Werden Angehörige von Drittstaaten Opfer häuslicher Gewalt, droht Ihnen bei der Auflösung der Ehe oder Familiengemeinschaft oftmals der Verlust ihrer Aufenthaltsrechte. Durch die Erweiterung und Präzisierung der Härtefallregelung im Ausländer- und Integrationsgesetz (AIG) will die Staatspolitische Kommission (SPK) des Nationalrates die Gewaltbetroffenen besser schützen.

[21.504] Die Härtefallregelung im AIG soll so geändert werden, dass im Falle von häuslicher Gewalt nicht weiter nur die Aufenthaltsrechte von Ehepartnerinnen und -partner von Schweizerinnen und Schweizern und von Personen mit einer Niederlassungsbewilligung gewährleistet sind. Neu sollen auch Personen mit einer Aufenthalts- oder einer Kurzaufenthaltsbewilligung sowie vorläufig Aufgenommene einen besseren Schutz erhalten. Neben Personen in einer ehelichen Gemeinschaft betrifft die Regelung auch Personen in einer eingetragenen Partnerschaft sowie Konkubinatspartnerinnen und -partner.

Mit ihrer Vorlage will die Kommission gleichzeitig den Begriff der häuslichen Gewalt konkretisieren, indem im Gesetz Hinweise und Merkmale häuslicher Gewalt bespielhaft aufgeführt werden. Für die Anwendung der neuen Regelung sollen die Kantone zuständig sein. Wie bei der bestehenden Regelung zur Zulassung schwerwiegender persönlicher Härtefälle benötigen sie auch für die Anwendung der erweiterten Regelung die Zustimmung der Bundesbehörden.

Bereits an ihrer Sitzung vom 17. August 2023 hatte die Kommission die überwiegend positiven Stellungnahmen der Vernehmlassung (24.11.22 – 15.3.23) zur Kenntnis genommen, an ihrem Entwurf einige Präzisierungen vorgenommen und diesen in der Gesamtabstimmung mit 16 gegen 7 Stimmen angenommen. Mit der Zustimmung zum überarbeiteten Bericht hat die SPK ihre Vorlage nun definitiv zuhanden ihres Rates verabschiedet und unterbreitet sie gleichzeitig dem Bundesrat zur Stellungnahme. Der Nationalrat wird sich voraussichtlich in der Wintersession mit dem Geschäft befassen.

Gegnerische Stimmen befürchten, dass die beabsichtigten Erweiterungen der Aufenthaltsrechte ein Missbrauchspotenzial bergen. Durch den Gesetzesentwurf sei die Objektivierbarkeit von häuslicher Gewalt nicht gewährleistet.

Der Erlass- und Berichtentwurf sind unter folgendem Link abrufbar:

www.parlament.ch/centers/documents/_layouts/15/DocIdRedir.aspx?ID=DOCID-1-11773

Zulassungserleichterungen für Ausländerinnen und Ausländer mit Schweizer Hochschulabschluss: Rückweisung der Vorlage

Die Vorlage betreffend die erleichterte Zulassung von Ausländerinnen und Ausländern mit Schweizer Hochschulabschluss (22.067) soll an den Bundesrat zur Überarbeitung zurückgewiesen werden. Die Kommission stimmt dem vom Ständerat in der vergangenen Herbstsession gefällten Rückweisungsbeschluss ohne Gegenantrag zu. Gemäss Beschluss des Ständerates soll der Bundesrat verfassungskonforme Erleichterungen der Zulassung von Ausländerinnen und Ausländern mit Schweizer Hochschulabschluss vorschlagen. Die SPK des Nationalrates erachtet das Problem des Fachkräftemangels nach wie vor als dringend und erwartet rasch Lösungsvorschläge.

Gleiche Rechte für Schweizerinnen und Schweizer beim Familiennachzug aus Drittstaaten: Weitere Abklärungen

Die Kommission hat von der Stellungnahme des Bunderates vom 23. August 2023 zu der von ihr erarbeiteten Vorlage betreffend die Rechte von Schweizerinnen und Schweizer beim Familiennachzug aus Drittstaaten Kenntnis genommen (19.464 Pa.Iv. Beseitigung und Verhinderung der Inländerinnen- und Inländerdiskriminierung beim Familiennachzug). Der Bundesrat beantragt zwar, auf die Vorlage einzutreten, schlägt aber vor, die Verfassungsmässigkeit der Vorlage zu prüfen und weitere statistische Daten zu erheben. Die Kommission ist zum Schluss gekommen, dass es im Interesse der Vorlage ist, die Frage der Verfassungsmässigkeit vertiefter zu erläutern sowie weitere statistische Daten zu erfassen. Sie hat deshalb die Verwaltung beauftragt, die entsprechenden Abklärungen vorzunehmen. Die Vorlage wird deshalb erst nächstes Jahr dem Rat unterbreitet.

