, dass MELANI im Kampf gegen Cyber-Angriffe die guten Dienste der ganzen Wirtschaft erbringen kann.
Der Ständerat in Kürze
(sda) Die Läden sollen werktags in der ganzen Schweiz bis mindestens 20 Uhr offen sein dürfen. Der Ständerat hat mit 27 zu 11 Stimmen eine entsprechende Motion von Filippo Lombardi (CVP/TI) angenommen. Lombardi verlangt, dass schweizweit alle Detailhandelsbetriebe das Recht haben, ihre Produkte werktags zwischen 6 Uhr und 20 Uhr und samstags von 6 Uhr bis 19 Uhr zu verkaufen. Die Kantone, die heute unterschiedliche Regeln kennen, könnten weitergehende Liberalisierungen beschliessen, nicht aber strengere Gesetze. Der Bundesrat hatte die Annahme der Motion empfohlen. Die Gewerkschaften drohten bereits mit dem Referendum.
- TANKSTELLENSHOPS: Der Ständerat hat eine Lockerung der Regeln für Autobahnraststätten und Tankstellenshops an rege befahrenen Hauptverkehrsachsen beschlossen: Diese sollen rund um die Uhr alles verkaufen dürfen, wenn das Warenangebot in erster Linie auf die Bedürfnisse der Reisenden ausgerichtet ist. Heute dürfen Tankstellenshops nachts zwar Kaffee oder Sandwiches anbieten, nicht aber andere Produkte. Viele Geschäfte müssen deshalb einen Teil ihres Lokals absperren. Mit 26 zu 17 Stimmen sagte nach dem Nationalrat nun auch der Ständerat Ja zu einer Änderung, die auf eine parlamentarische Initiative des Genfer FDP-Nationalrates Christian Lüscher zurück geht. Noch nicht ganz einig sind sich die beiden Räte, für welche Tankstellenshops die Lockerung gelten soll.
- KOLLEKTIVE KAPITALANLAGEN: Zur besseren Beweisführung bei Prozessen sollen Vermögensverwalter protokollieren, warum sie Kunden den Kauf eines Fonds empfehlen. Der Ständerat hiess bei der Beratung des Kollektivanlagengesetzes (KAG) die Protokollierungsfrist mit 26 zu 12 Stimmen für alle Anleger gut. Eine bürgerliche Minderheit wollte die Pflicht nur bei Kundengesprächen mit nicht-qualifizierten Anleger festlegen. Weil die Zeit drängt - die Schweiz muss sich der EU anpassen -, wird sich der Nationalrat bereits am Dienstag wieder über das KAG beugen. In den meisten Punkten sind sich die Räte einig. Zu den Differenzen gehört etwa die Anforderung an die Zusammenarbeit zwischen der Schweizer Finanzmarktaufsicht (FINMA) und ausländischen Behörden, die für die Bewilligung des Vertriebs ausländischer Fonds entscheidend ist.
- SPORT: Für mehrere Sportanlagen von nationaler Bedeutung soll der Bund 70 Millionen Franken bis Ende 2017 ausgegeben. Der Ständerat sprach sich wie der Nationalrat für eine Erhöhung des bundesrätlichen Kreditvorschlags um 20 Millionen Franken aus. Die Zustimmung zur Aufstockung der sogenannten NASAK-Finanzhilfen fiel mit 24 zu 12 Stimmen nach einer langen und emotionalen Debatte deutlich aus. Die Gegner aus allen bürgerlichen Parteien machten finanzpolitische Gründe geltend. Die Befürworter sahen mehrere Projekte gefährdet, wenn die Beiträge aus der Bundeskasse ausbleiben sollten. Sie argumentierten zudem mit dem Wert des Sports für die Gesundheit der Bevölkerung und für das Ansehen der Schweiz. Die zusätzlichen Mittel soll der Bundesrat verteilen können. Wegen einer kleinen Differenz geht das Geschäft nochmals zurück in den Nationalrat.
- IMMOBILLIEN: Das Finanzdepartement (EFD) soll 657,3 Millionen Franken für Immobilienprojekte erhalten. Der Ständerat hiess am Montag den Kredit ohne Gegenstimme gut. Der Löwenanteil von 398,5 Millionen Franken geht an die Umnutzung des ehemaligen Eidgenössischen Zeughauses am Guisanplatz in Bern. Im "Verwaltungszentrum Guisanplatz 1" sollen 2700 Büroarbeitsplätze entstehen. Das Gebäude wird künftig das Beschaffungsamt armasuisse und das Bundesamt für Bevölkerungsschutz (BABS) sowie die Bundesanwaltschaft und das Bundesamt für Polizei (fedpol) beherbergen. Die Arbeitsplätze sollen ab Ende 2017 bezugsbereit sein. Weitere 220 Millionen Franken fliessen in einen Rahmenkredit für das Bundesamt für Bauten und Logistik (BBL). Das Geschäft geht nun an den Nationalrat.
- TOURISMUS: Der Bundesrat muss einen weiteren Bericht zur Tourismusförderung erstellen. Konkret muss die Regierung die Einführung einer Tourismusbank nach dem Vorbild Österreichs prüfen. Der Ständerat überwies mit 24 zu 4 Stimmen ein entsprechendes Postulat von Isidor Baumann (CVP/UR). Mit einer Tourismusbank könnten etwa die Herausforderungen der Zweitwohnungsinitiative angegangen werden, hält Baumann fest. Bundesrat Johann Schneider-Ammann wehrte sich gegen das Postulat. Er erinnerte daran, dass die Verwaltung bereits volks- und betriebswirtschaftliche Berichte zum Thema erarbeite.
