In vielen Parlamenten spielen die Abgeordneten zusammen in Fussballmannschaften. Diese verfolgen neben dem sozialen Austausch oft auch karitative Zwecke. Anlässlich der beginnenden Fussballeuropameisterschaft haben die Parlamentsdienste einen Blick ins Ausland vorgenommen. Im Folgenden das Ergebnis einer Recherche über die Landesgrenzen hinaus.

Heute, am 11. Juni 2021 beginnt mit einem Jahr Verspätung die Fussballeuropameisterschaft. Während dem nächsten Monat werden sich die 24 qualifizierten Länderteams Europas gegeneinander auf dem Rasen messen und Millionen Zuschauer (hoffentlich) mit torreichen Spielen begeistern. Sport verbindet - und das gilt nicht nur für die Fans, sondern vor allem auch für die vielen Menschen auf der Welt, die in Sportvereinen tätig sind.

Im Schweizer Parlament gibt es mit dem FC Nationalrat (Männer) und dem FC Helvetia (Frauen) gleich zwei Fussballmannschaften, deren Mitglieder sich regelmässig zum Spiel mit dem runden Leder treffen (Artikel). Es handelt sich dabei nicht um offizielle parlamentarische Organe, sondern um Vereine, die ihre Einnahmen durch Mitgliederbeiträge und Sponsoring tätigen. Der Spass auf dem Platz und das Überwinden der politischen Gräben stehen dabei im Vordergrund. Doch nicht nur die Schweizer Parlamentarierinnen und Parlamentarier kicken. Ein Blick ins Ausland zeigt, dass es ihnen viele Abgeordnete von anderen Parlamenten gleichtun.

FC Bundestag e.V. (Deutschland)

Der Parlamentsfussball in Deutschland hat eine lange Geschichte. Seine Wurzeln hat der FC Bundestag im Jahr 1961, als Abgeordnete des Deutschen Parlaments im Rahmen einer Benefizveranstaltung gegen Prominente aus Fernsehen, Presse und Politik antraten. Mehrere tausend Zuschauerinnen und Zuschauer haben das Spiel mitverfolgt, was zu Einnahmen von rund 10 000 deutschen Mark geführt hat. Das Geld kam unter anderem Kriegsblinden in Deutschland zugute. Der Idee der Benefizveranstaltungen folgend, wurde der FC Bundestag 1967 offiziell gegründet. Das Ziel des Clubs ist es bis heute, sich für karitative Zwecke einzusetzen. Zitat aus clubeigenen Homepage: «Wann immer es möglich ist, versucht [der FC Bundestag] dort Not zu lindern und Aufbauarbeit zu leisten, wo eine staatliche Stelle überfordert oder nicht zuständig scheint und auch von keiner anderen Seite Hilfe zu erwarten ist.»

Die Mannschaft des FC Bundestags besteht aktuell aus 73 ehemaligen und aktuellen männlichen Mitgliedern des Deutschen Parlaments. Die Fussballmannschaft, die in den Trikots der deutschen Nationalelf spielt, absolviert bis zu 20 Spiele pro Jahr. Das erste internationale Spiel fand übrigens 1971 in Altstätten (CH) gegen den schweizerischen FC Nationalrat statt.

FC Bundestag e.V. (2018) Bild: Studio Kohlmeier

FC Bundestag e.V. (2018) Bild: Studio Kohlmeier

FC Nationalrat (Österreich)

In Österreich gibt es als Pendant zur Schweiz auch einen FC Nationalrat (ebenfalls benannt nach der Abgeordnetenkammer). Der österreichische FC Nationalrat wurde 1971 gegründet und war lange Zeit eine reine Männermannschaft. Seit Oktober 2020 spielen im 30köpfigen Team ebenfalls drei Frauen mit. Spannender Fakt: alle drei Spielerinnen gehören dem Grünen Klub an.

