Vom 10. bis zum 11. Oktober 2022 weilten sechs Mitglieder der Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur des Nationalrates (WBK-N) zu einem Arbeitsbesuch in Brüssel. Im Zentrum der Gespräche mit Vertreterinnen und Vertretern des Europäischen Parlaments, der Europäischen Kommission und europäischer Forschungsdachverbände stand die derzeit blockierte Assoziierung der Schweiz an das EU-Forschungsprogramm «Horizon Europe».

Die Schweiz gilt bei «Horizon Europe» und den damit verbundenen Programmen und Initiativen seit Juni 2021 als nicht assoziiertes Drittland. Schweizer Forschende können sich deshalb nur in beschränktem Ausmass an Ausschreibungen beteiligen und dürfen keine Projektleitungen übernehmen. Die Delegation der WBK-N nutzte ihren Aufenthalt in Brüssel, um sich aus erster Hand über die Gründe der Nichtassoziierung zu informieren und im direkten Austausch mit den europäischen Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartnern für eine baldige Aufnahme der Assoziierungsverhandlungen zu plädieren. 

Im Gespräch mit den beiden Europaabgeordneten Maria de Graça Carvalho (Portugal, EPP) und Christophe Grudler (Frankreich, Renew) aus dem Ausschuss für Industrie, Forschung und Energie (ITRE) kam klar zum Ausdruck, dass der ITRE-Ausschuss eine Weiterführung der bewährten Forschungszusammenarbeit mit der Schweiz begrüssen würde und sich gegenüber der Europäischen Kommission auch dafür einsetzt. Mit dem Europaabgeordneten Lukas Mandl (Österreich, EPP), der Mitglied des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten und Berichterstatter für die Beziehungen zur Schweiz ist, unterhielt sich die Delegation über die Stossrichtung des geplanten Schweiz-Berichts des Europäischen Parlaments. Im Mittelpunkt der Treffen mit der «European Universities Association», «Science Europe» und «The Guild» standen die Bemühungen dieser Forschungsdachverbände um eine baldige Wiederaufnahme der Schweiz in das EU-Forschungsprogramm. Mit den Vertretern der britischen Mission bei der EU tauschten sich die Delegationsmitglieder über die Situation des Vereinigten Königreichs aus, das sich zurzeit auch nicht vollumfänglich an der EU-Forschungskooperation beteiligen kann. Die britischen Gesprächspartner erläuterten zudem die Pläne für ein nationales Forschungsprogramm, das im Falle eines permanenten Ausschlusses des Vereinigten Königreichs aus «Horizon Europe» umgesetzt werden soll.

Mit dem stellvertretenden Generalsekretär der Europäischen Kommission John Watson diskutierten die Ratsmitglieder über die Gesamtsicht der Europäischen Kommission auf die Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU und die Hintergründe der blockierten Assoziierung. Watson machte deutlich, dass im Horizon-Dossier nur dann Bewegung zu erwarten ist, wenn bei den übergeordneten Fragen in den Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU ausreichend Klarheit bestehe. Nach dem Abbruch der Verhandlungen über das institutionelle Abkommen könne die Frage der Horizon-Assoziierung nicht losgelöst vom Stand der Gesamtbeziehungen betrachtet werden.

Gegenüber ihren Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartnern bezeichneten die Delegationsmitglieder den Ausschluss der leistungsstarken Schweizer Forschungseinrichtungen aus der europäischen Zusammenarbeit als verpasste Gelegenheit für beide Seiten. So schmälere die Nichtassoziierung der Schweiz die Attraktivität des hiesigen Forschungs- und Innovationsstandorts. Gleichzeitig bedeute der Ausschluss aber auch, dass Europas Spitzenwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler auf die zusätzlichen Kenntnisse und Ressourcen der Schweizer Institutionen verzichten müssen.

Die WBK-Mitglieder betonten auch, dass sich der politisch motivierte Ausschluss der Schweiz kontraproduktiv auswirkt. So sehe sich die Schweiz gezwungen, ihre internationale Forschungszusammenarbeit zu diversifizieren. Gleichzeitig schwäche die Massnahme jene politischen Kräfte in der Schweiz, die sich für ein konstruktives Verhältnis zur Europäischen Union und eine Stärkung der bilateralen Beziehungen einsetzen.

Die WBK-N war auf diesem Arbeitsbesuch durch ihren Präsidenten, Nationalrat Fabien Fivaz (Grüne, NE), die Nationalrätinnen Diana Gutjahr (SVP, TG) und Valérie Piller Carrard (SP, FR) sowie die Nationalräte Thomas Brunner (Grünliberale, SG), Philipp Kutter (Die Mitte, ZH) und Christian Wasserfallen (FDP, BE) vertreten.