Im ausgewiesenen Verdachtsfall sollen im Bereich der Sozialversicherungen rasch wieder versicherte Personen überwacht werden können. Die Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Ständerates (SGK-SR) ist einstimmig auf eine Vorlage eingetreten, mit der die dafür nötige klare und detaillierte gesetzliche Grundlage geschaffen werden soll.

​Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) bemängelte in seinem Urteil vom 18. Oktober 2016 bezogen auf einen Fall der Unfallversicherung, dass in der Schweiz eine klare und detaillierte gesetzliche Grundlage zur Überwachung von Versicherten fehlt. Aufgrund dieses Urteils stellten die Unfallversicherer und im Nachgang zum Bundesgerichtsentscheid vom 14. Juli 2017 auch die Stellen der Invalidenversicherung (IV) ihre Observationen ein. Um rasch wieder Missbräuche im Bereich der Sozialversicherungen bekämpfen zu können, trat die SGK-SR nun einstimmig auf eine Vorlage zur Schaffung der vom EGMR geforderten klareren gesetzlichen Grundlage ein (16.479 s Pa.Iv. SGK-SR). Der Erlass eines entsprechenden Observationsartikels war ursprünglich im Rahmen der geplanten Reform des Allgemeinen Teils des Sozialversicherungsrechts (ATSG) vorgesehen. Um die Beratungen zu beschleunigen, sprach sich die SGK-SR nun jedoch definitiv dafür aus, diese Bestimmung aus dem Paket der ATSG-Reform herauszulösen und vorab im Kontext einer Kommissionsinitiative zu behandeln. Sie wird an der nächsten Sitzung die Detailberatung vornehmen mit dem Ziel, die Vorlage in der Wintersession in den Ständerat zu bringen.

Die SGK-SR unterstützt des Weiteren das Rahmenabkommen mit Frankreich zur grenzüberschreitenden Zusammenarbeit im Gesundheitsbereich (17.035 s). Sie hat die Vorlage in der Gesamtabstimmung einstimmig angenommen. Im Rahmen der Eintretensdebatte hat sich die Kommission für die Förderung von Kooperationen im Gesundheitsbereich ausgesprochen und die im Rahmenabkommen dafür festgelegten Richtlinien begrüsst. Mit dem Rahmenabkommen, welches das innerstaatliche Recht unberührt lässt, sollen die Kooperationsvereinbarungen mit den entsprechenden französischen Amtsstellen für die kantonalen Stellen erleichtert und gleichzeitig auch gefördert werden. Auf diese Weise werden Verbesserungen in den Bereichen des Gesundheitsschutzes, der Prävention oder auch beim Zugang zu Versorgungsangeboten für die lokale Bevölkerung erreicht.

Abstufung der Rabatte bei Wahlfranchisen umstritten

Die Kommission liess sich zu der vom Bundesrat geplanten Verordnungsanpassung betreffend die Rabatte bei Wahlfranchisen in der obligatorischen Krankenversicherung informieren und hat dazu eine erste Diskussion geführt. Der Bundesrat hatte Ende Juni grundsätzlich beschlossen, die bei Wahlfranchisen gewährten Prämienrabatte je nach Franchisehöhe abzustufen. Heute gilt für alle Wahlfranchisen ein maximaler Rabatt von 70 Prozent des zusätzlich übernommenen Risikos. Künftig sollen die Rabatte für Erwachsene zwischen 80 Prozent (Franchise von 500 Franken) und 50 Prozent (Franchise von 2500 Franken) liegen. In der Kommission wurde diese Massnahme als nicht nachvollziehbar kritisiert. Damit würden nämlich vor allem jene Versicherten, die mit ihrem Entscheid für die höchste Franchisestufe die grösste Eigenverantwortung übernähmen, bestraft, in dem sie künftig tiefere Rabatte erhalten sollen. Ein solches Vorgehen sei angesichts der stetig steigenden Gesundheitskosten nicht verständlich. Die Kommission wird die Diskussion an der nächsten Sitzung fortsetzen und auch den konkreten Handlungsbedarf in dieser Frage klären.

Weitere Beschlüsse der Kommission

Anders als die SGK-NR sprach sich die Kommission mit 5 zu 4 Stimmen bei 3 Enthaltungen dafür aus, der Pa.Iv. Humbel. Stärkung des Vertragsprimats im KVG (16.418 n) keine Folge zu geben. Mit der Initiative wird gefordert, dass Tarifverträge zwischen Versicherern und Leistungserbringern nicht mehr der Genehmigung, sondern nur noch der Kenntnisnahme der zuständigen Behörden bedürfen. Die Initiantin und die Befürworter der Initiative argumentierten, dass dadurch Wettbewerbselemente gestärkt und der administrative Aufwand abgebaut werden können. Ausserdem würde so eine gewisse Entflechtung der Mehrfachrollen der Kantone in diesem Bereich erzielt. Die Mehrheit der Kommission ist aber der Meinung, dass ein Wegfall dieser Vertragsprüfungen, insbesondere auf die Gebote der Wirtschaftlichkeit und Billigkeit hin, nicht im öffentlichen Interesse sei. Sie sieht daher keinen Handlungsbedarf.

Der Nationalrat hat in der Sommersession beschlossen, den Text der Motion Ständerat (Dittli). Anhebung der AHV-Leistungen für Hörversorgungen auf das Niveau der IV-Vergütungen. Gleichstellung Erwachsener mit Hörminderungen (16.3676 s) abzuändern. Die SGK-SR beantragt ihrem Rat mit 10 zu 1 Stimmen bei 1 Enthaltung, die modifizierte Motion ebenfalls anzunehmen. Demnach sollen Hörgeräte zwar für beide Hörgeräte vergütet, die entsprechenden Leistungen jedoch auf 75 Prozent des IV-Betrags begrenzt werden.

Wie bereits ihre nationalrätliche Schwesterkommission unterstützt auch die SGK-SR das Anliegen der Pa.Iv. Müller Altermatt. Ausbildungszulagen ab dem Beginn der Ausbildung statt aufgrund des Geburtstages ausrichten (16.417 n). Sie entschied sich einstimmig dafür, der Initiative Folge zu geben.

Schliesslich informierte sich die Kommission eingehend über die Situation im Bereich von Hepatitis C und hörte dazu die Vertreter von Hepatitis Schweiz und der Concordia Krankenversicherung an. Zudem orientierte das Bundesamt für Gesundheit über die Aktivitäten des Bundes. Im Rahmen der Auslegeordnung nahm die Kommission zur Kenntnis, dass sich die Arbeiten zugunsten einer nationalen Hepatitis Strategie und im Bereich der Vergütung von neuen, wirksamen Medikamenten gegen Hepatitis C durch die obligatorische Krankenpflegeversicherung positiv entwickeln.

Die Kommission tagte am 14. August 2017 in Bern unter dem Vorsitz von Joachim Eder (FDP, ZG) und teilweise in Anwesenheit von Bundesrat Alain Berset.