Das System der nebenamtlichen Richterinnen und Richter an den eidg. Gerichten ist regelmässig Kritik ausgesetzt. Dabei steht insbesondere die Frage nach der Zweckmässigkeit des Einsatzes von nebenamtlichen Richterinnen und Richtern im Zentrum. Die Geschäftsprüfungskommissionen von National- und Ständerat (GPK) haben deshalb im Januar 2023 die parlamentarische Verwaltungskontrolle (PVK) mit einer Evaluation des Systems der nebenamtlichen Richterinnen und Richtern beauftragt. Gestützt auf die Erkenntnisse der PVK haben die Kommissionen an ihren Sitzungen vom 26. August bzw. 2. September 2025 verschiedene Schlussfolgerungen gezogen und den Bericht verabschiedet. Die GPK richten vier Empfehlungen an das Bundesgericht und die weiteren Gerichte der Eidgenossenschaft.
Vier eidgenössische Gerichte – vier verschiedene Systeme
Die einzelnen eidgenössischen Gerichte (Bundesgericht, Bundesverwaltungsgericht, Bundesstrafgericht und Bundespatentgericht) kennen ein unterschiedliches System der nebenamtlichen Richterinnen und Richter. So kommen etwa beim Bundespatentgericht nebenamtliche Richterinnen und Richter sehr häufig zum Einsatz, während dem beim Bundesverwaltungsgericht der Einsatz von nebenamtlichen Richterinnen und Richter nicht vorgesehen ist.
Unabhängige, effiziente und qualitativ gute Rechtsprechung
Im Zentrum der Abklärungen stand die Frage, ob die nebenamtlichen Richterinnen und Richter am jeweiligen Gericht zu einer effizienten, unabhängigen und qualitativ guten Rechtsprechung beitragen. Gestützt auf die Erkenntnisse der PVK kamen die GPK zum Schluss, dass diese Frage bejaht werden kann, auch wenn es zwischen den Gerichten Unterschiede gibt. Die GPK erkennen Handlungsbedarf insbesondere bei der fachlichen Einführung von nebenamtlichen Richterinnen und Richter sowie beim Angebot von passenden Weiterbildungsmöglichkeiten (Empfehlung 1).
Fehlende Regelung der Zuteilung und der Gründe für den Einsatz nebenamtlicher Richterinnen und Richter
Weiter hat die PVK auch den Aspekt der Einsatzhäufigkeit von nebenamtlichen Richterinnen und Richtern analysiert. Insgesamt gelangen die GPK auch hier zu einem positiven Fazit. Allerdings fordern die Kommissionen die Gerichte auf zu prüfen, ob das zahlenmässige Verhältnis zwischen ordentlichen und nebenamtlichen Richterinnen und Richtern im jeweiligen Spruchkörper im entsprechenden Reglement festgehalten werden sollte (Empfehlung 2). Weiter sollen die Gerichte dafür sorgen, dass die Zuteilung der nebenamtlichen Richterinnen und Richter an die Abteilung bzw. Kammer im Reglement geregelt ist und dabei auch die konkreten Gründe für deren Einsetzung genannt werden (Empfehlung 3).
Einführung von nebenamtlichen Richterinnen und Richtern am Bundesverwaltungsgericht
Die Evaluation der PVK hat gezeigt, dass nebenamtliche Richterinnen und Richter auch am Bundesverwaltungsgericht zweckmässig eingesetzt werden könnten, insbesondere um kürzere Belastungsspitzen entgegenzuwirken. So könnten etwa kurzfristige Ausfälle besser kompensiert werden. Der Entwurf des Bundesrates im Zusammenhang mit der Revision des Kartellgesetzes sieht diesbezüglich vor, das System nebenamtlicher Richterinnen und Richter zumindest teilweise auch am Bundesverwaltungsgericht einzuführen. Der Entwurf befindet sich derzeit in der Vernehmlassung. Deshalb äussern sich die GPK nicht zur Frage, ob das System von nebenamtlichen Richterinnen und Richtern auch am Bundesverwaltungsgericht eingeführt werden soll. Dies ist Sache der zuständigen Sachbereichskommissionen. Die GPK fordern das Bundesverwaltungsgericht jedoch auf darzulegen, wie es mittel- und langfristig die steigende Geschäftslast bewältigen will bzw. welche Massnahmen dafür ergriffen werden (Empfehlung 4).
Wahl der Richterinnen und Richter durch die vereinigte Bundesversammlung
Abschliessend kommen die GPK zum Schluss, dass bei der Beantwortung der vorliegenden Fragen der Wahl der Richterinnen und Richtern durch die vereinigte Bundesversammlung eine zentrale Bedeutung zukommt. So wurden beispielsweise in der Vergangenheit nicht immer diejenigen Richterinnen und Richter gewählt, welche die erforderlichen Kompetenzen mitbrachten. Dies trifft gerade auch für nebenamtliche Richterinnen und Richter zu. Die Kommissionen regen deshalb an, die Auswahlkriterien auf Gesetzesstufe zu verankern.
Parlamentarische Initiativen der PUK: Folge geben
Die Geschäftsprüfungskommissionen von National- und Ständerat haben die Vorprüfung der parlamentarischen Initiativen 24.473 und 24.474 vorgenommen. Die Parlamentarische Untersuchungskommission (PUK) hatte als gemeinsame Kommission beider Räte in jedem Rat eine gleichlautende parlamentarische Initiative eingereicht. Ziel der parlamentarischen Initiativen ist es, die Erfahrungen der PUK im Parlamentsgesetz abzubilden und verschiedene Anpassungen bzgl. der PUK-Regelungen vorzunehmen.
Beide GPK kamen zum Schluss, dass ein entsprechender Regelungsbedarf besteht. Sie haben somit den beiden parlamentarischen Initiativen Folge gegeben und beschlossen, dass die GPK-S die entsprechende Gesetzesvorlage ausarbeiten wird.
Die Geschäftsprüfungskommission des Ständerates hat am 26. August 2025 unter dem Vorsitz von Ständerat Charles Juillard (Die Mitte; JU), die Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates am 2. September 2025 unter dem Vorsitz von Nationalrat Erich Hess (SVP; BE) jeweils in Bern getagt.