Der Donnerstag, 13. September 2012 im Parlament
Der Nationalrat in Kürze
(sda) CANNABIS: Erwachsene Konsumentinnen und Konsumenten von Cannabis-Produkten müssen künftig mit einer Ordnungsbusse von 200 Franken rechnen - sofern sie denn erwischt werden und nicht mehr als zehn Gramm Haschisch oder Marihuana besitzen. Grössere Mengen ziehen ein Strafverfahren nach sich. Der Nationalrat hielt am Donnerstag mit 91 zu 82 Stimmen an seiner Fassung bei der Änderung des Betäubungsmittelgesetzes fest. Er widersetzt sich damit dem Ständerat und der Mehrheit seiner vorberatenden Kommission, welche die Busse bei 100 Franken festlegen möchten. Die Vorlage geht damit wieder in den Ständerat. Im wichtigsten Punkt hatten sich die Räte bereits früher geeinigt: Wer über 18 Jahre alt ist und nicht mehr als zehn Gramm Cannabis besitzt, soll künftig nicht mehr angezeigt werden.
- UMWELTSCHUTZ: Der Nationalrat ist im Grundsatz einverstanden damit, dass der Bundesrat die Aarhus-Konvention ratifiziert. Diese regelt den Zugang zu Umweltinformationen und die Beteiligung an Verfahren. Mit 93 zu 85 Stimmen bei 5 Enthaltungen hat der Nationalrat beschlossen, auf die Beratungen einzutreten. Über die Ratifizierung entschieden hat er noch nicht: Weil die vorberatende Umweltkommission sich gegen Eintreten ausgesprochen hatte, geht das Geschäft zuerst zur Detailberatung an die Kommission zurück. Die Gegner der Konvention aus den Reihen der bürgerlichen Parteien befürchten insbesondere, das Verbandsbeschwerderecht könnte ausgeweitet werden. Umweltministerin Doris Leuthard versicherte, dies sei nicht der Fall.
- ATOMDEBATTE: Der Nationalrat spricht sich dagegen aus, ein Kantons-Veto gegen ein Endlager für radioaktive Abfälle wieder einzuführen. Die grosse Kammer hat zwei parlamentarische Initiativen mit dieser Forderung abgelehnt. "Ein Endlager darf einer Region nicht aufgezwungen werden", hielt der Schaffhauser SP-Nationalrat Hans-Jörg Fehr fest. Er hatte eine der beiden parlamentarischen Initiative eingereicht. Die andere stammt von der Grünen Fraktion. Der Nationalrat lehnte die Initiativen mit 93 zu 83, respektive mit 95 zu 83 Stimmen ab. Die Gegner befürchteten eine kontraproduktive Wirkung: Wenn ein Standortkanton allein ein Endlager verhindern könnte, sei es möglich, dass nicht der am besten geeignete Standort für ein Lager gewählt würde, sagte Christian Wasserfallen (FDP/BE).
- LANDSCHAFTSSCHUTZ: Der Bundesrat kann die Europäische Landschaftskonvention ratifizieren. Nach dem Ständerat hat auch der Nationalrat grünes Licht gegeben. In der grossen Kammer war der Schritt allerdings umstritten. Die vorberatende Umweltkommission hatte dem Rat ursprünglich empfohlen, auf die Beratungen gar nicht einzutreten. Der Nationalrat entschied aber anders. Am Donnerstag hat er sich nun mit 100 zu 85 Stimmen bei 2 Enthaltungen für die Ratifizierung ausgesprochen. Die Konvention verpflichtet die Staaten, den Schutz der Landschaft sowie deren Pflege, Planung und Entwicklung zu berücksichtigen. Obwohl keine Gesetzesanpassungen nötig sind, befürchten die Gegner aus den Reihen der SVP, FDP und CVP unwillkommene Folgen.
- PRÄVENTION: Der Nationalrat hat am Donnerstag die inhaltlichen Differenzen beim Präventionsgesetz ausgeräumt. Das Gesetz geht dennoch zurück an den Ständerat, weil dieser bei der letzten Debatte die Ausgabenbremse nicht gelöst hatte. Im Ständerat ist das Präventionsgesetz äusserst umstritten. Mit Stichentscheid des Präsidenten hatte der Rat entschieden, überhaupt auf die Vorlage einzutreten. Die Nationalratskommission zeigte sich in der Folge kompromissbereit und kam dem Ständerat in verschiedenen Punkten entgegen. Uneinig waren sich die Räte unter anderem bei der Höhe des Präventionszuschlags auf den Krankenkassenprämien. Der Bundesrat hatte die Obergrenze bei 0,125 Prozent der durchschnittlichen Jahresprämie festsetzen wollen. Der Nationalrat senkte die Grenze auf 0,1 Prozent, der Ständerat auf 0,075. Nun ist der Nationalrat dem Ständerat gefolgt.
- PFERDEHALTUNG: Die Pferdehaltung in der Landwirtschaftszone soll erleichtert werden. Der Nationalrat hat eine Parlamentarische Initiative von Christophe Darbellay (CVP/VS) mit 149 zu 22 Stimmen bei 5 Enthaltungen genehmigt. Landwirte sollen künftig zum Beispiel die Möglichkeit haben, auch fremde Pferde aufzunehmen sowie mit der Pferdehaltung verbundene Bauten und Anlagen wie Reitplätze zu errichten. CVP-Präsident Darbellay und 54 Mitunterzeichner hatten ihr Anliegen mit der sozialen und wirtschaftlichen Bedeutung der Pferdezucht begründet. Die Vorlage geht nun in den Ständerat. Ein Nichteintretensantrag der Grünen wurde mit 160 zu 8 Stimmen abgelehnt. Die Partei kritisierte, dass das Thema aus der laufenden Raumplanungsgesetz-Revision herausgelöst wird.