Der österreichische FC Nationalrat wird seit 2020 durch drei Frauen verstärkt. Bild: Zinner/Parlamentsdirektion

Nazionale italiana parlamentari (Italien)

«Sport und Solidarität» ist das Motto der italienischen Nationalmannschaft der Parlamentarier, welche dieses Jahr ihr 40-jähriges Bestehen feiert. Das Team wurde 1981 gegründet und hat seither hunderte von Spielen im In- und Ausland bestritten. Die Spiele dienen der Beschaffung von Geldern für soziale und solidarische Projekte. Das Training findet einmal pro Woche und traditionell bei jedem Wetter statt. Nach dem Training folgt jeweils ein gemeinsames Abendessen. Es ist gemäss der Homepage des Clubs ein geselliger Moment, der dazu beiträgt, die Kontakte zu pflegen und die Werte des Teams zu stärken.

Seit einigen Jahren existiert neben dem nationalen Parlamentarier-Team ebenfalls ein Frauen-Team, das sich aus weiblichen Abgeordneten des Italienischen und Europäischen Parlaments zusammensetzt. Auf dem Spielfeld ist das Frauenteam seit dem 24. November 2015 aktiv. Das weibliche Abgeordnetenteam vertritt eine klare Botschaft: Vielfalt ist ein wichtiger Wert. Sowohl Frauen als auch Männer sind in der Lage, alles zu tun – angefangen beim Fussball.

Frauenteam der italienischen Abgeordneten (2015), Bild: www.calciofemminileitaliano.it

Frauenteam der italienischen Abgeordneten (2015), Bild: www.calciofemminileitaliano.it

Männerteam der italienischen Abgeordneten (undatiert), Bild: www.nazionaleparlamentari.it

Männerteam der italienischen Abgeordneten (undatiert), Bild: www.nazionaleparlamentari.it

Équipe de France de football de l’Assemblée nationale (Frankreich)

Inklusion und Solidarität finden sich in unserem Nachbarland der Aufklärung in einem einzigen Team vereint: der Équipe de France de football de l'Assemblée nationale. Das Team wurde im Juni 2014 als gemischtes Team gegründet, mit der Absicht, die Botschaft der Gleichheit durch den Sport zu vermitteln, jenseits politischer Ansichten. Wie viele seiner Nachbarländer widmet auch das französische Team seine sportlichen Aktivitäten dem Sammeln von Spenden für wohltätige Zwecke.

Gemischtes Team der Assemblée nationale (2019), Bild: Facebook Équipe de France de football de l'Assemblée nationale

Gemischtes Team der Assemblée nationale (2019), Bild: Facebook Équipe de France de football de l'Assemblée nationale

All-Party Parliamentary Football Club Group und UK Women’s Parliamentary Football Club (England)

In England, dem Mutterland des Fussballs, gibt es sowohl ein eigens Männer- als auch ein eigenes Frauenteam. Als Zweck geben die Männer in ihren Vereinsstatuten ganz simpel an: «To play football and raise money for charity.»

Im Frauenteam spielen neben Parlamentarierinnen ebenfalls politische Journalistinnen mit. Die Mannschaft existiert gemäss der Webseite ihres Sponsors Barclays seit 2018. Gemäss der Abgeordneten Rosena Chantelle Allin-Khan, die für das Team spielt, ist überparteiliche Brückenbauen und der Spass am Fussball wichtig: «Es ist mir egal, wer welcher Partei angehört, es macht null Unterschied. Jede Woche beim Training lachen wir eine Stunde lang, nehmen uns gegenseitig auf die Schippe und haben einfach Spass.» (Quelle: https://home.barclays)

Frauenteam der englischen Parlamentarierinnen (2019). Bild: https://home.barclays

Frauenteam der englischen Parlamentarierinnen (2019). Bild: https://home.barclays

FC Nationalrat (Schweiz)

Der FC Nationalrat wurde 1967 von Helmut Hubacher (SP/BS) und Albin Breitenmoser (CVP/BS) gegründet. Offenbar hatten die beiden Parlamentarier keine Lust mehr, die Dienstagnachmittage mit Jassen zu verbringen, weshalb jeweils an diesem Nachmittag ein Training einberufen wurde (Artikel).

