Die Kantone sollen vom Bund finanziell unterstützt werden, wenn sie angehenden Pflegefachkräften während der Ausbildung einen Beitrag an den Lebensunterhalt zahlen. Bei der Beratung des indirekten Gegenvorschlags zur Pflegeinitiative kam die Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Ständerates (SGK-S) unter dem Eindruck der Covid-19-Pandemie in diesem Punkt auf ihren früheren Entscheid zurück. Einstimmig unterstützt die Kommission die dringliche Vorlage des Bundesrates zur Einführung der SwissCovid-App.

Mit 10 zu 0 Stimmen bei 3 Enthaltungen verabschiedete die Kommission den indirekten Gegenvorschlag (19.401) zur Volksinitiative «Für eine starke Pflege» zuhanden des Rates. Unter dem Eindruck der wichtigen Rolle, die das Pflegepersonal bei der Bewältigung der Covid-19-Pandemie gespielt hat, kam die Kommission dabei auf einen Entscheid vom vergangenen Februar zurück: Mit Stichentscheid des Präsidenten (bei 6 zu 6 Stimmen) spricht sie sich nun dafür aus, dass die Kantone vom Bund finanziell unterstützt werden sollen, wenn sie angehenden Pflegefachkräften während der Ausbildung einen Beitrag an den Lebensunterhalt zahlen. Die Kommission will damit geschätzte 100 Millionen Franken mehr in die Ausbildungsoffensive in der Pflege investieren als noch im Februar geplant; insgesamt sollen demnach gut 400 Millionen Franken für acht Jahre bereitgestellt werden, damit in der Schweiz mehr Pflegefachkräfte ausgebildet werden.

Zudem will die Kommission wie der Nationalrat die Kompetenzen der Pflegefachpersonen stärken. Diese sollen bestimmte Leistungen auch ohne ärztliche Anordnung erbringen und direkt mit der Krankenversicherung abrechnen können. Dabei sollen sie einfachere Pflegeleistungen an weniger gut qualifiziertes Personal delegieren können. Diese erweiterten Kompetenzen sollen aber nur jene Pflegefachpersonen, Spitexorganisationen und Pflegeheime erhalten, die mit den Krankenversicherern vorgängig eine Vereinbarung abgeschlossen haben (7 zu 6 Stimmen). Die Vorlage, zu der mehrere Minderheitsanträge eingereicht wurden, ist damit bereit für die Sommersession im Ständerat.

Grünes Licht für die SwissCovid-App

Die Kommission ist ohne Gegenantrag auf die dringliche Änderung des Epidemiengesetzes angesichts der COVID-19-Krise (Proximity-Tracing-System) (Geschäft 20.040 sn) eingetreten und hat diese einstimmig in der Gesamtabstimmung gutgeheissen. Mit dieser Vorlage will der Bundesrat die gesetzliche Grundlage für die SwissCovid-App schaffen und somit den Auftrag des Parlamentes aus der ausserordentlichen Session (Motionen der Staatspolitischen Kommissionen 20.3144 und 20.3168) umsetzen. Die Kommission nahm mit Befriedigung zur Kenntnis, dass der Bundesrat dabei ihren Empfehlungen bezüglich Freiwilligkeit, dezentraler Speicherung, Open Source und Diskriminierungsverbot gefolgt ist. In Anwesenheit des Eidgenössischen Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten hat die Kommission zudem den Schutz der Daten und der Persönlichkeit durch die App ausführlich diskutiert und gewürdigt. Sie beantragt dem Ständerat schliesslich folgende Änderungen am Gesetzesentwurf:

  • Einstimmig eingefügt hat sie einen Passus, wonach die App nachweislich aus dem veröffentlichten Quellcode erstellt worden sein muss (Art. 60a Abs. 4 Bst. e).
  • Der Bundesrat soll das PT-System nicht nur einstellen können, wenn es nicht mehr erforderlich ist, sondern auch, wenn es sich als ungenügend wirksam erweist (Art. 60a, Abs. 7, mit 12 zu 0 Stimmen bei 1 Enthaltung).

Zusätzlich empfiehlt die Kommission dem Bundesrat in einem Schreiben, eine Erwerbsausfallentschädigung für Personen zu prüfen, die sich aufgrund einer Benachrichtigung durch die App freiwillig in Quarantäne begeben. Diese Personen sollen sich zudem testen lassen können. So sollen Anreize für eine breite Nutzung der App geschaffen werden. Die Kommission empfiehlt dem Bundesrat zudem, die Übernahme der Kosten der Tests zu COVID-19 rasch zu klären.

14-Milliarden-Beitrag an die Arbeitslosenversicherung nicht aufgrund von Notrecht

Die Kommission beriet über den à-fonds-perdu-Beitrag von 14,2 Milliarden Franken an die Arbeitslosenversicherung, den der Bundesrat dem Parlament mit dem Nachtrag IIa zum Budget 2020 (20.042) beantragt. In ihrem Mitbericht an die Finanzkommission unterstützt die Kommission den zusätzlichen Bundesbeitrag für die pandemiebedingten Kurzarbeitsentschädigungen. So könne vermieden werden, dass Menschen ihre Stelle verlören und dass die Lohnbeiträge erhöht werden müssten. Die Kommission erachtet es jedoch als staatspolitisch nicht mehr angemessen, diese Massnahme – wie noch den ersten Bundesbeitrag an die ALV von 6 Milliarden Franken – auf eine bundesrätliche Covid-19-Notrechtsverordnung abzustützen. Die Kommission legt dem Bundesrat in einem Schreiben nahe, dem Parlament – analog zur Vorlage über die SwissCovid-App – noch für die Sommersession eine dringliche gesetzliche Grundlage zu unterbreiten.

Verfahren bei nicht bezahlten Krankenkassenprämien umfassend verbessern

Ausgehend von der Thurgauer Standesinitiative «Ergänzung von Artikel 64a des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung betreffend Vollstreckung der Prämienzahlungspflicht der Versicherten» (16.312) hat die Kommission eine Vernehmlassungsvorlage ausgearbeitet, mit der das Verfahren umfassend verbessert werden soll. Wer die Prämie, die Franchise oder den Selbstbehalt trotz Betreibung nicht zahlt, soll in einem Modell mit eingeschränkter Wahl der Leistungserbringer versichert werden. Hingegen soll es gemäss Vorschlag der Kommissionsmehrheit keine «schwarzen Listen» von säumigen Prämienzahlenden mehr geben, die nur im Notfall behandelt werden. Eine Minderheit will an dieser Möglichkeit festhalten, den Begriff der Notfallbehandlung jedoch für die ganze Schweiz einheitlich definieren. Weiter sollen junge Erwachsene nicht mehr für die Prämien haften, die nicht bezahlt wurden, solange sie minderjährig waren. Schliesslich sollen die Kantone, die dies möchten, die Verlustscheine für 90 Prozent der Forderung von den Versicherern übernehmen und selber bewirtschaften können; die Versicherten wären dann wieder frei, die Krankenkasse und das Modell zu wechseln. Im Jahr 2018 mussten die Kantone mehr als 385 Millionen Franken übernehmen, ohne auf das Inkasso Einfluss nehmen zu können. Die Vernehmlassung wird im Juni eröffnet.  

 

Die Kommission tagte am 25. Mai 2020 in Bern unter dem Vorsitz von Paul Rechsteiner (SP, SG) und teilweise in Anwesenheit von Bundesrat Alain Berset und von Bundesrat Guy Parmelin.