Die Kommission für Rechtsfragen des Nationalrates hat mit 16 zu 6 Stimmen bei 1 Enthaltung eine Kommissionsmotion 22.3889 beschlossen, mit welcher der Bundesrat beauftragt wird, die Rechtsgrundlagen für ein Verbot von Konversionsmassnahmen zu schaffen. Sie ist der Ansicht, dass in diesem Bereich Handlungsbedarf besteht und dem Leiden der Personen, die solchen Massnahmen unterzogen werden, ein Ende gesetzt werden muss.

Die Kommission hatte die Beratung der drei parlamentarischen Initiativen 21.483 (Christ; «Verbot von Konversionsbehandlungen bei Minderjährigen»), 21.496 (Barrile; «Verbot und Unterstrafestellung von Konversionsmassnahmen bei Minderjährigen und jungen Erwachsenen») und 21.497 (Wyss; «Schweizweites Verbot und Unterstrafestellung von Konversionsmassnahmen») bereits an ihrer Sitzung vom 24. Juni 2022 aufgenommen und schon damals Handlungsbedarf festgestellt (Medienmitteilung der RK-N vom 24. Juni 2022).

Mit Konversionsmassnahmen sind sämtliche Massnahmen gemeint, die eine Veränderung oder Unterdrückung der sexuellen Orientierung, der Geschlechtsidentität oder des Geschlechtsausdrucks zum Ziel haben. Bei der Definition dieser Begrifflichkeiten soll sich der Bundesrat an den internationalen Standards (Yogyakarta-Prinzipien) orientieren. Verboten werden sollen das Anbieten, Vermitteln und Bewerben solcher Konversionsmassnahmen. Die Kommission beantragt allerdings eine gewisse Zahl von Ausnahmen, z. B. für medizinisch indizierte Massnahmen zur Geschlechtsangleichung und für Therapien von strafrechtlich relevante Sexualpräferenzen.

Mehrere Kantone haben bereits beschlossen, ihrerseits tätig zu werden. Die Kommission ist deshalb der Ansicht, dass es eine schweizweit einheitliche Regelung braucht, um einen gesetzgeberischen Flickenteppich zu vermeiden. Der Bundesrat wird insbesondere beauftragt, sich an den Arbeiten im Ausland zu orientieren. Ein Verbot von Konversionsmassnahmen – wie es die Kommission fordert – hätte den Vorteil, dass auch Personen sanktioniert werden könnten, die keinen Berufsregeln unterliegen.

Die Minderheit beantragt die Ablehnung der Kommissionsmotion, da ihrer Ansicht nach zunächst der Bericht in Erfüllung des von Nationalrat Erich von Siebenthal eingereichten und vom Nationalrat in der Frühjahrssession angenommenen Postulats 21.4474 («Überprüfung der Verbreitung sogenannter Konversionstherapien in der Schweiz und der Notwendigkeit einer gesetzlichen Regelung») abgewartet werden sollte. Dieser Bericht soll aufzeigen, wie verbreitet die Konversionstherapien in der Schweiz sind und welche Möglichkeiten das geltende Recht bietet.

Sistierung der Diskussion über die Verwendung von rassistischen Symbolen

Die Kommission hat mit 23 zu 2 Stimmen beschlossen, die Beratung der beiden parlamentarischen Initiativen 21.525 (Suter; «Öffentliche Verwendung und Verbreitung rassendiskriminierender Symbole in jedem Fall unter Strafe stellen») und 21.524 (Barrile; «Verbot der öffentlichen Verwendung von extremistischen, gewaltverherrlichenden und rassistischen Symbolen») zu sistieren. Sie wurde darüber orientiert, dass das Bundesamt für Justiz derzeit einen Bericht zu diesem Thema ausarbeitet, und hat sich deshalb entschieden, die Beratung erst nach dessen Vorliegen fortzusetzen.