- VETORECHT: Das Parlament soll zu bundesrätlichen Verordnungen ein Veto einlegen können, wenn es der Meinung ist, die Regierung habe den Willen des Gesetzgebers nicht korrekt wiedergegeben. Der Nationalrat hat am Donnerstag einer Parlamentarischen Initiative der SVP-Fraktion mit 127 zu 34 Stimmen Folge gegeben. Nun geht die Initiative in den Ständerat. Das Begehren verlangt, dass die eidgenössischen Räte zu den Verordnungen des Bundesrats ein einfaches Veto - ohne Möglichkeit der Abänderung - einlegen können, wenn dies von einem Viertel der Mitglieder beider Räte verlangt wird und die einfache Mehrheit beider Räte diesem Antrag zustimmt.
- DATENSCHUTZ: Der Bundesrat muss die Schaffung einer neutralen Clearingstelle für den Datenaustausch zwischen Spitälern und Versicherern prüfen. Der Nationalrat hat ein entsprechendes Postulat seiner Gesundheitskommission überwiesen. Der Bundesrat stellte sich nicht gegen den Auftrag. Er kündigte aber an, gleichzeitig die Erfahrungen mit den Datenannahmestellen auszuwerten, die Versicherer schaffen müssen. Eine mögliche neutrale Clearingstelle und die Datenannahmestellen der Versicherer sollen dann verglichen werden, wie Gesundheitsminister Alain Berset sagte. Der Bundesrat hatte im Sommer beschlossen, die Versicherer zur Schaffung von Datenannahmestellen zu verpflichten. Dies soll den Datenschutz verbessern.
- HAUSARZTMEDIZIN: Der Nationalrat hat diskussionslos beschlossen, die Behandlungsfrist für die Hausartz-Initiative zu verlängern. Die Frist läuft am 1. Oktober ab. Eine Fristverlängerung sei notwendig, um genügend Zeit zu haben für die Beratung der Initiative, des direkten Gegenvorschlags sowie einer Motion zum selben Thema, hatte die vorberatende Kommission argumentiert.
Der Ständerat in Kürze
(sda) NACHRICHTENLOSE VERMÖGEN: Nachrichtenlose Vermögen auf Konten von Schweizer Banken sollen nach 50 Jahren ohne Nachricht liquidiert werden können. Nach dem Nationalrat hat auch der Ständerat die Gesetzesänderung mit 39 zu 0 Stimmen genehmigt. Noch ist aber unklar, wie lange Erben einen Anspruch auf die Gelder erheben können. Der Nationalrat will den Konto-Inhabern nach der Kontoauflösung nochmals 50 Jahre lang einen Rechtsanspruch auf die Gelder gewähren. Erst dann würde das Geld an den Bund fliessen. Dem Ständerat ist dies zu lang. Er lehnte deshalb den 50-Jahre-Rechtsanspruch nach der Vermögensauflösung mit 29 gegen 12 Stimmen ab. Das Geschäft geht zurück in den Nationalrat.
- TOO BIG TO FAIL: Der Ständerat hat als erster Rat zwei Verordnungen zu schärferen Eigenmittelvorschriften für Banken ohne Gegenstimme mit einer Enthaltung genehmigt. Für Verordnungen ist in der Regel der Bundesrat zuständig. Bei der "Too-big-to-fail"-Vorlage verlangte das Parlament aber im vergangenen Herbst, dass es die Umsetzung in der Eigenmittel- und Bankenverordnung genehmigen muss. Das Parlament wollte damit die Kontrolle behalten über die Festlegung der Prozentsätze der Eigenmittel, welche Banken halten müssen. Festgelegt ist nun eine Leverage Ratio von 4,56 Prozent. Nach den Regeln sollen die Grossbanken UBS und CS gemessen an den risikogewichteten Aktiven bis zu 19 Prozent Eigenmittel halten. Es gilt eine Frist bis 2018.
- INSIDERHANDEL: Die schärferen Regeln gegen Insiderhandel sind noch nicht unter Dach und Fach. Der Ständerat hat an einer letzten Differenz zum Nationalrat festgehalten: Er lehnte eine vom Nationalrat beschlossene Erweiterung der Strafnorm ab. Konkret diskutierte der Ständerat darüber, ob Insiderhandel teilweise auch dann strafrechtlich geahndet werden soll, wenn die Tat begangen wurde, ohne dass jemand einen Vermögensvorteil erlangt hat. Der Ständerat lehnte dies mit 27 zu 15 Stimmen ab. Die kleine Kammer folgte damit dem Bundesrat, der die zusätzliche Verschärfung für unverhältnismässig hält. Mit dem revidierten Börsengesetz wird auch die Marktmanipulation an der Börse strenger geahndet.
- FINANZAUSGLEICH: Der Ständerat will vorläufig nichts am Neuen Finanz- und Lastenausgleich (NFA) ändern. Er hat mit 30 zu 10 Stimmen eine Standesinitiative aus Schwyz abgelehnt. Der Kanton Schwyz will das NFA-System überarbeiten, weil er unter der finanziellen Belastung leide. Die von der Schwyzer Regierung ausgearbeitete Standesinitiative sieht vor, dass die armen Kantone besser gestellt werden. Im Mittelfeld soll gleichzeitig eine so genannte neutrale Zone geschaffen werden, um die Geberkantone zu entlasten.
- BESCHAFFUNGEN: Der Ständerat hält nichts davon, im Beschaffungsrecht explizit zu regeln, dass Bietergemeinschaften und Subunternehmen von öffentlichen Ausschreibungen nicht ausgeschlossen werden können. Er lehnte eine Motion aus dem Nationalrat ab. Die gesetzlichen Grundlagen genüngten vollauf, hielt die Mehrheit fest. Die Praxis gehe schon in die Richtung der Motionsforderung. Es genüge, wenn der Bund seine Information für solche Gemeinschaften aktuell halte. Die Motionärin Sylvia Flückiger (SVP/AG) sah kleine und mittlere Unternehmen (KMU), die sich bei Ausschreibungen meist zusammenschliessen müssen, durch die heutigen Regeln diskriminiert.
Der Mittwoch, 12. September 2012 im Parlament
Der Nationalrat in Kürze
(sda) STEUERSTREIT: Die Schweiz soll bei Gruppenanfragen Amtshilfe leisten und so dazu beitragen, dass Steuersünder identifiziert werden können. Nach dem Ständerat hat sich am Mittwoch auch der Nationalrat dafür ausgesprochen, solche Anfragen zuzulassen. Gruppenanfragen gehören seit Mitte Juli zum OECD-Standard. Dies bedeutet, dass die Staaten auch dann Amtshilfe leisten müssen, wenn sich das Gesuch auf eine Gruppe von nicht einzeln identifizierten Personen bezieht, die sich durch ein bestimmtes Verhaltensmuster verdächtig gemacht haben. Im Schweizer Recht ist der neue Standard jedoch noch nicht verankert. Nun haben National- und Ständerat beschlossen, im Steueramtshilfegesetz die Gruppenanfragen nicht auszuschliessen. Das Gesetz ist bereit für die Schlussabstimmung.
- PAUSCHALBESTEUERUNG: Reichen Ausländer soll weiterhin die Pauschalbesteuerung offen stehen. Allerdings sollen Pauschalbesteuerte mehr bezahlen als heute, die direkten Bundessteuer und kantonalen Steuern sollen nämlich mit dem Siebenfache der Wohnkosten berechnet werden. Heute wird der fünffache Wert herangezogen. Mit 116 zu 54 Stimmen folgte der Nationalrat damit Bundesrat und Ständerat. Vergeblich hatte das links-grüne Lager moniert, mit der Pauschalbesteuerung würden die Rechtsgleichheit und der Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit verletzt. Wegen zwei Differenzen geht die Vorlage nochmals in den Ständerat.
- KAPITALANLAGEN: Anleger in der Schweiz dürften auch weiterhin nicht gleichwertigen Schutz wie Anleger in der EU geniessen. Der Nationalrat beschloss als Zweitrat zahlreiche Abstriche am Kollektivanlagengesetz (KAG). Das Gesetz soll die Schweizer Rechtslage mit der europäischen in Einklang bringen und damit den Marktzugang von Schweizer Vermögensverwaltern in der EU sichern. Gegen den Widerstand der Ratslinken setzte sich die bürgerliche Mehrheit mit ihren Vorschlägen durch: Der Nationalrat schuf zahlreiche Ausnahmeregelungen und schwächte die Aufsicht durch die Finanzmarktaufsicht (FINMA) ab. Der Nationalrat hiess das Gesetz in der Gesamtabstimmung mit 113 zu 62 Stimmen gut - SP und Grüne lehnten ab. Die Vorlage geht zurück in den Ständerat.
- STAATSSEKRETÄRE: Der Bundesrat kann künftig bei Bedarf vier bis sechs zusätzliche Staatssekretäre ernennen. Nach dem Ständerat hat sich am Mittwoch auch der Nationalrat, mit 107 zu 65 Stimmen, dafür ausgesprochen. Er will aber nicht, dass die Staatssekretäre den Bundesrat im Parlament vertreten dürfen. Am Montag hatte der Nationalrat eine Aufstockung des Bundesrats auf neun Mitglieder und ein zweijähriges Bundespräsidium abgelehnt. Zu diesen beiden Punkten muss sich nochmals der Ständerat äussern, ebenso zur Frage, ob die Staatssekretäre den Bundesrat an Kommissionssitzungen vertreten dürfen, so wie dies die kleine Kammer befürwortet hatte. Derzeit gibt es vier ständige Staatssekretäre.
- LANDWIRTSCHAFT: Der Nationalrat will, dass bestockte Weideflächen - auch bekannt als Wytweiden - nicht mehr der Wald-, sondern der Landwirtschaftszone zugerechnet werden. Eine parlamentarische Initiative von Laurent Favre (FDP/NE) mit diesem Inhalt befürwortete der Rat mit 88 zu 73 Stimmen und 5 Enthaltungen. Betroffen wären rund 87'000 Hektaren Weide, die teilweise bewaldet sind. Sie liegen je zur Hälfte im Jura- und im Alpenbogen. Mit der Umteilung sollen die Bauern einen monetären Anreiz für die weitere Nutzung erhalten, so dass die Weiden nicht ganz verwalden. Das Agrarbudget dürfte mit rund 1,5 Millionen Franken belastet werden. Die Gegner monierten, dass die Bauern für diese Flächen schon heute Zahlungen erhielten. Zudem könnte Kulturlandschaft verloren gehen. Die Initiative geht nun in den Ständerat.
