Am Samstag, 12. Februar 2022, fanden in Zürich mehrere unbewilligte Demonstrationen statt. Nationalrat Fabian Molina nahm an einer dieser Kundgebungen teil und veröffentlichte ein Bild, das ihn selbst zusammen mit weiteren Teilnehmenden zeigte, in den sozialen Medien. Mit Gesuch vom 31. März 2022 ersuchte die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich um die Ermächtigung zur Einleitung eines Strafverfahrens gegen Nationalrat Molina wegen der Teilnahme an einer unbewilligten Demonstration.

Die Kommission hat Nationalrat Molina angehört. Er macht geltend, dass er durch seine Teilnahme als Nationalrat an der unbewilligten Demonstration ein Zeichen gegen faschistische Gruppierungen, die während der Covid-19-Pandemie merklich erstarkt seien, setzen wollte. Als Vertreter der institutionellen Politik sehe er es als seine Aufgabe, sich öffentlich für demokratische und rechtsstaatliche Werte und gegen faschistische Tendenzen einzusetzen. Aus diesem Grund habe er seine Teilnahme auch selbst in den sozialen Medien öffentlich gemacht. Einen unmittelbaren Zusammenhang mit seiner amtlichen Tätigkeit und Stellung als Nationalrat sieht Molina deshalb als gegeben an. 

Die Kommission ist der Auffassung, dass zwischen der amtlichen Tätigkeit und Stellung von Nationalrat Molina und seiner Teilnahme an der Demonstration vom 12. Februar dieses Jahres kein unmittelbarer Zusammenhang besteht. Das Ziel der Revision des Parlamentsgesetzes (ParlG) vom 17. Juni 2011, in deren Rahmen das Parlament den Schutzbereich der relativen Immunität auf strafbare Handlungen in «unmittelbarem» Zusammenhang mit der amtlichen Tätigkeit und Stellung einschränkte, war eine restriktivere Anwendung von Art. 17 ParlG. Damit sollte verhindert werden, dass Parlamentsmitglieder gegenüber Privatpersonen in ungerechtfertigter Weise bevorzugt werden. Weil Nationalrat Molina nach Einschätzung der Kommission als Privatperson und nicht in Ausübung seiner amtlichen Tätigkeit an besagter Kundgebung teilnahm, wäre eine Privilegierung gegenüber den anderen Teilnehmenden ungerechtfertigt.

Sie hat deshalb mit 6 zu 2 Stimmen bei 1 Enthaltung beschlossen, dass vorliegend der Schutzbereich der relativen Immunität nicht tangiert ist und für die Einleitung eines Strafverfahrens deshalb keine Ermächtigung erforderlich ist. 

In einem nächsten Schritt wird die Rechtskommission als zuständige Kommission des Ständerates das Gesuch behandeln. Bei gleichlautendem Beschluss der ständerätlichen Kommission greift die relative Immunität von Nationalrat Molina im vorliegenden Fall definitiv nicht und die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich kann ein Strafverfahren einleiten. Gesetzt den Fall, dass die Kommission des Ständerates einen abweichenden Beschluss fällt, geht das Geschäft zur Differenzbereinigung zurück an die IK-N.