Vor einem Jahr haben die Staatspolitischen Kommissionen (SPK) den Grundsatzentscheid gefällt, dass Reformen geprüft werden sollen, welche der Bundesversammlung ein rasches und wirksames Handeln in Krisensituationen ermöglichen. Nun hat die SPK des Nationalrates von ersten Zwischenentscheiden ihrer Subkommission Kenntnis genommen und im Rahmen der Vorprüfung von parlamentarischen Initiativen ebenfalls erste Vorentscheide gefällt.

Die mit der Umsetzung der Initiativen der SPK (20.437/20.438) beauftragte Subkommission erachtet es als zentral, dass sich sowohl die parlamentarischen Kommissionen wie auch die beiden Räte in Krisensituationen jederzeit versammeln und ihre Rechte wahrnehmen können. Dafür sollen die notwendigen Voraussetzungen geschaffen werden. Im Weiteren sollen die parlamentarischen Instrumente in Krisensituationen effizient genutzt werden können. Die Subkommission will deshalb gewisse Fristen insbesondere bei der Behandlung und Umsetzung von Vorstössen anpassen. Schliesslich soll mit dem Ausbau des parlamentarischen Konsultationsrechts beim Verordnungsprozess die parlamentarische Mitwirkung beim Erlass von Notverordnungen des Bundesrates verbessert werden.

Die Plenarkommission teilt die Ansicht, dass die Versammlungsmöglichkeit des Parlamentes in Krisensituationen durch die Nutzung digitaler Mittel und die Flexibilisierung des Tagungsortes verbessert werden muss. Sie unterstützt deshalb zwei Initiativen einstimmig (20.423 Pa.Iv. Brunner. Situationsgerechte Flexibilisierungsmöglichkeiten für den Parlamentsbetrieb bei aussergewöhnlichen Umständen und 20.479 Pa.Iv. Reimann Lukas. Beschlussfähige Bundesversammlung sicherstellen) und gab einer weiteren Initiative mit 14 zu 11 Stimmen Folge (20.425 Pa.Iv. Christ. Schaffung der rechtlichen Grundlagen für einen digitalen Parlamentsbetrieb respektive die digitale Teilnahme am physischen Betrieb). Hingegen lehnt die Kommission mit 16 zu 7 Stimmen spezielle Entschädigungsregeln für digital durchgeführte Kommissionssitzungen ab (20.431 Pa.Iv. Rutz Gregor. Festsetzung der Entschädigung der Videokonferenzen). Der Zeitaufwand für die Vorbereitung und die Teilnahme an einer digital durchgeführten Kommissionssitzung ist gleich gross wie für eine physisch durchgeführte, so dass sie auch gleich zu entschädigen sind. 

Was den Erlass von Notverordnungen betrifft, so soll die Subkommission vertieft die Möglichkeiten einer abstrakten gerichtlichen Kontrolle prüfen, auch wenn in der Kommission eine gewisse Skepsis gegenüber dem Instrument herrscht. Die Kommission stimmte mit 13 zu 10 Stimmen und zwei Enthaltungen einer parlamentarischen Initiative der Grünen zu (20.430 Abstrakte Normenkontrolle von Notverordnungen). Als nicht geeignetes Instrument zur Mitwirkung des Parlamentes in Krisensituationen erachtet die Kommission hingegen die Genehmigung von Notverordnungen des Bundesrates durch Zwei Drittel der Mitglieder beider Räte und lehnt die parlamentarische Initiative mit dieser Forderung mit 18 zu 6 Stimmen und einer Enthaltung ab (20.452 Pa.Iv. Heer. Notrecht nur mit dem Parlament).

Die Kommission ist der Ansicht, dass für Krisenzeiten kein spezieller Sessionsrhythmus vorgesehen werden soll. In solchen Situationen ist das Instrument der ausserordentlichen Session geeignet. Die Kommission spricht sich deshalb mit 17 zu 3 Stimmen bei 4 Enthaltungen gegen eine parlamentarische Initiativen mit dieser Forderung aus (20.460 Pa.Iv. Mäder. Sessionsplanung in ausserordentlichen Lagen gemäss Epidemiengesetz). Hingegen erachtet es eine knappe Mehrheit der Kommission als sinnvoll, die Arbeitsweise des Parlamentes und insbesondere dessen Sitzungsrhythmus generell zu überprüfen und stimmt einer entsprechenden Initiative mit 12 zu 11 Stimmen bei einer Enthaltung zu (20.476 Pa.Iv. Marra. Im Hinblick auf die Bewältigung von Krisen muss die Arbeitsorganisation unseres Parlamentes angepasst werden). Der vom Büro zu erarbeitende Bericht gemäss eines vom Nationalrat am 11. Juni 2019 angenommenen Postulates (18.4252 Parlamentarische Arbeit auf Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Politik prüfen) wird eine wichtige Grundlage zur Umsetzung der parlamentarischen Initiative von Nationalrätin Marra bilden, falls auch die Kommission des Ständerates der Initiative zustimmt.

Schliesslich prüfte die Kommission einen von Krisensituationen völlig unabhängigen Vorschlag im Bereich des Parlamentsrechts: Da es jeden zeitlichen Rahmen sprengen würde, wenn sich im Nationalrat bei der Beratung von Vorlagen des Bundesrates und von persönlichen Vorstössen jedes Ratsmitglied zu Wort melden könnte, lehnt die Kommission eine parlamentarische Initiative mit dieser Forderung mit 18 zu 7 Stimmen ab (20.439 Pa.Iv. Prelicz-Huber. Freie Debatte im Nationalrat). Die Qualität der Debatte steigt nicht mit der Anzahl Rednerinnen und Redner.

E-Collecting: Staatspolitische Auswirkungen abklären

Die Kommission hat Anhörungen zum Thema «elektronisches Sammeln» von Unterschriften durchgeführt. Dabei hat sie festgestellt, dass sich neben technischen auch wichtige staatspolitische Fragen stellen. Die Kommission hat deshalb ein Postulat eingereicht (21.3607), mit welchem der Bundesrat beauftragt wird, einen Bericht zu erstellen zu den Auswirkungen von E-Collecting auf das politische System.

Unverschuldeter Sozialhilfebezug von Ausländerinnen und Ausländern nicht bestrafen

Die Kommission hat der parlamentarischen Initiative «Armut ist kein Verbrechen» (20.451) von Nationalrätin Samira Marti mit 12 zu 11 Stimmen bei 2 Enthaltungen Folge gegeben. Das Ausländer- und Integrationsgesetz soll dahingehend geändert werden, dass bei Ausländerinnen und Ausländern, die sich seit mehr als 10 Jahren ununterbrochen und ordnungsgemäss in der Schweiz aufhalten, ein Widerruf der Aufenthalts- bzw. Niederlassungsbewilligung wegen unverschuldetem Sozialhilfebezug nicht mehr möglich sein soll.

Die Kommission tagte am 27./28. Mai 2021 unter dem Vorsitz von Nationalrat Andreas Glarner (V, AG) in Bern.