Der Ständerat in Kürze
(sda) ASYLPOLITIK I: Der Ständerat will nicht, dass alle Asylsuchenden nur noch Nothilfe statt Sozialhilfe erhalten. Anders als der Nationalrat lehnte er ein reines Nothilfe-Regime mit 33 zu 9 Stimmen ab. Die heutigen Regeln verschärfen will aber auch die kleine Kammer. Nach dem Willen des Ständerates sollen Asylsuchende in jedem Fall weniger Sozialhilfe erhalten als andere Sozialhilfebezüger. Schon heute erhalten Asylsuchende in der Regel 30 Prozent weniger Sozialhilfe. Gemäss geltendem Gesetz ist dies jedoch nicht zwingend. Das Geschäft geht zurück in den Nationalrat.
- ASYLPOLITIK II: Renitente Asylsuchende sollen in speziellen Zentren untergebracht werden, und das schon bald: Nach dem Nationalrat hat sich auch der Ständerat dafür ausgesprochen, diese Massnahme für dringlich zu erklären. Wo diese besonderen Zentren eingerichtet werden sollen, ist allerdings noch offen. Auch weitere Massnahmen sollen rasch umgesetzt werden. Der Ständerat stimmte den dringlichen Gesetzesänderungen mit 26 zu 10 Stimmen bei 4 Enthaltungen zu. Dazu gehört auch, dass auf Schweizer Botschaften keine Asylgesuche mehr eingereicht werden dürfen. Ausserdem werden Wehrdienstverweigerer schon bald nicht mehr als Flüchtlinge anerkannt. Die Vorlage mit den dringlichen Massnahmen geht zurück an den Nationalrat. Die Räte dürften sie in dieser Session verabschieden. Die Vorlage zu den übrigen Massnahmen muss der Ständerat noch zu Ende beraten.
Der Dienstag, 11. September 2012 im Parlament
Der Nationalrat in Kürze
(sda) BILDUNG UND FORSCHUNG: Für die ETH, Universitäten, Fachhochschulen und weitere Bildungs- und Forschungseinrichtungen soll der Bund zwischen 2013 und 2016 knapp 26,4 Milliarden Franken aufwenden. Der Nationalrat stockte am Dienstag den geplanten Kredit um rund 300 Millionen Franken auf. Eine Erhöhung hatte der Ständerat in der Sommersession aus sparpolitischen Gründen mit knapper Mehrheit abgelehnt. Es stimmten jeweils ungefähr 105 Nationalräte für die Aufstockung, während 65 ablehnten. Die Nein-Stimmen stammten vor allem aus dem Lager der SVP, sowie von Teilen der FDP und CVP. Die Bundesräte Alain Berset (SP) und Johann Schneider-Ammann (FDP) verteidigten ihren Vorschlag vergeblich. Die Aufstockung verletze die Schuldenbremse, hielte sie fest.
- IMPFZWANG: Die Kantone sollen Impfungen für bestimmte Berufsgruppen für obligatorisch erklären können, sofern eine erhebliche Gefahr besteht. Dafür hat sich der Nationalrat im Rahmen der Revision des Epidemiegesetzes mit 88 zu 78 Stimmen ausgesprochen. Er folgte damit dem Bundesrat, dem Ständerat und der bürgerlichen Kommissionsminderheit. Nach wie vor uneinig sind sich National- und Ständerat in der Frage der Kostenverteilung für epidemiebedingte Vorkehrungen im internationalen Personenverkehr. Auch hier obsiegte die bürgerliche Kommissionsminderheit mit 89 zu 82 Stimmen, welche alle Kosten dem Bund übertragen will, da die entsprechenden Massnahmen im öffentlichen Interesse lägen. Mit diesem Entscheid besteht zum Ständerat eine letzte Differenz, weshalb die Vorlage nochmals in die kleine Kammer muss.
- ETH: Die ETH wird künftig nicht mehr alle ausländischen Interessierten für ihre Masterstudiengänge aufnehmen müssen. Der Nationalrat nahm stillschweigend einen Artikel an, welcher der EHT erlaubt, aus Kapazitätsgründen Studierende mit ausländischer Vorbildung für das Masterstudium und höhere Bachelor-Semester abzuweisen. Die Eignung der Kandidaten soll entscheiden, wer an der ETH studieren darf. Die Beschränkung ist definitiv, da der Ständerat ihr ebenfalls bereits zugestimmt hat.
- TABAK-DOSSIER: Der Bundesrat muss nach dem Willen des Parlaments "alles unternehmen", um den Export von in der Schweiz hergestellten Zigaretten in Nicht-EU-Staaten ohne Einschränkung zu ermöglichen. Diesem Auftrag in Form einer Motion stimmte der Nationalrat am Dienstag mit 108 zu 60 Stimmen zu. Die Schweiz verhandelt mit der EU derzeit über ein Abkommen über öffentliche Gesundheit. Zum Leidwesen der Schweizer Zigarettenhersteller hat die EU in diese Verhandlungen auch das Dossier Tabak aufgenommen, namentlich die Produktionsnorm "10-1-10" (10 mg Teer, 1 mg Nikotin, 10 mg Kohlenmonoxid). In der EU bildet diese Norm den Grenzwert für Zigaretten, die auf dem Gebiet der 27 Mitgliedstaaten konsumiert oder produziert werden. In der Schweiz hingegen gilt diese Norm zwar für Zigaretten, die hier konsumiert werden, nicht aber für deren Produktion und nicht für die Ausfuhr in Staaten ausserhalb der EU. Der Bundesrat soll nun sicherstellen, dass diese Exporte fortgesetzt werden können.
Der Ständerat in Kürze
(sda) ENTWICKLUNGSHILFE: Die Schweiz kann in den nächsten vier Jahren insgesamt 11,35 Milliarden Franken für Entwicklungszusammenarbeit ausgeben - pro Jahr rund eine halbe Milliarde mehr als heute. Mit 28 zu 11 Stimmen bei 4 Enthaltungen sagte der Ständerat deutlich Ja zu den beiden Krediten für Entwicklungshilfe und humanitäre Hilfe im Umfang von 8,945 Milliarden Franken. Die anderen beiden Rahmenkredite für wirtschafts- und handelspolitische Massnahmen sowie für die Zusammenarbeit mit osteuropäischen Staaten genehmigte er mit einem ähnlichen Stimmenverhältnis. Erfolglos hatte eine Minderheit aus FDP- und SVP-Ständeräten versucht, die vier Beträge um insgesamt 831 Millionen Franken zu kürzen. Der Nationalrat hatte die Kredite bereits im vergangenen Juni bewilligt.
- ASYLPOLITIK: Renitente Asylsuchende dürften schon bald in speziellen Zentren untergebracht werden. Die Idee, diese Massnahme für dringlich zu erklären, findet auch im Ständerat Anklang. Unumstritten ist sie aber nicht. Aus Sicht der Gegner sind die asylpolitischen Massnahmen kein Fall für Dringlichkeitsrecht: Dies zu beschliessen, wäre vollkommen unverhältnismässig und populistisch, befand Luc Recordon (Grüne/VD). Es brauche sehr gute Gründe dafür, das Referendumsrecht auszuhebeln. Verena Diener (GLP/ZH) erwiderte, es gebe eine juristische Seite, aber auch eine politische. Spezielle Zentren für Renitente seien politisch dringlich, denn der Unmut in der Bevölkerung sei gefährlich. Entscheiden wird der Ständerat am Mittwoch.
- AUSSENBEZIEHUNGEN: Das Parlament muss weiterhin ohne ständige Delegationen für den Empfang ausländischer Parlamentarierdelegationen auskommen. Der Ständerat hat die Forderung mit 22 zu 11 Stimmen fallen gelassen und somit eine Differenz zum Nationalrat beseitigt. Bereits einig waren sich beide Kammern darin, dass es neue Regeln für die Beziehungen des Parlaments mit internationalen Gremien und anderen Parlamenten braucht. Die entsprechende Revision der Verordnung der Bundesversammlung hatten National- und Ständerat gutgeheissen. Wegen anderer Differenzen geht das Geschäft zurück in den Nationalrat.
Der Montag, 10. September 2012 im Parlament
Der Nationalrat in Kürze
(sda) STAATSLEITUNGSREFORM: Die geplante umfassende Staatsleitungsreform wird zur Minireform. Der Nationalrat will weder den Bundesrat personell aufstocken noch ein zweijähriges Bundespräsidium einführen. Er hat die Staatsleitungsreform und das Bundesgesetz über die Reform der Regierungsorganisation mit 96 zu 77 respektive mit 113 zu 67 Stimmen abgeschrieben. Damit sind die Kernpunkte der Regierungsreform wohl chancenlos. Noch muss sich der Ständerat dazu äussern. Bessere Chancen könnte der Vorschlag haben, die Zahl der Staatssekretäre zu erhöhen. Diesen Teil der Reform verhandelt der Nationalrat am Mittwoch. Das Parlament diskutiert seit Jahren über eine Regierungsreform. Das Parlament hatte den Bundesrat 2004 damit beauftragt, ein neues Projekt vorzulegen.
- VERDECKTE ERMITTLUNG: In der Schweiz soll eine gesetzliche Grundlage für verdeckte Fahndung geschaffen werden. Ausserdem soll verdeckte Ermittlung enger umschrieben werden. Der Nationalrat hat einem entsprechenden Gesetz zugestimmt. Nicht regeln will der Rat die präventive Ermittlung und Fahndung: Für die Vorschriften bei Ermittlungen, die dazu dienen, eine Straftat zu verhindern, sollen die Kantone zuständig bleiben. Ein Teil des Rates wollte ins Gesetz schreiben, dass Polizei und Staatsanwaltschaft verdeckte Fahndung nicht nur bei Verdacht auf eine begangene Straftat anordnen können, sondern auch bei Verdacht auf eine bevorstehende. Der Rat lehnte dies jedoch ab. Die Vorlage geht nun an den Ständerat.
- VEREIDIGUNG: Zu Beginn der Herbstsession ist im Nationalrat Peter Schilliger vereidigt worden, der für den verstorbenen Otto Ineichen nachrückt. Der 53-jährige Schilliger hatte im Kanton Luzern den ersten Ersatzplatz auf der FDP-Liste besetzt. Der gelernte Sanitärzeichner ist Präsident der FDP im Kanton Luzern, Mitinhaber und Chef einer Firma für Haustechnik sowie Zentralpräsident des Schweizerischen Gebäudetechnikverbandes suissetec. Sein Kantonsratsmandat wird Schilliger niederlegen. Schilligers Vorgänger Otto Ineichen war während der Sommersession im Juni an seinem Wohnort Sursee einem Herzversagen erlegen.
