Die Arbeiten der Kommission für Rechtsfragen des Ständerates zum neuen Strafprozessrecht kommen zügig voran. Die Kommission will ihre Beratungen zu dieser umfangreichen Vorlage bis zur Wintersession 2006 abgeschlossen haben.

Haupttraktandum der Sitzung der Kommission für Rechtsfragen des Ständerates war die Vorlage für eine neue schweizerische Strafprozessordnung (05.092; Vorlage 1). Die Kommission folgte im Wesentlichen den Vorschlägen des Bundesrates. Das Konzept des „Anwalts der ersten Stunde" sowie die Ausgestaltung des Strafbefehlsverfahrens und die Einführung eines abgekürzten Verfahrens werden an der nächsten Sitzung nochmals vertieft geprüft.

Die Änderungen, die die Kommission bereits an der Vorlage angebracht hat, wurden im Hinblick auf eine Verbesserung der Effizienz der Verfahren vorgenommen, so beispielsweise bei der Durchführung der gerichtlichen Hauptverhandlung. Die Kommissionsmehrheit beantragt auch, dass auf die Regelung verzichtet werden soll, wonach die Aussagen einer einvernommenen Person in der Sprache zu protokollieren sind, in der sie ausgesagt hat (Art. 76). Sie ist der Meinung, dass die Rechte der Parteien, insbesondere jene der Verteidigung, ausreichend gewährleistet sind durch die Verpflichtung, eine Übersetzerin oder einen Übersetzer beizuziehen, wenn eine am Verfahren beteiligte Person die Verfahrenssprache nicht gut genug versteht (Art. 66). Eine Minderheit ist der Ansicht, dass wesentliche Aussagen soweit möglich in der Sprache, in der die einvernommene Person ausgesagt hat, zu protokollieren sind.

Ausserdem beantragt die Kommission, auf gewisse zu detaillierte Regelungen, wie beispielsweise zur Fesselung, zu verzichten (Art. 211). Die Kommissionsmehrheit ist der Meinung, dass hier der allgemeine Grundsatz der Verhältnismässigkeit als Massstab für die Polizeiarbeit ausreichen muss und dass das Gesetz nicht alle Einzelheiten regeln darf. Eine Kommissionsminderheit spricht sich für diese Regelung aus, um eine einheitliche Anwendung in allen Kantonen zu gewährleisten.

Was das Zeugnisverweigerungsrecht der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte anbelangt, folgt die Kommissionsmehrheit dem Bundesrat und beantragt, dass die Anwältinnen und Anwälte, insbesondere wenn sie von ihren Klienten von der Geheimnispflicht entbunden worden sind, grundsätzlich aussagen müssen (Art. 168). Eine Kommissionsminderheit befürwortet eine Regelung, die die Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte nicht verpflichtet, Informationen bekannt zu geben, die ihnen anvertraut worden sind.

Ferner sprach sich die Kommission dafür aus, dass ein Strafverfahren auch dann fortgeführt werden soll, wenn die Person, welche die Klage eingereicht hat, nicht mehr als Klägerin auftreten will (Art. 118 Abs. 3). Für die Kommission gibt es viele Situationen, zum Beispiel bei Kaufhausdiebstählen, in denen das Strafverfahren von Amtes wegen fortgesetzt werden sollte, auch wenn der Kläger bzw. die Klägerin nicht mehr als Partei auftritt.

Schliesslich beantragt die Kommission, dass Entscheide über die Anordnung der Untersuchungs- oder der Sicherheitshaft in jedem Fall anfechtbar sind. Der Entwurf des Bundesrates sah diese Möglichkeit nur für Fälle vor, in denen die Haft drei Monate gedauert hat (Art. 221).

Im Weiteren hat die Kommission einstimmig beschlossen, auf eine Vorlage zur Änderung des Urheberrechtsgesetzes und zur Genehmigung von zwei Abkommen der Weltorganisation für geistiges Eigentum (WCT und WPPT) (06.031 s Urheberrecht. Übereinkommen) einzutreten. Ziel dieser Vorlage ist es, das Urheberrecht und die verwandten Schutzrechte an die digitalen Technologien anzupassen und die Standards der beiden Abkommen ins Landesrecht zu übertragen. Die Kommission hat beschlossen, Anhörungen durchzuführen, bevor sie die Detailberatung aufnimmt.

Ebenfalls einstimmig hat die Kommission einen Entwurf zur Änderung des Bundesgesetzes über das Internationale Privatrecht angenommen, dem der Nationalrat in der Junisession 2006 zugestimmt hatte (02.415 Pa. Iv. Änderung von Artikel 186 des Bundesgesetzes über das Internationale Privatrecht (Claude Frey)). Der Entwurf sieht vor, dass das Schiedsgericht unabhängig von einem zum gleichen Streitgegenstand zwischen den gleichen Parteien vor einem anderen Gericht hängigen Klage über seine Zuständigkeit entscheidet.

Schliesslich genehmigte die Kommission ohne Gegenstimme die Änderung des Bundesgesetzes über die Bundesstrafrechtspflege (06.034) betreffend Abgeltung ausserordentlicher Kosten kantonaler Organe bei ihrer Tätigkeit als gerichtliche Polizei des Bundes.

Die Kommission hat am 21., 22. und 23. August 2006 unter dem Vorsitz von Ständerat Franz Wicki (CVP/LU) und teilweise im Beisein von Bundesrat Christoph Blocher in Bern getagt.

Bern, 24.08.2006    Parlamentsdienste