Am 26. Februar 2020 hat der Bundesrat die Botschaft zu einer Revision der Schweizerischen Zivilprozessordnung (ZPO) verabschiedet. Diese erste Revision seit dem Inkrafttreten der schweizweit einheitlichen Regeln im Jahr 2011 soll die Praxistauglichkeit der ZPO, die sich insgesamt bewährt hat, weiter verbessern. Die Kommission unterstützt nach einer intensiven Diskussion das Vorgehen des Bundesrates, wonach die zügige Behandlung der an sich unbestrittenen Revisionspunkte nicht durch die politisch umstrittene Frage des kollektiven Rechtsschutzes gefährdet werden soll. Sie hat zur Kenntnis genommen, dass der Bundesrat dem Parlament zu einem späteren Zeitpunkt eine separate Vorlage zu dieser kontroversen Frage unterbreiten wird. Die Kommission wird die Detailberatung an einer ihrer nächsten Sitzung weiterführen.
Wechsel des Geschlechts als höchstpersönliches Recht
Die Vorlage des Bundesrats vom 6. Dezember 2019 sieht vor, dass Menschen mit Transidentität oder einer Variante der Geschlechtsentwicklungen zukünftig einfacher eine Änderung des Eintrags ihres Geschlechts und ihres Vornamens im Personenstandsregister erreichen können (19.081). Die Vorlage des Bundesrates, der sich der Ständerat in der Sommersession angeschlossen hat, sieht vor, dass die Änderung durch eine Erklärung der Person beim zuständigen Zivilstandsamt vorgenommen werden kann und in gewissen Fällen der Zustimmung des gesetzlichen Vertreters bedarf, also zum Beispiel der Eltern im Falle von Minderjährigen. Der Nationalrat war demgegenüber der Ansicht, dass es sich bei der Erklärung um ein höchstpersönliches Recht handle, das gemäss den allgemeinen Grundsätzen des Zivilrechts lediglich die Urteilsfähigkeit der erklärenden Person voraussetzt und entsprechend keiner Zustimmung der gesetzlichen Vertretung bedarf. Die Kommission hat sich nun im Rahmen der Differenzbereinigung dieser Position angeschlossen und beantragt ihrem Rat mit 8 zu 4 Stimmen, auf das Zustimmungserfordernis zu verzichten. Eine Minderheit der Kommission ist der Ansicht, dass die Zustimmung insbesondere Minderjährige in einer derart weitreichenden Frage wirkungsvoll vor unbedachten Erklärungen und Handlungen schützen kann und beantragt entsprechend, an der Fassung des Ständerats festzuhalten.
Weiterer Anwendungsbereich für die elektronische Fussfessel?
Die Kommission hat eine Motion aus dem Nationalrat beraten, welche die Einführung von elektronischen Fussfesseln (Electronic Monitoring) in Fällen von Administrativhaft im Ausländerrecht fordert (18.3079). Die Kommission erinnert daran, dass das Parlament mit der Verabschiedung des Bundesgesetzes über die Verbesserung des Schutzes gewaltbetroffener Personen erst kürzlich die gesetzliche Grundlage für die Anordnung einer elektronischen Überwachung bei häuslicher Gewalt und Stalking geschaffen hat. Sie möchte eine weitere Ausweitung des Einsatzes der elektronischen Fussfessel nicht ausschliessen, doch hält sie es für geboten, dass die Kantone bei der Auswertung der bisherigen Erfahrungen mit diesem Instrument einbezogen werden. Entsprechend soll der Bundesrat mit einem Kommissionspostulat beauftragt werden, sowohl die Zweckmässigkeit des Einsatzes von Electronic Monitoring im Bereich der ausländerrechtlichen Zwangsmassnahmen als auch weitere mögliche Alternativen zur ausländerrechtlichen Administrativhaft vertieft zu prüfen (20.4265). Die Motion 18.3079, welche eine direkte Einführung der Fussfesseln verlangt, beantragt sie dagegen mit 12 zu 0 Stimmen bei 1 Enthaltung zur Ablehnung.
Ehe für alle
Die Kommission hat Anhörungen zum Gesetzesentwurf zur «Ehe für alle» (13.468) durchgeführt, wie er vom Nationalrat am 11. Juni 2020 beschlossen wurde. Im Zentrum der Anhörungen stand die Frage, ob das Vorhaben, das Institut der Ehe auch für gleichgeschlechtliche Paare zu öffnen und lesbischen Paaren den Zugang zur Fortpflanzungsmedizin zu ermöglichen, eine Verfassungsänderung erfordere oder ob dies, wie vom Nationalrat beschlossen, auch mit einer Anpassung des Zivilgesetzbuches möglich ist. Die Kommission hat die unterschiedlichen Positionen der Lehre zur Kenntnis genommen und wird an ihrer nächsten Sitzung die Vorlage beraten.
Weitere Geschäfte
- Die Kommission hat die Vorlage zur Änderung von Artikel 1 des Rechtshilfegesetzes, mit der die Zusammenarbeit auf internationale Strafinstitutionen ausgedehnt werden kann, in der Gesamtabstimmung mit 12 zu 0 Stimmen bei 1 Enthaltung unverändert angenommen (19.063).
- Die Kommission beantragt mit 9 zu 3 Stimmen die Ablehnung einer Motion, welche fordert, dass die Schweiz die Zusammenarbeit mit dem Ausland bei der Überstellung von verurteilten Personen in deren Herkunftsländer intensiviert (18.4369). Die Kommission nimmt zur Kenntnis, dass die Schweiz bereits heute in diesem Bereich grosse Anstrengungen unternimmt und sieht keinen darüberhinausgehenden Gesetzgebungsbedarf.
- Die Kommission beantragt ihrem Rat einstimmig die Ablehnung einer Motion (20.3418), welche eine Verlängerung der Insolvenzverordnung des Bundesrates vom 16. April 2020 fordert. Mit dieser Verordnung wurde die Pflicht der Unternehmen zur Überschuldungsanzeige vorübergehend ausgesetzt. Die Kommission teilt die Einschätzung des Bundesrates, wonach eine Verlängerung der ausserordentlichen Massnahmen gegenwärtig nicht angezeigt ist.
Die Kommission hat am 19./20. Oktober unter dem Vorsitz von Ständerat Beat Rieder (CVP, VS) in Bern getagt.