Austausch von Strafregisterauszügen zwischen der Schweiz und der EU

Der Kanton Tessin reichte 2015 zwei Standesinitiativen (15.320/15.321) ein, die verlangen, dass bei der Beantragung von Aufenthaltsbewilligungen durch EU-Bürgerinnen und -Bürger systematisch ein Strafregisterauszug vorgelegt wird. Beiden Initiativen gaben die Staatspolitischen Kommissionen (SPK) Folge.

Auf Grundlage der beiden Standesinitiativen reichte die SPK-N ein Postulat (17.3269) ein, mit dem der Bundesrat beauftragt wurde, zu prüfen, ob Verhandlungen mit der EU betreffend den Beitritt der Schweiz zu ECRIS (European Criminal Records Information System) aufgenommen werden sollen. Das Programm ermöglicht EU-Mitgliedstaaten den Austausch von Daten über Strafverfolgungen. Die Kommission wollte vom Bundesrat ausserdem wissen, ob durch einen Beitritt der Schweiz zu ECRIS das Anliegen der Tessiner Standesinitiativen erfüllt werden kann.

An der heutigen Sitzung hat die Kommission Kenntnis genommen vom Bericht, den der Bundesrat in Erfüllung ihres Postulats erstellt hat. Sie unterstützt die Schritte, die der Bundesrat im Hinblick auf einen Beitritt der Schweiz zu ECRIS unternommen hat. Die Kommission hat ausserdem zur Kenntnis genommen, dass ein Beitritt zu ECRIS nicht ausreicht, um die Initiativen 15.320 und 15.321 des Kantons Tessin vollständig umzusetzen, da eine systematische Vorlage des Strafregisterauszugs nicht verlangt werden kann. Der Austausch von Strafregisterdaten würde aber erleichtert.

Deshalb möchte die Kommission als Alternative den Abschluss eines bilateralen Abkommens mit Italien prüfen. Allfällige Entscheidungen diesbezüglich werden zu einem späteren Zeitpunkt getroffen.

Kontinuität und Unabhängigkeit der obersten Leitung der Parlamentsverwaltung soll gestärkt werden

Das Parlament soll über starke und unabhängige Führungsorgane verfügen. Mit der Vorlage betreffend die Handlungsfähigkeit des Parlamentes in Krisenzeiten (20.437/20.438) wurde das Parlament gestärkt, aber die Frage, wie die Tätigkeit der obersten Leitung der Parlamentsverwaltung kontinuierlicher wahrgenommen werden könnte, blieb offen. Die Kommission will diese Problematik nun in Angriff nehmen und reicht ohne Gegenantrag eine entsprechende Kommissionsinitiative ein (23.471 Stärkung der Kontinuität und der Unabhängigkeit der obersten Leitung der Parlamentsverwaltung). Mit dieser wurden Zielsetzungen formuliert, so dass verschiedene Lösungen möglich sind.

Evaluierungsmechanismus Schengen

Mit 17 zu 7 Stimmen beantragt die Kommission ihrem Rat, den Bundesbeschluss über die Genehmigung des Notenaustausches zwischen der Schweiz und der EU betreffend die Übernahme der Verordnung (EU) 2022/922 zur Evaluierung von Schengen (23.053) unverändert anzunehmen. Die Verordnung soll den Evaluierungsmechanismus wirksamer, flexibler und effizienter machen. Die wichtigsten Neuerungen umfassen Massnahmen zur Beschleunigung des Verfahrens, zur Flexibilisierung sowie zur gezielten Nutzung der zur Verfügung stehenden Prüfinstrumente. Die Minderheit beantragt Nichteintreten.

Resettlementprogramm 2024/25

Mit 12 zu 10 Stimmen bei 2 Enthaltungen beantragt die Kommission ihrem Rat, die Motion 23.3096 («Aussetzung des Resettlement-Programms 2024/25») von Ständerat Germann abzulehnen. Sie verweist dabei insbesondere auf die bisherige pragmatische Umsetzung des Bundesrates. Die Minderheit ist der Ansicht, dass die Schweiz ihren Beitrag bei der Aufnahme von Asylsuchenden bereits leistet, und beantragt deshalb, die Motion anzunehmen.

Die Kommission tagte am 12./13. Oktober 2023 unter dem Vorsitz von Nationalrat Marco Romano (M-E, TI) in Bern.