- IT-AGENTUR: Der Nationalrat hat nichts gegen eine Schweizer Beteiligung an der europäischen Agentur für den Betrieb der Informationssysteme von Schengen und Dublin. Er fühlt sich jedoch über die finanziellen Auswirkungen zu wenig informiert, weshalb er die Vorlage stillschweigend an den Bundesrat zurückwies. Justizministerin Simonetta Sommaruga erinnerte daran, dass es sich lediglich um eine Zusammenführung des Betriebs bereits bestehender Systeme handelt, an denen die Schweiz schon heute beteiligt ist. Die Zurückweisung werde eine zeitliche Verzögerung ohne einen wirklichen materiellen Gewinn bringen. Trotzdem habe sie Verständnis für die Bedenken und werde die Rückweisung deshalb aus Respekt nicht bekämpfen. Es liege aber im Interesse der Schweiz, rasch zu handeln.
- LOHNGLEICHHEIT: Der Bundesrat soll im Gleichstellungsgesetz einen Kontrollmechanismus für Löhne einführen. Gegen den Widerstand von Bundesrätin Simonetta Sommaruga hat der Nationalrat am Montag eine CVP-Motion dieses Inhalts mit 87 zu 77 Stimmen und 11 Enthaltungen überwiesen. Nächstes Jahr feiert die Schweiz das 30-jährige Bestehen des Verfassungsartikels zur Gleichstellung von Mann und Frau. Doch immer noch verdienen Frauen weniger als Männer. Gemäss Studien beträgt der Unterschied bis zu einem Viertel. Das ist auch für Sommaruga kein akzeptabler Zustand. Sie möchte jedoch dem im März 2009 lancierten Lohngleichheitsdialog noch eine Chance geben. Hinter diesem stehen die Bundesverwaltung und die Dachorganisationen der Sozialpartner. So lange zuwarten wollte die Mehrheit des Nationalrats aber nicht, und der Vorstoss wurde überwiesen. Noch offen ist, wie der Ständerat darüber entscheiden wird.
- AUSWEISFOTOS: Die Polizei soll nach dem Willen des Nationalrats vollen Zugriff auf das Informationssystem Ausweisschriften (ISA) erhalten. Dort sind Fotos aus Ausweisen gespeichert. Im Gegensatz zum Grenzwachtkorps kann die Polizei die Fotos der Ausweisinhaber nicht einsehen. Das behindere die Arbeit der Polizei, hielt Motionärin Andrea Geissbühler (SVP/BE) fest. Justizministerin Simonetta Sommaruga gab zu bedenken, dass die Verwendung der Ausweisfotos zu Fahndungszwecken nach Bundesrats-, Parlaments- und Volksentscheiden ausdrücklich nicht zulässig sei. Der Nationalrat überwies die Motion mit 85 zu 82 Stimmen. Nun ist der Ständerat an der Reihe.
- SOMMERZEIT: Die Sommerzeit wird in der Schweiz nicht abgeschafft. Der Nationalrat hat eine Motion der Luzerner SVP-Nationalrätin Yvette Estermann mit 145 zu 23 Stimmen bei 6 Enthaltungen abgelehnt. Der Nationalrat will den Bundesrat auch nicht beauftragen, sich auf internationaler Ebene für die Abschaffung der Sommerzeit einzusetzen. Estermann referierte vergeblich über die Nachteile der heutigen Praxis. Millionen von Menschen litten jeweils an der Zeitumstellung, gab die SVP-Nationalrätin zu bedenken. Nachteulen könnten sich nur sehr schwer daran gewöhnen. Auch Kinder, Jugendliche und chronisch Kranke hätten grosse Mühe. Dass die Zeitumstellung gesundheitsschädigend sei, sei wissenschaftlich erwiesen. Justizministerin Simonetta Sommaruga warnte ihrerseits vor einer "Zeitinsel Schweiz".
- KINDERBETREUUNG: Grosseltern sollen keinen gesetzlich verankerten Anspruch auf angemessenen persönlichen Verkehr mit ihren Enkeln erhalten. Der Nationalrat hat eine Motion von Oskar Freysinger (SVP/VS) mit 125 zu 43 Stimmen bei 8 Enthaltungen abgelehnt. Auslöser für Freysingers Vorstoss war der Fall Rey-Bellet. Nach der Ermordung der Walliser Ex-Skirennfahrerin Corinne Rey-Bellet war deren Kind zunächst in Obhut der Grosseltern mütterlicherseits. Später habe der Vormund den Kontakt unterbunden, kritisierte Freysinger. Justizministerin Simonetta Sommaruga argumentierte, ein gesetzlicher Anspruch der Grosseltern wäre nicht sinnvoll, weil der Kontakt zu den Grosseltern nicht in jedem Fall im Interesse des Kindes sei.
- FEUERWAFFEN: Die Schweiz und Liechtenstein wollen dafür sorgen, dass der grenzüberschreitende Verkehr mit Feuerwaffen zwischen den beiden Ländern trotz der Schengen-Assoziierung Liechtensteins weiterhin nach vereinfachten Regeln abgewickelt werden kann. Dazu haben die beiden Länder einen Vertrag ausgehandelt. Der Nationalrat hat diesen nun oppositionslos gutgeheissen. Der Vertrag wird bereits vorläufig angewendet. Er legt fest, dass sich die zuständigen Behörden der beiden Staaten gegenseitig informieren, wenn Personen im anderen Staat Feuerwaffen erwerben oder Personen mit Feuerwaffen in den anderen Staat umziehen.
- JAHRESBERICHTE: Der Nationalrat hat Kenntnis genommen vom Bericht der Schweizer Delegation beim Parlamentarierkomitee der EFTA-Länder und für die Beziehungen zum Europäischen Parlament sowie vom Bericht der Delegation bei der Interparlamentarischen Union.