Kein Erfolg für parlamentarische Initiativen zum Mietrecht

Die Kommission hat verschiedene parlamentarische Initiativen zu Änderungen im Mietrecht vorgeprüft. Mit 16 zu 9 Stimmen hat sie der parlamentarischen Initiative Dandrès 22.418 («Befristeter Mietvertrag. Es braucht einen Mechanismus, um in Zeiten von Wohnungsmangel Missbrauch zu bekämpfen») keine Folge gegeben. Die Kommission ist der Ansicht, dass die missbräuchliche Verwendung von befristeten Mietverträgen von den Gerichten nicht gestützt wird und es deshalb nicht angezeigt ist, aufgrund von Missbrauchsfällen das Gesetz zu ändern. Eine Minderheit beantragt, der Initiative Folge zu geben. Die Kommission hat sich zudem dagegen ausgesprochen, den parlamentarischen Initiativen Dandrès 21.490 («Mietrecht. Fristenstillstand bei Anfechtung einer Kündigung und bei einem Begehren auf Erstreckung eines Mietverhältnisses») (16/9/0) und 21.491 («Berechnung der Anfechtungsfrist bei Kündigungen von Mietverträgen») (15/9/1) Folge zu geben. Diese zielen darauf ab, den Fristenstillstand bzw. die Berechnung der Anfechtungsfrist im materiellen Mietrecht an die in der Zivilprozessordnung vorgesehenen Regelungen anzugleichen. Eine Minderheit beantragt, den beiden Initiativen Folge zu geben. Im Rahmen der Differenzbereinigung kommt die Kommission mit 15 zu 9 Stimmen auf ihren Entscheid anlässlich der ersten Vorprüfung zurück und beantragt ihrem Rat nun, der parlamentarischen Initiative Dandrès 20.449 (Beitritt der Ehegattin oder des Ehegatten zum Mietvertrag einer Mieterin oder eines Mieters) keine Folge zu geben.

Erleichterung für den Zugang zu Unterstützungsleistungen aus der Opferhilfe

Die Kommission hat mit 18 zu 7 eine Kommissionsinitiative 22.456 beschlossen, die Opfern von schweren Gewalttaten im Ausland unter gewissen Voraussetzungen den Zugang zu Unterstützungsleistungen der Opferhilfe ermöglichen soll, auch wenn die Opfer zum Zeitpunkt der Tatbegehung keinen Wohnsitz in der Schweiz hatten. Leistungen wie Entschädigung oder Genugtuung sollen jedoch ausgenommen werden. Die Kommissionsinitiative bedarf noch der Zustimmung der Schwesterkommission des Ständerates.

Ausweitung des Kündigungsschutzes für Jungmütter

Die Kommission hat der Standesinitiative 20.322 des Kantons Tessin («Für die Verlängerung des Kündigungsschutzes nach dem Mutterschaftsurlaub») mit 16 zu 9 Stimmen keine Folge gegeben. Sie hat sich aber mit 14 zu 10 Stimmen bei 1 Enthaltung für das Ergreifen einer Kommissionsinitiative 22.455 («Erhöhter Kündigungsschutz für Jungmütter») ausgesprochen, welche weniger weit geht als die Standesinitiative, indem sie keinen Anspruch auf eine Reduktion des Beschäftigungsgrades, sondern lediglich eine Ausweitung des Kündigungsschutzes von 16 Wochen auf 20 Wochen nach der Niederkunft vorsieht.

Sexualstrafrecht

Die Kommission hat Anhörungen durchgeführt zur Vorlage zur Revision des Sexualstrafrechts (18.043, E. 3) und mit der Detailberatung begonnen. Sie wird diese im Oktober auf der Grundlage von weiteren Abklärungen der Verwaltung fortsetzen.

Die Kommission tagte am 18./19. August 2022 unter dem Vorsitz von Nationalrätin Christa Markwalder (FDP, BE) in Bern.