Mit 10 zu 0 Stimmen bei 2 Enthaltungen unterstützt die Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit (SGK-S) die Teilrevision des Bundesgesetzes über das elektronische Patientendossier (EPDG; 23.061) zur Einführung einer Übergangsfinanzierung. Eintreten auf das Geschäft war unbestritten. Den zugehörigen Bundesbeschluss für einen Verpflichtungskredit von 30 Millionen Franken (Entwurf 2) beantragt die Kommission mit 9 zu 1 Stimme bei 2 Enthaltungen zur Annahme. Für die Kommission ist entscheidend, dass das elektronische Patientendossier (EPD) rasch weiterentwickelt werden kann. Die inhaltliche Diskussion zur zukünftigen Ausgestaltung des EPD muss dabei im Rahmen der umfassenden Revision des EPDG, welche der Bundesrat für Sommer 2024 angekündigt hat, angegangen werden. Um die aktuelle Vorlage nicht zu überladen, beantragt die Kommission in praktisch allen Punkten bei der Version des Bundesrates zu bleiben.
Konkret lehnt die Kommission die Ausweitung der Finanzhilfen auf die Nutzung des Patientendossiers ohne Gegenantrag ab (Art. 23a Abs. 2). Diese ist in der Umsetzung zu kompliziert, das Ziel einer raschen Verbreitung des EPD ist mit einer Unterstützung pro eröffnetem Dossier einfacher zu erreichen. Weiter möchte die SGK-S die Kantone nicht dazu zwingen, alle Stammgemeinschaften gleichermassen zu unterstützen. Eine entsprechende Ergänzung des Nationalrats lehnt die Kommission mit 10 zu 2 Stimmen ab (Art. 23a Abs. 3), da sonst die bereits getätigten Investitionen verschiedener Kantone zu wenig geschützt sind. Eine Minderheit beantragt, dem Nationalrat zu folgen. Auch in der Frage einer Anschlusspflicht für alle Leistungserbringer, wie sie der Nationalrat in Art. 59abis KVG eingefügt hat, beantragt die Kommissionsmehrheit dem Bundesrat zu folgen. Eine solche Anschlusspflicht ist für das Funktionieren des EPD zwar zentral, muss jedoch im Rahmen der umfassenden Revision des EPDG angegangen werden. Eine Minderheit möchte die Anschlusspflicht rascher einführen, sieht dafür jedoch eine Übergangsfrist von drei Jahren statt einem Jahr wie der Nationalrat vor.
Kostendämpfungspaket 2: Koordinierte Netzwerke unter gewissen Voraussetzungen ermöglichen
Die SGK-S hat die Beratungen zum zweiten Massnahmenpaket zur Kostendämpfung im Gesundheitswesen (22.062) fortgesetzt. Im Gegensatz zum Nationalrat spricht sich die Kommission im Grundsatz für die sogenannten Netzwerke zur koordinierten Versorgung aus (mit 8 zu 5 Stimmen). Solche Netzwerke ermöglichen es verschiedenen Leistungserbringern wie beispielsweise Ärztinnen und Physiotherapeuten, ihre Leistungen und auch den Koordinationsaufwand zusammen abzurechnen. Die Kommission beantragt jedoch, solche Netzwerke vom Vertragszwang zwischen Krankenversicherungen und Leistungserbringern auszunehmen. Nur wenn ein Netzwerk in einem Kanton eine gewisse Grösse erreichen und zudem seine Leistungen qualitativ hochstehend und wirtschaftlicher als andere erbringt, soll dieser Kanton sämtliche Krankenkassen verpflichten können, mit dem Netzwerk einen Vertrag abzuschliessen. Eine Minderheit befürchtet, dass solche Netzwerke als neue Leistungserbringer zu einer Mengen- und Kostenausweitung führen und beantragt, wie der Nationalrat beim geltenden Recht zu bleiben.
Hingegen beantragt die Kommission beide Motionen abzulehnen, welche ihre Schwesterkommission zur Förderung der koordinierten Versorgung eingereicht hatte (Mo. 23.3502 mit 11 zu 0 Stimmen bei 1 Enthaltung und Mo. 23.3504 mit 6 zu 4 Stimmen bei 2 Enthaltung). In der Kommission war unbestritten, dass alternative Versicherungsmodelle gestärkt werden sollen. Die vorgeschlagenen Massnahmen seien aber schwierig umzusetzen. Wie bereits an ihrer letzten Sitzung beschlossen, will die Kommission ausserdem auf eine bessere Nutzung der Rechnungsdaten setzen (siehe Medienmitteilung vom 8. November 2023).
Die Kommission hat ihren Entscheid bestätigt, dass Hebammen ausgewählte Leistungen für die Mutter und das Kind während der Schwangerschaft, Niederkunft und im Wochenbett selbständig zulasten der OKP erbringen dürfen. Sie hiess die Formulierung gut, welche die Verwaltung zu diesem Zweck ausgearbeitet hatte.
Die Kommission wird ihre Beratungen des umfassenden Massnahmenpakets im zweiten Quartal fortsetzen. Sie hat bei der Verwaltung im Hinblick auf die weiteren Beratungen verschiedene Abklärungen in Auftrag gegeben.
Im Zusammenhang mit der Beratung des Kostendämpfungspakets beantragt die Kommission weiter einstimmig, die Frist der Kt. Iv. JU. Die skandalöse Entwicklung der Medikamentenpreise stoppen (19.320) um zwei Jahre zu verlängern, da entsprechende Massnahmen noch nicht umgesetzt sind.