Der Ständerat in Kürze
(sda) NACHBARN KONSULTIEREN: Bei Grossprojekten mit grenzüberschreitenden Umweltauswirkungen soll die Schweiz weiterhin die Nachbarstaaten zurate ziehen. Nach dem Nationalrat hat am Montag auch der Ständerat einstimmig einer Ergänzung der Espoo-Konvention zugestimmt. Die Vorlage ist nun bereit für die Schlussabstimmung. Die Konvention verpflichtet die 45 Mitgliedstaaten dazu, die Nachbarländer bei Projekten zu konsultieren, die erhebliche grenzüberschreitende Umweltauswirkungen haben. Nun wurde die Liste der Projekte, bei denen die Nachbarn informiert werden müssen, ergänzt. So sollen etwa neu auch bei der Demontage eines AKWs die Nachbarn konsultiert werden oder beim Bau von Windkraftanlagen, Hochspannungsleitungen oder Schweinemastbetrieben.
- BILLAG-GEBÜHREN: Niemand soll künftig nach einem Umzug doppelt Radio- und TV-Gebühren zahlen müssen. Nach dem Nationalrat hat auch der Ständerat hat eine Motion, die eine entsprechende Gesetzesänderung verlangt, stillschweigend überwiesen. Wenn heute eine Person vergisst, der Billag ihren Umzug zu melden, muss sie unter Umständen zwei Mal Radio- und TV-Gebühren bezahlen - am neuen und am alten Wohnort. Dieses Problem dürfte sich allerdings bald von selbst erledigen: Der Bundesrat will nächstens eine Vorlage für ein neues Gebührensystem in die Vernehmlassung geben.
- ZWEITWOHNUNGEN: Der Ständerat will energetische Gebäudesanierungen von Zweitwohnungen nicht privilegiert fördern. Er lehnte eine entsprechende Motion des Ständerats René Imoberdorf mit 29 zu 8 Stimmen ab. Der Walliser CVP-Ständerat wollte mit dem Begehren ein Drittel der Gelder für die Gebäudesanierung aus dem Topf der CO2-Abgabe für touristische Zweitwohnungen reserviert werden. Zweitwohnungen seien oft schlecht isoliert und würden mit Öl oder Elektrizität statt erneuerbaren Energien geheizt, hielt Imoberdorf fest. Eine Sanierung lohne sich deswegen besonders. Bundesrätin Doris Leuthard erinnerte daran, dass die Unterstützung allen offen stehe. Eine Bevorzugung von Zweitwohnungen sei schwierig zu begründen.
- ÖKO-STEUER: Der Bund wird weiterhin keine Besteuerung von Autos nach ökologischen Kriterien vorschreiben. Der Ständerat hat eine entsprechende Motion ohne Gegenstimme abgelehnt. Luc Recordon (Grüne/VD) verlangte in der Motion, eine Abstufung der Motorfahrzeugsteuer nach der Umweltbelastung und Sicherheit der Fahrzeuge. Autos und Motorräder sollten nach einem tieferen Tarif besteuert werden, wenn sie umweltfreundlich und sicher sind. Besitzer von Benzinschleudern sollten mehr bezahlen. Die kleine Kammer wehrte sich gegen diese Einmischung in die Kantonshoheit. Der Bundesrat verwies zudem auf die Fortschritte in den Kantonen.
- GEWÄSSERSCHUTZ: Der Ständerat will nichts wissen von einem Pilotversuch, bei dem phosphat-haltigeres Abwasser in den nährstoffarmen Brienzersee geleitet würde. Die kleine Kammer lehnte mit 26 zu 12 Stimmen eine Motion von Werner Luginbühl (BDP/BE) ab. Mit dem versuchsweisen Verzicht auf die sogenannte Phosphatfällung in Abwasserreinigungsanlagen sollten mehr Nährstoffe in den See gelangen. Damit könnten sich die Wasserflöhe wieder stärker vermehren, was wiederum für die Felchen und damit für die Berufsfischer günstig wäre. Für die Gegner würde mit dem Versuch der Gewässerschutz ausgehebelt. Auch wenn es weniger Felchen gebe im Brienzersee, sei die Fisch-Diversität dadurch nicht gefährdet.
- ONLINE-ZEITUNGEN: Der Ständerat ist offen für die Förderung von Online-Zeitungen. Er hat stillschweigend ein Postulat des grünen Ständerats Luc Recordon (VD) angenommen. Der Bundesrat soll prüfen, wie reine Online-Zeitungen unterstützt werden können, ohne deren Unabhängigkeit zu tangieren. Der Vorstoss rennt offene Türen ein: Zurzeit lässt der Bundesrat im Auftrag des Parlaments eine Gesamtschau der schweizerischen Medienlandschaft sowie ein Förderkonzept zur Stärkung der staats- und demokratiepolitischen Bedeutung der Medien erstellen. Bei der Ausarbeitung des Förderkonzept wird sich der Bundesrat auch mit den Online-Medien auseinandersetzen.
- POST-INITIATIVE: Die Post-Initiative der Gewerkschaften ist definitiv vom Tisch. Die Initianten zogen das Begehren wie angekündigt zurück. Die Volksinitiative wäre auf dem Tagesprogramm des Ständerats gestanden. Das Rückzugsschreiben traf kurz vor der Sitzung ein, so das es gar nicht erst zur Debatte kam. Ständeratspräsident Hans Altheer informierte den Rat unter Berufung auf die Bundeskanzlei über den Rückzug. Die Initianten sehen ihre Forderungen in der neuen Postgesetzgebung weitgehend erfüllt.