Im Januar 2010 hatte die Kommission eine Subkommission damit beauftragt, die Möglichkeiten zur Umsetzung zweier parlamentarischer Initiativen zur Verfassungsgerichtsbarkeit zu prüfen (05.445 Pa. Iv. Verfassungsgerichtsbarkeit; 07.476 Pa. Iv. Bundesverfassung massgebend für rechtsanwendende Behörden). Gestützt auf die Vorarbeiten der Subkommission, trat die Kommission mit 16 zu 8 Stimmen bei 1 Enthaltung auf den Entwurf zu einem Bundesbeschluss über die Änderung der Bundesverfassung (BV) ein. Eine Kommissionsminderheit ist gegen die Schaffung einer Verfassungsgerichtsbarkeit für Bundesgesetze und sprach sich deshalb gegen das Eintreten auf die Vorlage aus. Die Kommission beantragt mit 22 zu 2 Stimmen bei 2 Enthaltungen die Aufhebung von Artikel 190 BV, wodurch die dort verankerte Beschränkung der Normenkontrolle für Bundesgesetze hinfällig würde. Bundesgesetze könnten dann wie Verordnungen des Bundes und kantonale Erlasse von allen Behörden bei der Anwendung im konkreten Fall auf ihre Vereinbarkeit mit der Bundesverfassung und dem Völkerrecht überprüft werden. Prüfungsmassstab wäre in erster Linie die gesamte Bundesverfassung. Das Bundesgericht würde also im Unterschied zu heute auch Grundrechten, die nicht durch das Völkerrecht garantiert sind, und Verfassungsbestimmungen über die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Kantonen im Konfliktfall Vorrang vor einem Bundesgesetz einräumen. Eine Minderheit möchte am aktuellen Inhalt von Artikel 190 BV festhalten und lediglich den Grundsatz einschränken, wonach Bundesgesetze selbst bei Verfassungswidrigkeit für die Behörden massgebend sind. Die Behörden müssten dann keine Bundesgesetze mehr anwenden, die ein Grundrecht der Bundesverfassung oder eine Menschenrechtsgarantie des Völkerrechts verletzen. Die Kommission wird an ihrer nächsten Sitzung einen erläuternden Bericht verabschieden und dann das Vernehmlassungsverfahren eröffnen.
10.443 Pa.Iv. Indirekter Gegenentwurf zur Volksinitiative "gegen die Abzockerei"
08.080 Gegen die Abzockerei. Volksinitiative
Der Ständerat hat in der Wintersession 2010 zwei Vorlagen zur Änderung des Obligationenrechts und weiterer Bundesgesetze als indirekten Gegenvorschlag zur Volksinitiative „gegen die Abzockerei“ verabschiedet. Vorlage 2 unterscheidet sich von Vorlage 1 darin, dass sie – zusätzlich zu den Bestimmungen der Vorlage 1 – aktien- und steuerrechtliche Bestimmungen für den Anteil von Vergütungen, welcher 3 Millionen Franken übersteigt (sog. „sehr hohe Vergütungen“), enthält. Mit 13 zu 13 Stimmen und Stichentscheid der Kommissionspräsidentin ist die Kommission des Nationalrates nun auf Vorlage 2 eingetreten. Mit dem gleichen Stimmenverhältnis hat sie beschlossen, auf Vorlage 1 nicht einzutreten. Die Kommission hat die Detailberatung aufgenommen und wird diese an ihrer nächsten Sitzung fortsetzen. Über das Ergebnis der Detailberatung wird sie nach deren Abschluss informieren.
Zudem hat die Kommission einstimmig beschlossen, die Differenzen in Bezug auf den direkten Gegenentwurf sowie die Abstimmungsempfehlung zur Volksinitiative „gegen die Abzockerei“ erst nach Abschluss der Differenzbereinigung zum indirekten Gegenvorschlag zu beraten.
06.490 Pa.Iv. Mehr Schutz der Konsumentinnen und Konsumenten. Änderung von Artikel 210 OR
Die Kommission hat Kenntnis genommen von den Ergebnissen der Vernehmlassung, welche im Sommer 2010 durchgeführt wurde. Der Bericht über die Vernehmlassungsergebnisse ist auf der Website der Kommission abrufbar.
