Die Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur des Ständerates (WBK-S) hat an ihrer zweitägigen Sitzung ausführliche Anhörungen zum Horizon-Paket 2021-2027 (20.052), zur Änderung des ETH-Gesetzes (19.065) und zur Kulturbotschaft 2021-2024 (20.030) durchgeführt. Sie begrüsst die bundesrätlichen Vorlagen und ist nach eingehender Diskussion jeweils einstimmig auf die drei Vorlagen eingetreten. Die WBK-S wird die Detailberatungen an ihrer Augustsitzung aufnehmen.

Horizon-Paket

Um ein möglichst umfassendes Bild des Horizon-Pakets 2021-2027 (20.052) zu erhalten, hat die Kommission die Vorlage mit Expertinnen und Experten aus der Forschung und der Wirtschaft (Schweizerischer Nationalfonds, Swissuniversities, ETH-Rat, verschiedene Forschungsinstitute, Economiesuisse, Scienceindustries) diskutiert. Mit Befriedigung stellt sie fest, dass sich die Schweiz äusserst erfolgreich an den Rahmenprogrammen der Europäischen Union für Forschung und Innovation beteiligt, welche nach dem Schweizerischen Nationalfonds die zweitwichtigste öffentliche Förderquelle für Forschung und Innovation in der Schweiz und die wichtigste für Unternehmen, insbesondere für die KMU, darstellen. Die Kommission teilt das Anliegen des Bundesrates, die Beteiligung der Schweiz an Horizon möglichst nahtlos zu verlängern. Entsprechend deutlich fiel der Eintretensentscheid aus.
Mit der Horizon-Botschaft beantragt der Bundesrat die finanziellen Mittel im Umfang von total rund 6 Milliarden, um die Beteiligung der Schweiz am nächsten Rahmenprogrammen der Europäischen Union für Forschung und Innovation sicherzustellen. Das «Horizon Europe» genannte Programm ist das grösste und umfassendste Förderprogramm für Forschung und Innovation der Welt und deckt von Projekten der Grundlagenforschung bis zu solchen an der Schwelle zum Markteintritt (namentlich von Start-up-Unternehmen) die gesamte Wertschöpfungskette ab. Neben der Beteiligung an «Horizon Europe» sind in das Horizon-Paket auch die finanziellen Mittel zur Teilnahme am Euratom-Programm, an ITER und am «Digital Europe Programme» (DEP) integriert.

ETH-Gesetz

Vor dem Hintergrund einer Anhörung mit der Eidgenössischen Finanzkontrolle (EFK) hat die WBK-S die Eintretensdebatte auf die Änderung des ETH-Gesetzes (19.065) geführt. Sie unterstützt die Grundlinien der Vorlage und begrüsst insbesondere die klaren Vorgaben im Bereich Corporate-Governance.
Der Nationalrat hatte in der Sommersession verschiedene Änderungen am Entwurf des Bundesrates vorgenommen. Mit dem Revisionsvorschlag des Bundesrates werden die Vorgaben der Corporate-Governance-Politik und die Empfehlungen der Eidgenössischen Finanzkontrolle umgesetzt. Darüber hinaus werden damit die notwendigen rechtlichen Grundlagen für verschiedene Tätigkeitsfelder des ETH-Bereichs geschaffen, so u. a. für den Verkauf von erzeugter oder gekaufter überschüssiger Energie, den Sicherheitsdienst und die Videoüberwachung, aber auch für das Rentenalter der Professorinnen und Professoren.

Kulturbotschaft

Nach ihrer nationalrätlichen Schwesterkommission ist auch die WBK-S einstimmig auf die Kulturbotschaft 2021–2024 (20.030) eingetreten, in welcher der Bundesrat die strategische Ausrichtung der Kulturpolitik festlegt und für deren Umsetzung insgesamt 934,5 Millionen Franken beantragt.
Wie in der Schwesterkommission lag der Fokus auf der vom Bundesrat vorgesehenen Änderung des Bundesgesetzes über Filmproduktion und Filmkultur (Filmgesetz). Die Vorlage sieht vor, dass Unternehmen, die in der Schweiz Filme in ihren Programmen zeigen oder über elektronische Abruf- oder Abonnementsdienste anbieten, zur Förderung der Angebotsvielfalt mindestens zu 30 Prozent europäische Filme zeigen und jährlich mindestens 4 Prozent ihrer Bruttoeinnahmen für das unabhängige Schweizer Filmschaffen aufwenden oder eine entsprechende Ersatzabgabe bezahlen müssen. Diese Pflicht soll neu für alle Marktteilnehmer gelten und somit auch für Unternehmen, die ihren Sitz im Ausland haben und auf das schweizerische Publikum abzielen. Sie hat beschlossen, eine gleichzeitige Beratung der Finanzierungsbeschlüsse in der Herbstsession zu beantragen, möchte sich jedoch im ordentlichen Verfahren und damit im vierten Quartal vertieft mit dem Filmgesetz auseinandersetzen.

Deklaration von Brot und Backwaren

Die Kommission hat sich mit der Motion  19.4179 s Mo. Hegglin Peter. Deklaration der Herkunft und des Verarbeitungsorts von Brot und Backwaren befasst. Sie war ihr vom Ständerat zur Vorprüfung zugewiesen worden. Die Motion möchte erreichen, dass die Geschäfte, welche direkt oder in verarbeiteter Form (z. B. Sandwiches) Brot und Backwaren verkaufen oder bereitstellen (z. B. Restaurants), an einem für den Kunden sichtbaren Platz die Herkunft der Rohwaren und den Verarbeitungsort aufzeigen.
Die Kommission erwog auf der Grundlage der Zuweisung durch den Ständerat die Position der Branche und nahm mit Vertretern des Bundesamts für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) eine Auslegeordnung zu den entsprechenden Bestimmungen im Lebensmittelrecht vor. Sie ist sich bewusst, dass angesichts der steigenden Importe von Backwaren die Bedeutung von deren Rückverfolgbarkeit zunimmt. Die Kommission möchte deshalb eine Deklarationspflicht des Produktionslandes für offen verkauftes Brot und Backwaren einführen. Dabei sollen die Angaben an einem für den Kunden sichtbaren Platz erfolgen. Die obligatorische schriftliche Angabe der Herkunft der Rohstoffe lehnt sie jedoch ab. Die Kommission empfiehlt deshalb die Motion 19.4179 zur Ablehnung (Beschluss mit 9 zu 1 Stimmen gefasst) und eine eigene, neu eingereichte Motion (20.3910) zur Annahme (Beschluss einstimmig gefasst).

Auch die ständerätliche WBK möchte die Kantone im Bereich der Politik der frühen Kindheit unterstützen

Die Kommission beantragt mit 8 zu 5 Stimmen ihrem Rat die Annahme der Vorlage ihrer Schwesterkommission in Umsetzung der parlamentarischen Initiative 17.412 n Pa. Iv. Aebischer Matthias. Chancengerechtigkeit vor dem Kindergartenalter. Die Vorlage hat zum Ziel, der Politik der frühen Kindheit neue Impulse zu geben. Der Bund soll die Kantone dabei unterstützen, strategiegebundene Massnahmenpakete im Bereich der frühen Kindheit zu entwickeln und umzusetzen. Die Kantone würden einmalig Finanzhilfen erhalten für die Dauer von je drei Jahren in der Höhe von jährlich 100'000 Franken. Das entspricht einem maximalen Finanzvolumen von 8.45 Millionen Franken.
Die Kommission anerkennt die Bedeutung einer Politik der frühen Kindheit. Zahlreiche Studien hätten in den letzten Jahren gezeigt, dass eine gezielte Förderung der Chancengerechtigkeit beim Eintritt in die Schule die Bildungschancen insbesondere von Kindern aus sozial benachteiligten Familien insgesamt erhöhe. Die Investition in die Politik der frühen Kindheit sei eine effektive Massnahme zur Bekämpfung von Armut und erweise sich – relativ zu späteren Unterstützungs- und Fördermassnahmen – als kostengünstig. Die Mehrheit der Kommission unterstützt deshalb die Vorlage. Es sei wichtig, bundesseitig einen weiteren Impuls zur Entwicklung dieses Politikfeldes zu geben.
Eine Minderheit lehnt die Vorlage ab. Sie stellt die Bedeutung der frühkindlichen Bildung, Betreuung und Erziehung (FBBE) nicht in Abrede. Sie verweist aber auf die zahlreichen bedarfsgerechten Angebote und Strategien im Bereich der frühen Förderung auf kantonaler und kommunaler Ebene, die bereits heute existieren. Die primäre Zuständigkeit im Bereich der FBBE liege eindeutig bei den Kantonen und Gemeinden; eines Impulses zur Entwicklung von Massnahmenpaketen bedürfe es nicht.
Das Geschäft wird voraussichtlich in der Herbstsession im Ständerat behandelt.

Keine Zustimmung für eine Präzisierung des Instruments der Lohngleichheitsanalyse

Die Kommission hat mit 7 zu 6 Stimmen beschlossen, der Initiative ihrer Schwesterkommission 20.400 n Pa. Iv. WBK-NR. Lohngleichheit. Übermittlung der Analyseergebnisse an den Bund keine Folge zu geben.
Ab dem 1. Juli 2020 müssen die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber, die mehr als 100 Mitarbeitende beschäftigen, eine Lohngleichheitsanalyse vornehmen. Die Initiative möchte diese nun dazu verpflichten, das Ergebnis der Lohngleichheitsanalyse dem Bund zu übermitteln. Dies ist aktuell im Gesetz nicht vorgesehen.
Die Kommission lehnt es ab, das Gesetz anzupassen, bevor die erste Analyse durchgeführt worden sei. Im Sinne der Rechtssicherheit gelte es, erste Erfahrungen mit dem Instrument zu machen, bevor die Regeln allenfalls geändert würden. Teile der Kommission hätten im Hinblick auf die Evaluation der Wirksamkeit der Lohngleichheitsanalysen eine solche Gesetzesanpassung begrüsst.

Massnahmen zur Verringerung der sozialen Selektivität

Die Kommission beantragt mit 5 zu 4 Stimmen die Ablehnung der Motion 19.3418 n Mo. Nationalrat (WBK-NR). Massnahmen zur Verringerung der sozialen Selektivität. Die Motion verlangt vom Bundesrat, in seiner nächsten BFI-Botschaft Massnahmen zur Verringerung der sozialen Selektivität vorzusehen. Die Kommission verweist darauf, dass die Chancengerechtigkeit eines der drei transversalen Themen der sich aktuell im parlamentarischen Prozess befindenden BFI-Botschaft 2021-24 und die Motion damit hinfällig geworden sei.

Unterstützung von Institutionen der familienergänzenden Kinderbetreuung

Die Unterstützung von Institutionen der familienergänzenden Kinderbetreuung zur Abfederung der finanziellen Folgen der Corona-Pandemie scheint nicht überall anzukommen. Dies nahm die Kommission mit Besorgnis zur Kenntnis. Tatsächlich hat der Bundesrat in einer entsprechenden Verordnung festgehalten, dass Institutionen, die von der öffentlichen Hand betrieben werden, kein Anrecht auf Entschädigungen hätten. Die Kommission hat deshalb mit 10 zu 3 Stimmen beschlossen, eine Motion einzureichen, die den Bundesrat beauftragt, die Verordnung so anzupassen, damit auch die erwähnten Institutionen berücksichtigt werden (20.3912). Eine Minderheit beantragt die Ablehnung der Motion.
An der ausserordentlichen Session hatten National- und Ständerat auf Antrag beider WBK beschlossen (Motionen 20.3128 und 20.3129), Finanzhilfen im Umfang von insgesamt 65 Millionen Franken zugunsten der Institutionen der familienergänzenden Kinderbetreuung zu gewähren für die entgangenen Betreuungsbeiträge der Eltern.

Agroscope

Anlässlich der Diskussion um fünf Motionen zur Agrarfoschung liess sich die Kommission vom Vorsteher des WBF über die zukünftige Standortstrategie des landwirtschaftlichen Kompetenzzentrums Agroscope informieren. Mit Befriedigung stellt sie fest, dass sich die Reorganisation von Agroscope auf gutem Weg befindet, und beantragt ihrem Rat daher die Ablehnung der Motionen 18.3382 (ohne Gegenantrag) und 18.3390 (ohne Gegenantrag). Die Motion 18.3404 möchte sie dem Bundesrat lediglich im Sinne eines Prüfauftrags überweisen (einstimmig mit 11 zu 0 Stimmen). Damit die erzielten Effizienzgewinne direkt der Agrarforschung zugutekommen, beantragt die WBK-S mit 7 zu 2 Stimmen bei 1 Enthaltung die Annahme der Motion «Strukturelle Reform bei Agroscope. Sofortige Umwidmung der Effizienzgewinne zugunsten der Agrarforschung» (20.3014). Da die Landwirtschaft durch den Klimawandel und den öffentlichen Druck zu weniger Pestizid- und Antibiotikaeinsatz vor grossen Herausforderungen steht, muss die Agrarforschung und der Wissensaustausch mit der Praxis nach Ansicht der Kommission unbedingt gestärkt werden. Hingegen beantragt die Kommission 9 zu 0 Stimmen bei 2 Enthaltungen die Ablehnung der Motion 19.3072, da für den Voranschlag 2020 und für die Folgejahre eine Mittelaufstockung beim Fibl bereits beschlossen wurde.

Die Kommission hat am 25./26. Juni 2020 unter dem Vorsitz von Ständerat Hannes Germann (SVP, SH) sowie Benedikt Würth (CVP, SG) und teilweise im Beisein von Vizepräsident des Bundesrates
Guy Parmelin, Vorsteher WBF, und Bundesrat Alain Berset, Vorsteher EDI, in Bern getagt.