Die Zusammenarbeit von Bund und Kantonen bei der Bewältigung der Covid-19-Pandemie wies positive und negative Aspekte auf. Auch dank dem gemeinsamen Handeln der Bundes- und Kantonsbehörden konnte die Schweiz die Krise insgesamt zufriedenstellend überstehen. Zu diesen Schlüssen gelangt die Geschäftsprüfungskommission des Ständerates (GPK-S) auf der Grundlage einer vertieften Analyse der Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen in der Pandemie. Die Kommission hat mehrere Mängel erkannt, die aufzeigen, dass Optimierungsbedarf besteht, insbesondere beim Einbezug der Kantone in die Krisenorganisation und bei der Aufgabenverteilung in der «besonderen Lage». Gestützt auf ihre Erkenntnisse hat die GPK-S dreizehn Empfehlungen formuliert und zwei Postulate beschlossen.

Die GPK-S stellt in ihrem heute veröffentlichten Bericht ​fest, dass die Zusammenarbeit von Bund und Kantonen bei der Pandemiebewältigung sowohl positive als auch negative Aspekte aufwies. Gemäss ihrer Einschätzung erfüllten die Bundesbehörden in diesem Bereich die Kriterien der Rechtmässigkeit, Zweckmässigkeit und Wirksamkeit weitgehend. Dennoch stiess die Zusammenarbeit mehrmals an ihre Grenzen: insbesondere beim Auftreten der Pandemie (Februar/März 2020), während der zweiten Welle (Oktober–Dezember 2020) und nach der Rückkehr zur normalen Lage (Sommer 2022). Die Kommission legt in ihrem Bericht ​die folgenden Aspekte dar, die der Verbesserung oder Klärung bedürfen.

Strukturen für die Zusammenar​​beit von Bund und Kantonen optimieren

Die GPK-S begrüsst, dass die Bundesbehörden mit den Kantonen während der gesamten Krise regelmässigen Kontakt auf Fachebene pflegten. Der Einbezug der Kantone in die Krisenorganisation des Bundes war nach Ansicht der Kommission hingegen nur teilweise angemessen. Das Fehlen klar definierter Ansprechstellen erschwerte die Weitergabe von Informationen. Nach Ansicht der Kommission sind in diesen Punkten Verbesserungen notwendig.

Die Kommission hält fest, dass sich der Bundesrat in Sachen politischer und strategischer Führung im Rahmen der Pandemiebewältigung um einen regelmässigen Kontakt zu den Kantonen bemühte, dass der Austausch mit diesen aber keiner klaren Leitlinie folgte. Sie begrüsst die Absicht des Bundesrates, die Zusammenarbeit in dieser Hinsicht zu verbessern, und erachtet es als notwendig, institutionalisierte regelmässige Treffen von Bundesrat und Kantonen in Krisenzeiten zu prüfen. Vor allem in der «besonderen Lage» ist eine bessere strategische Koordination notwendig. Die Kommission ersucht den Bundesrat zudem, die Zusammenarbeit zwischen den Departementen und den interkantonalen Konferenzen zu klären.

Kompetenzverteil​ung im Pandemiefall klären

Aus Sicht der GPK-S hat sich die im Epidemiengesetz (EpG) vorgesehene Kompetenzverteilung im Grossen und Ganzen bewährt. Die Kommission ist der Meinung, dass die Umsetzung der Aufgabenverteilung in der ausserordentlichen Lage (März bis Juni 2020) zweckmässig war, sieht die Zusammenarbeit in der besonderen Lage (Juni 2020 bis März 2022) jedoch deutlich kritischer. Das Fehlen eines gemeinsamen Verständnisses der Rollenverteilung hatte einen negativen Einfluss auf das Krisenmanagement beim Auftreten der zweiten Welle. Die GPK-S hält es für unerlässlich, die jeweiligen Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortlichkeiten klarer zu regeln, um sicherzustellen, dass die im EpG vorgesehene Verteilung in der Praxis funktioniert.

Die Kommission bedauert, dass sich Bund und Kantone nach der Rückkehr zur normalen Lage im April 2022 nicht über ihre jeweiligen Zuständigkeiten einigen konnten. In ihren Augen muss der Bundesrat daraus Lehren ziehen. Sie ersucht den Bundesrat insbesondere zu prüfen, im EpG eine zusätzliche Lage zu definieren.

Kantone besser in die schweizweiten Massnahmen zur Krisenbewältigung einbi​nden

Die GPK-S ist der Ansicht, dass die Prozesse für die Konsultation der Kantone zu den schweizweiten Pandemiemassnahmen namentlich in der besonderen Lage an ihre Grenzen stiessen und deshalb präzisiert werden müssen. Die Kommission sieht ausserdem Optimierungsbedarf bei der Information der Kantone über die beschlossenen Massnahmen.

Die GPK-S begrüsst die zahlreichen Massnahmen des Bundes zur Unterstützung der Kantone beim Vollzug der schweizweiten Massnahmen. Sie erachtet es als wichtig, dass der Bund eine allgemeine Bilanz seiner Gesundheitsweisungen und -empfehlungen in der Covid-19-Pandemie, aber auch des Einsatzes der Armee und des Zivilschutzes zur Unterstützung des kantonalen Vollzugs zieht. Zum letzten Punkt hat die Kommission ein Postulat eingereicht.

Allgemeine Bilanz des C​ontact-Tracings ziehen

Zuletzt ersucht die Kommission den Bundesrat per Postulat, eine allgemeine Bilanz des Contact-Tracings von Bund und Kantonen zu ziehen. Sie bittet ihn, in diesem Zusammenhang die Verantwortung für das Contact-Tracing, die Koordinationsstrukturen und die Schaffung harmonisierter Informatiksysteme zu prüfen.

Die Kommission erwartet vom Bundesrat, dass er ihren Feststellungen und Empfehlungen bei den laufenden Arbeiten (insbesondere bei der Revision des EpG und des Pandemieplans) Rechnung trägt. Sie ersucht ihn, bis zum 15. Februar 2024 zu ihren Empfehlungen Stellung zu nehmen.

Die GPK-S hat am 10. Oktober 2023 unter dem Vorsitz von Ständerat Matthias Michel (FDP, ZG) in Bern getagt.