Die Kommission hält an ihrem früheren Entscheid fest und beantragt mit 7 zu 6 Stimmen, der Kt. Iv. FR. Freiburger Modell der pharmazeutischen Betreuung in Pflegeheimen (20.332) keine Folge zu geben. Sie unterstützt weiterhin klar dieses innovative und wirtschaftliche Modell, das die Behandlungsqualität erhöht; allerdings benötige es dafür keine Anpassung des geltenden Rechts. Der Ständerat wird in der Frühjahrssession abschliessend über die Standesinitiative befinden.
Mehr Transparenz bei Arbeitslosenkassen
Mit 11 zu 0 Stimmen bei 1 Enthaltung hat die Kommission in der Gesamtabstimmung die Teilrevision des Arbeitslosenversicherungsgesetzes (AVIG; 23.084) angenommen, mit welcher die Transparenz des Entschädigungssystems der Arbeitslosenkassen (ALK) erhöht werden soll. Neu sollen die effektiven Verwaltungskosten nach einem Bonus-Malus-System entschädigt werden: Effiziente ALK erhalten einen Bonus und sehr ineffiziente ALK müssen einen Teil der Kosten selbst tragen. Das System der Pauschalentschädigung wird abgeschafft. Zudem soll gesetzlich verankert werden, dass die Ausgleichsstelle der Arbeitslosenversicherung jährlich die Kennzahlen zu den Verwaltungskosten der ALK veröffentlichen muss. Im Weiteren sollen junge Erwachsene beim Eintritt in den Arbeitsmarkt besser unterstützt werden, indem ihnen im Rahmen der Arbeitslosenversicherung der Zugang zu Berufspraktika erleichtert wird.
Weitere Geschäfte
Im Rahmen der Differenzbereinigung zur Änderung des Familienzulagengesetzes (Einführung eines vollen Lastenausgleichs; 23.050) beantragt die Kommission, dem Nationalrat zu folgen und den Kantonen für die Anpassung ihrer Gesetzgebung und für die Einführung eines vollen Lastenausgleichs drei statt der im Entwurf des Bundesrates vorgesehenen zwei Jahre Zeit zu geben. Ausserdem hat sie mit 10 zu 1 Stimmen bei 1 Enthaltung dem Entscheid des Nationalrates zugestimmt, in den Übergangsbestimmungen Begleitmassnahmen zu verlangen, mit welchen die Effizienz und die Effektivität der Familienausgleichskassen gesteigert werden sollen.
Im Weiteren beantragt die Kommission mit 9 zu 3 Stimmen, die Mo. Gysin Greta. Vaterschaftsurlaub auch beim Tod des ungeborenen Kindes (21.3734) in einer geänderten Fassung anzunehmen. Mit der Änderung will die Kommission präzisieren, dass der Vaterschaftsurlaub auch dann in vollem Umfang gewährt wird, wenn das Kind tot geboren wird oder bei der Geburt oder in den 14 Tagen nach der Geburt stirbt. Ausserdem soll die Dauer des Vaterschaftsurlaubs mit dem Todestag oder mit dem Tag, an dem das Kind tot geboren wird, zu laufen beginnen. Die allenfalls bereits bezogenen Tage des Vaterschaftsurlaubs sind anzurechnen. Diese Lösung erfüllt in den Augen der Kommission das Motionsanliegen besser.
Ferner beantragt die Kommission mit 6 zu 4 Stimmen bei 2 Enthaltungen, die Mo. Lohr. Effizientere Eingliederung am Arbeitsplatz. Auch Arbeitgebende sollen Gesuche für Anpassungen am Arbeitsplatz stellen können(21.4089) anzunehmen, mit welcher gefordert wird, dass künftig nicht nur Arbeitnehmende, sondern auch Arbeitgebende bei der IV ein Gesuch um Hilfsmittel am Arbeitsplatz stellen können. Dieser pragmatische und effiziente Ansatz ermöglicht es aus Sicht der Kommission, die Belastung der Arbeitnehmenden zu reduzieren und so die berufliche Integration von Menschen mit Behinderung zu verbessern.
Die Kommission beantragt darüber hinaus einstimmig, die Mo. Dobler. Schluss mit Faxen. Effiziente Datenbereitstellung der Leistungserbringer an Bund und Kantone während einer Pandemie ermöglichen (23.3681) anzunehmen. Die Coronakrise hat die Mängel in der Digitalisierung und der Datenverwaltung im Schweizer Gesundheitssystem aufgezeigt. Die Kommission begrüsst die laufenden Arbeiten zur Behebung dieser Mängel und betont, wie wichtig es ist, diese Bestrebungen fortzusetzen.
Mit 6 zu 6 Stimmen und Stichentscheid des Präsidenten abgelehnt hat die Kommission die Mo. Bellaiche. Schaffung einer dauerhaften Plattform zur genomischen Überwachung (21.4175). Zwar unterstützt die SGK-S das Anliegen der Motion, sie sieht dieses im Entwurf des Bundesrates in der laufenden Vernehmlassung zur Revision des Epidemiengesetzes jedoch bereits aufgenommen.
Die Kommission hat die Beratung zur Mo. Romano. Obligatorium für eine Krankentaggeldversicherung (21.4209) begonnen. Sie wird sich im zweiten Quartal auf der Grundlage ergänzender Abklärungen nochmals vertieft mit dem Anliegen auseinandersetzen.
Die Kommission tagte vom 29. und 30. Januar 2024 in Bern unter der Leitung von Ständerat Damian Müller (FDP, LU) und teilweise in Anwesenheit von Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider.