Die Geschäftsprüfungsdelegation (GPDel) hat ihren Inspektionsbericht zum Fall «Daniel Moser» am 13. März 2018 verabschiedet und dem Bundesrat zugestellt. Den Bericht ohne die geheim klassifizierten Inhalte hat sie den Geschäftsprüfungskommissionen (GPK) beider Räte überwiesen, mit dem Antrag, diesen zur Veröffentlichung freizugeben. An einer gemeinsamen Sitzung haben die GPK heute der Veröffentlichung zugestimmt.

​Am 28. April 2017 wurde Daniel Moser, eine ehemalige Quelle des Nachrichtendienstes des Bundes (NDB), in Frankfurt am Main wegen Verdachts der Spionage verhaftet. Amt 24. Mai 2017 beschloss die Geschäftsprüfungsdelegation (GPDel), die Hintergründe des Falles und die Rolle des NDB, des Bundesrates sowie der Bundesanwaltschaft im Rahmen einer Inspektion zu untersuchen.

Die Auslandbeschaffung des NDB führte Daniel Moser als rekrutierte Quelle von Juli 2010 bis Ende Mai 2014. Der letzte Kontakt zwischen ihm und dem NDB fand im Februar 2014 statt. Von Interesse sind insbesondere die folgenden zwei Aufträge des NDB:

1. Beschaffung von Personalien von drei deutschen Steuerfahndern

Am 28. Juni 2011 übernahm Daniel Moser den Auftrag, ergänzende Personalien von drei Steuerfahndern des deutschen Bundeslandes Nordrhein-Westfalen (NRW) zu beschaffen, gegen welche die Bundesanwaltschaft (BA) und die Bundeskriminalpolizei (BKP) im Rahmen des Strafverfahrens EISBEIN (Datendiebstahl bei der Credit Suisse CS) ermittelten. Die BKP hatte den NDB im Januar 2011 um zusätzliche Angaben zu den Personalien der Verdächtigen gebeten, nachdem von Deutschland aus politischen Gründen auf dem Rechtshilfeweg keine Angaben erhältlich waren. Daniel Moser lieferte das mit Hilfe einer Subquelle in Deutschland ergänzte «Sudoku» seinem Führungsoffizier am 2. September 2011 ab. Der NDB übermittelte die Informationen am 9. September 2011 in Form eines Amtsberichts an die BKP, welchen sie am 19. September 2011 als Nachtragsbericht zu ihrem bereits erstellten Schlussbericht vom 26. Mai 2011 an die BA weiterleitete (Ziff. 2.2 des Berichts).

NDB-intern wurde die Informationsbeschaffung durch Daniel Moser so wahrgenommen, dass diese «die Grundlage für eine allfällige Strafuntersuchung» gegen die deutschen Steuerfahnder darstellte. Über seine Vorgesetzten erhielt der Führungsoffizier dafür ein Lob des Direktors NDB. In diesem Sinne informierte der NDB auch den Vorsteher des VBS zu Händen des Gesamtbundesrates (Ziff. 2.3). Demgegenüber kommt die Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft (AB-BA) in ihrem Untersuchungsbericht vom 5. Februar 2018 zum Schluss, dass die «zusätzlichen Angaben» des NDB «für die eigentliche Strafuntersuchung nicht von ausschlaggebender Bedeutung» war, da die Identität der Beamten auch ohne diese Zusatzangaben bekannt war (Ziff. 3.9).

Nach Überprüfung der Auftragserteilung durch den NDB und deren rechtliche Grundlagen gelangt die GPDel zu folgenden Schlüssen:

Nach dem damals geltenden Bundesgesetz über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit (BWIS) war der NDB grundsätzlich befugt, zur Abwehr von Wirtschaftsspionage in Deutschland bei einer Quelle Informationen über die deutschen Steuerfahnder abzuschöpfen. Hingegen hätte die Operation nicht durch die Auslandbeschaffung, sondern durch die Inlandbeschaffung durchgeführt werden müssen. Die Informationsbeschaffung erfolgte deshalb nicht in Übereinstimmung mit dem damals geltenden Recht (Ziff. 2.1, 3.1.3 und 3.2.1).

Wenn auch die Operation in der Durchführung zweckmässig und erfolgreich war, so waren die erzielten Resultate für das Strafverfahren letztlich irrelevant. Eine Nachfrage der BKP bei der BA hätte aufgezeigt, dass die BA auf die Ergänzung der Personalien der deutschen Steuerfahnder nicht angewiesen war. (Ziff. 3.4).

2. Informationsbeschaffung zum Vorgehen der deutschen Steuerbehörden

Im August 2012 erfuhr die Öffentlichkeit, dass die Steuerverwaltung von NRW in den Besitz von Bankkundendaten der UBS gelangt war. Daniel Mosers Führungsoffizier fragte ihn am 4. Dezember 2012 an, ob sein Netzwerk den Urheber des Datendiebstahls bei der UBS und seine deutschen Quellenführer identifizieren könne. Tags darauf wurde der Führungsoffizier mit Daniel Moser einig, dass dieser versuchen sollte, mit Hilfe seiner Subquelle ein Dispositiv aufzubauen, um die zukünftigen Angriffe der deutschen Behörden auf den Finanzplatz Schweiz rechtzeitig erkennen und verhindern zu können, und den Namen des Datendiebes zu eruieren. Die Subquelle veranschlagte dafür 90'000 Euro, davon 60'000 Euro als Vorauszahlung. Am 12. Dezember 2012 wurde dieser Auftrag an Daniel Moser vom Chef der Beschaffung des NDB bewilligt. Daniel Moser erhielt bis Mitte Januar 2013 die vollständige Vorauszahlung, konnte aber in den folgenden Monaten keine brauchbaren Resultate liefern. Im August 2013 teilte er mit, dass die Subquelle eine Person bei der Steuerverwaltung des Bundeslandes NRW eingeschleust habe, damit diese später in die Steuerfahndung wechseln könne. Für die weitere Umsetzung dieses Plans verlangte Daniel Moser noch die restlichen 30 000 Euro. Darauf ging der NDB nicht ein und teilte ihm am letzten Treffen im Februar 2014 mit, dass Zahlungen nur noch erfolgen würden, wenn er auch Informationen liefern könne. Als verschiedene Versuche des NDB, Daniel Moser erneut zu kontaktieren, scheiterten, wurde die Operation auf den 31. Mai 2014 eingestellt (Ziff. 2.2).

Die GPDel kommt in ihrer Beurteilung des Falles zum Schluss, dass die Inlandbeschaffung gemäss BWIS grundsätzlich im Rahmen der Abwehr von Wirtschaftsspionage hätte Informationen über die Absichten und das Dispositiv der deutschen Steuerbehörden zur Beschaffung von Informationen über deutsche Bankkunden bei Schweizer Banken bearbeiten dürfen. Eine aktive Informationsbeschaffung vor Ort im Ausland wäre jedoch nicht zulässig gewesen. Insbesondere wäre der NDB nicht befugt gewesen, über Daniel Moser einen Maulwurf in einer ausländischen Behörde platzieren zu lassen. Da der NDB spätestens im August 2013 von den konkreten Plänen zur Schaffung eines direkten Zugangs innerhalb der Steuerfahndung des Bundeslandes NRW erfuhr und letztlich immer noch von Daniel Moser konkrete Ergebnisse aus dieser Aktion erwartete, nahm der Dienst ein solches unrechtmässiges Vorgehen in Kauf. Allerdings konnte die GPDel beim NDB keine Belege für ein konkretes Tätigwerden der Subquelle finden (Ziff. 3.2.2).

Akteneinsicht im Strafverfahren gegen Daniel Moser in der Schweiz

Seit Januar 2015 führt die Bundesanwaltschaft (BA) gegen Daniel Moser ein Strafverfahren wegen des Verdachts, Schweizer Bankdaten in Deutschland verkauft zu haben. Bei seiner Einvernahme im Februar/März 2015 berichtete Daniel Moser ausführlich über seine Tätigkeit für den NDB. Die Einvernahmeprotokolle gelangten aufgrund der Akteneinsicht an den Mitbeschuldigten Werner Mauss, der diese an die deutschen Strafbehörden weiterleitete. Dies führte zur Verhaftung von Daniel Moser am 28. April 2017 in Frankfurt am Main und zu seiner Verurteilung am 9. November 2017 wegen Spionage für die Schweiz (Ziff. 4.1).

Die Frage, ob die BA die Akteneinsicht in die heiklen Einvernahmeprotokolle von Daniel Moser hätte einschränken sollen, wurde von der AB-BA untersucht. Sie kommt in ihrem Bericht zum Schluss, die Gewährung der Akteneinsicht an die Mitbeschuldigten von Daniel Moser sei nach den Bestimmungen der Strafprozessordnung sowie nach Lehre und Rechtsprechung nicht zu beanstanden.

Die GPDel ihrerseits stellt fest, dass der NDB untätig blieb, obwohl er schon vor der Festnahme Daniel Mosers am 2. Februar 2015 durch die BA über die bevorstehende Verhaftung informiert war und Daniel Moser ihm die Einvernahmeprotokolle zeitnah zu den Einvernahmen zukommen liess. Er nahm fälschlicherweise und in Verkennung der strafprozessualen Vorgaben an, die BA würde von sich aus dafür sorgen, dass die Aussagen Mosers zum NDB vertraulich behandelt würden (Ziff. 4.2).

Empfehlungen

Die GPDel hat im Zusammenhang mit den bekannt gewordenen Vorfällen die gesamte Führung von Daniel Moser als Quelle unter die Lupe genommen und dabei verschiedene Mängel der Quellenführung im NDB festgestellt (Ziff. 2.2 und 3.5). Zu deren Behebung richtet die GPDel 7 Empfehlungen an den NDB (Empfehlung 1 – 6 und 12).

Im Weiteren analysierte die GPDel im Rahmen dieser Inspektion die Spionageabwehr des NDB (Ziff. 3.6). Daraus leitet die GPDel eine Empfehlung an den Bundesrat ab (Empfehlung 7).
Zudem untersuchte die GPDel, wie das VBS und der NDB ihre Aufsichtspflichten über die Operationen und Quellenführungen wahrgenommen haben und wie die ND-Aufsicht des Departements funktionierte (Ziff. 3.7). In Empfehlung 8 verlangt die GPDel vom VBS, ein Konzept zu erstellen, wie der Direktor NDB innerhalb seines Dienstes für eine laufende Beurteilung der Operationen und Quellen sorgt.

Bei der Zusammenarbeit zwischen BKP und NDB im Rahmen von Strafverfahren verlangt die GPDel eine bessere Kommunikation und Koordination sowie eine regelmässige Berichterstattung an die Departementsspitze und an die GPDel (Empfehlungen 9 und 10). Schliesslich empfiehlt die GPDel den beiden Behörden NDB und BA eine angemessene gegenseitige Konsultation und Information (Empfehlungen 11 und 13).