Die Finanzkommissionen haben am 1. Juli ihr finanzpolitisches Seminar im Kanton Thurgau abgehalten. Thema war das «Unternehmertum in der Landwirtschaft». Ziel war es, einen Überblick über verschiedene Ansätze unternehmerischen Handelns in der Landwirtschaft zu erhalten und die dafür notwendigen Rahmenbedingungen auszuloten.

​Die Finanzkommissionen sind in ihrer Funktion als Aufsichtskommissionen für die Überwachung des Bundeshaushalts zuständig. Dies umfasst auch die Zuteilung der Bundesmittel im Bereich der Landwirtschaft. Zwar sind die Landwirtschaftsausgaben seit Jahren stabil. Dennoch gilt es - wie in allen Bereichen - diese öffentlichen Mittel zweckmässig, wirtschaftlich und wirksam einzusetzen.

Gleichzeitig ist die Landwirtschaft zum Teil auch konfrontiert mit der Aussage, sie hänge am «Tropf» des Staates. Grund hierfür ist nicht zuletzt auch die Ausgestaltung der Agrarpolitik und ihre Umsetzung im Vollzug. Die Finanzkommissionen haben daher entschieden, sich im Rahmen ihres diesjährigen finanzpolitischen Seminars mit der Frage auseinanderzusetzen, was die Agrarpolitik – aber eben nicht nur diese – für den Landwirt leisten kann, um die bestehenden Abhängigkeiten zu vermindern und das Unternehmertum in der Landwirtschaft zu stärken. Dabei ging es nicht nur um die Nachbesserung bestehender und mitunter breit bekannter Konzepte. Vielmehr sollte durch einen innovativeren Ansatz – auch mit Blick auf sehr unterschiedliche unternehmerische Ausgestaltungen in den einzelnen landwirtschaftlichen Betrieben und unter Einbezug anderer Wirtschaftszweige – über den Tellerrand geschaut werden, um für die Landwirtschaft und ihre Agrarpolitik insgesamt Lehren zu ziehen.

Es wurden Referate aus der landwirtschaftlichen Praxis, vom Bundesamt für Landwirtschaft, von landwirtschaftlichen Beratungsstellen einzelner Kantone und dem Ausland, von einzelnen Vertretern anderer Wirtschaftszweige sowie auch aus der Wissenschaft gehört. Dabei war es ein erklärtes Ziel, der landwirtschaftlichen Praxis ein besonderes Gehör zu verschaffen und sie ihre Erfahrungen und Bedürfnisse formulieren zu lassen.

Zunächst erläuterte die Bundesverwaltung die Rahmenbedingungen, die die Agrarpolitik dem landwirtschaftlichen Unternehmertum bietet. Zum einen ging es dabei um die Förderung des Unternehmertums und der Innovation seitens des Bundes im Rahmen der Agrarpolitik 22+, zum anderen wurde insbesondere auf die Rolle des Bundes bei Berufsbildung und Beratung eingegangen. Dabei wurde herausgestrichen, dass das Unternehmertum ein wichtiger Aspekt der Agrarpolitik ist und es in Zukunft noch verstärkt sein wird.

Anschliessend wurden Einblick in die landwirtschaftliche Praxis vermittelt und hierbei aufzeigt, wie Unternehmertum vor allem in Familienbetrieben, die noch in der Landwirtschaft im traditionellen Sinne verankert sind und dabei dennoch den Blick für Innovatives besitzen, gelebt werden kann. Es wurde festgestellt, dass eine höhere Wertschöpfung innerhalb der Primärproduktion in der Effizienzsteigerung und darüber hinaus durch Veredelung gesucht werden muss. Hier bieten die agrar- und raumplanungspolitischen Rahmenbedingungen noch nicht genügend unternehmerischen Freiraum. Auch hinsichtlich der Finanzierung von landwirtschaftlichen Startups analog der übrigen Wirtschaft besteht noch erheblicher Handlungsbedarf.

Im Weiteren wurde der Frage nachgegangen, wie die Kantone im Rahmen der Bildung und Beratung der Landwirte auf den unternehmerischen Aspekt eingehen sowie die Marktfähigkeit der Landwirtschaftsbetriebe stärken und welchen Herausforderungen sie dabei ausgesetzt sind – auch aufgrund der bestehenden Agrarpolitik. Vergleichend wurde dabei das Erfolgsmodell in Irland herangezogen.

Und schliesslich erlaubte ein Blick in andere Wirtschaftsbereiche Vergleiche zur Landwirtschaft im Hinblick auf staatliche Unterstützung und Eigeninitiative zu werfen.

Als Fazit halten die Finanzkommissionen fest, dass es zwar auch weiterhin staatlicher Unterstützung in Form von Direktzahlungen braucht, und zwar nicht zuletzt, um gemeinwirtschaftliche Leistungen abzugelten und die höheren Produktionskosten gegenüber dem Ausland abzufedern. Dennoch sollte die Landwirtschaft und ihre Politik ihren Sonderstatus lockern und sich - zum Beispiel im Bildungsbereich - der übrigen Wirtschaft annähern. Hier wäre weniger mehr, um unternehmerischen Freiraum zu schaffen.

Es besteht insbesondere noch politischer Handlungsbedarf im Hinblick auf Innovationsförderung sowie eine Forschung, die den Landwirten primär unterstützend zur Seite steht. Den anstehenden Herausforderungen lässt sich nicht allein durch Direktzahlungen begegnen, sondern durch unternehmerische Freiräume und entsprechende Finanzierungsmöglichkeiten. Diese Kriterien sollten in Zukunft in der agrar- und finanzpolitischen Debatte verstärkt Beachtung finden.

Im Nachgang zum FPS ist eine Publikation der Thematik unter Einbezug der Referate geplant.