Einstimmig hat die Kommission eine Änderung des Obligationenrechts angenommen, welche eine Verjährungsfrist von grundsätzlich zwei Jahren für Gewährleistungsansprüche aus Kauf- und Werkvertrag über eine bewegliche Sache bzw. ein bewegliches Werk vorsieht. Eine Frist von fünf Jahren soll allerdings für entsprechende Ansprüche wegen Mängeln der beweglichen Sache gelten, die bestimmungsgemäss für ein unbewegliches Werk verwendet worden ist und dessen Mangelhaftigkeit verursacht hat. Gleiches gilt für das bewegliche Werk, welches diese Voraussetzungen erfüllt. An der fünfjährigen Frist für unbewegliche Werke bzw. den Grundstückkauf ändert nichts. Vereinbarungen über Aufhebung oder Beschränkung der zweijährigen Frist in Kaufverträgen zwischen Gewerbetreibenden und Konsumenten sollen ungültig sein, wobei jedoch die Frist bei gebrauchten Sachen auf ein Jahr verkürzt werden darf (= Vorentwurf Variante 1). Damit soll neben der von Nationalrätin Susanne Leutenegger Oberholzer eingereichten parlament-arischen Initiative 06.490 gleichzeitig auch die von Ständerat Hermann Bürgi eingereichte parlamentarische Initiative „Änderung der Verjährungsfrist im Kaufrecht. Artikel 210 OR“ (07.497) umgesetzt werden.
10.417 Pa.Iv. Lüscher. Militärstrafprozess. Ausdehnung der Rechte der Geschädigten
Ohne Gegenstimmen hat die Kommission der parlamentarischen Initiative Folge gegeben. Die Initiative verlangt, dass der Militärstrafprozess so geändert wird, dass das Opfer und seine Angehörigen als Privatklägerschaft auftreten und alle Parteirechte ausüben können, und zwar unabhängig davon, ob sie legitimiert sind, gegen die angeschuldigte Person zivilrechtliche Ansprüche geltend zu machen.
09.514 n Pa.Iv. Teuscher. Sexuelle Belästigung wirksam bekämpfen
Die Kommission hat die Initiative vorgeprüft und beantragt mit 15 zu 8 Stimmen bei einer Enthaltung, ihr keine Folge zu geben. Die Mehrheit der Kommission sieht Schwierigkeiten bei der praktischen Umsetzung einer Anlaufstelle, welche jedes Unternehmen bezeichnen müsste. Insbesondere für Kleinstbetriebe sei dies unverhältnismässig. Ausserdem könne sich die zivilrechtliche Beweislasterleichterung präjudizierend auf ein allfälliges Strafverfahren auswirken. Die Kommissionsminderheit unterstützt die Initiative und geht von deren präventiven Wirkung aus.
10.3491 s Motion Ständerat (Lombardi). Anerkennung der Verdienste von Oberst Mario Martinoni bei den Ereignissen von Chiasso vom 28. April 1945
Die Kommission beantragt ohne Gegenstimme, diese Motion anzunehmen. Der Nationalrat hatte bereits am 1. Oktober 2010 ebenfalls ohne Gegenstimme eine von Nationalrat Norman Gobbi eingereichte Motion gleichen Inhalts angenommen. Die Motion beauftragt den Bundesrat, offiziell anzuerkennen, dass Oberst Martinoni bei der Kapitulation der Deutschen eine vermittelnde Rolle eingenommen und somit grosse Verdienste bei der Rettung der Stadt Chiasso und ihrer Bevölkerung hat. Der Bundesrat hat sich in seiner Antwort vom 1. September 2010 bereit erklärt, die Motion entgegenzunehmen.
Schliesslich stimmt die Kommission der Änderung zu, die der Ständerat am Text der Motion 08.3709 Mo. Nationalrat (Aubert). Schutz des Kindes vor Misshandlung und sexuellem Missbrauch vorgenommen hat.
Die Kommission hat am 20. und 21. Januar 2011 unter dem Vorsitz von Nationalrätin Anita Thanei (SP, ZH) in Bern und teils in Anwesenheit von Bundesrätin Simonetta Sommaruga getagt.
Bern, 21. Januar 2011 Parlamentsdienste