Heute trifft sich der FC Nationalrat jeden Dienstagabend während der Session zu einem Spiel gegen eine andere Mannschaft. Es sind Spiele gegen Parlamentsteams wie dem FC Grossrat des Kantons Bern oder gegen Sponsoren wie McDonald`s, Credit Suisse oder die Nationalmannschaft der Winzer. Trainiert wird der FC Nationalrat von Roger Hegi, ehemaliger Profifussballer und Trainer des FC St. Gallen. Gemäss Eric Nussbaumer, dem aktuellen Captain der Mannschaft, ist das Ziel, in Zukunft noch stärker für karitative Zwecke zu kicken.

Der FC Nationalrat vor dem Spiel gegen die Winzernationalmannschaft am 8. Juni 2021 beim Sportplatz Weissenstein in Bern. Bild: Béatrice Devènes

Der FC Nationalrat vor dem Spiel gegen die Winzernationalmannschaft am 8. Juni 2021 beim Sportplatz Weissenstein in Bern. Bild: Béatrice Devènes

Das Spiel gegen die Winzer war hart umkämpft und wurde schliesslich, nach einem 0:1 Rückstand, 2:1 gewonnen. Bild: Béatrice Devènes

Das Spiel gegen die Winzer war hart umkämpft und wurde schliesslich, nach einem 0:1 Rückstand, 2:1 gewonnen. Bild: Béatrice Devènes

FC Helvetia (Schweiz)

Frauen dürfen zwar seit 1997 im schweizerischen FC Nationalrat mitspielen. Dennoch ist im Herbst 2020 mit dem FC Helvetia offiziell die erste Parlamentsfrauenmannschaft gegründet worden. Der Name bezieht sich auf die Bewegung «Helvetia ruft», die das Ziel hat, den Frauenanteil in der Politik zu erhöhen.

Die Frauenmannschaft trainiert jeweils am 2. Mittwoch in der Session. Trainiert wird das Team von Franziska Schild (sportliche Leiterin beim Fussballverband Bern/Jura) und Nicole Gassmann (Swiss Olympic). Aktuell sind im FC Helvetia über 20 Frauen aktiv (siehe Liste auf Swiss Olympic). Das angestrebte Ziel ist es, jeweils einmal pro Session gegen eine andere Frauenmannschaft zu spielen. Das erste Spiel ist auf den 28. September 2021 gegen das Frauenteam vom Roten Kreuz geplant.

Gründung des FC Helvetia im September 2020, Bild: Swiss Olympic

Gründung des FC Helvetia im September 2020, Bild: Swiss Olympic

Der FC Helvetia beim Mittagstraining am 9. Juni 2021. Bild: Swiss Olympic

Der FC Helvetia beim Mittagstraining am 9. Juni 2021. Bild: Swiss Olympic

Fussball EM der Parlamentarier

Seit 1971 messen sich Deutschland, Österreich und die Schweiz an einem internationalen Parlamentarierfussballturnier, seit 1977 ist ebenfalls Finnland mit dabei. Gastgeber ist jedes Jahr ein anderes der vier Länder. Neben dem Spiel auf dem Rasen stehen auch jeweils kulturelle Aktivitäten und der interparlamentarische Dialog auf dem Programm. Nachdem das letztjährige Turnier coronabedingt abgesagt werden musste, wird das diesjährige, 48. Turnier vom 26. – 29. August in Wesel, Deutschland stattfinden.

Gespielt wird in der Regel 2x30 Minuten mit 10 Minuten Pause. Die Schweiz durfte sich zuletzt 2018 Europameisterin nennen.

Siegesbilanz seit 1971

Österreich 15 Titel

Finnland 12 Titel

Schweiz 9 Titel

Deutschland 9 Titel

Das Turnier in Deutschland 2005 wurde aufgrund eines Todesfalls abgebrochen, da Nationalrat Jost Gross mitten in einem Spiel starb (Medienmitteilung)


Warum spielt Finnland mit an der interparlamentarischen EM?

Antwort auf diese Frage gibt Toni Bortoluzzi, Alt-Nationalrat und ehemaliger Captain des FC Nationalrat. Die Finnen kamen 1977 ins Turnier. Dies hatte offenbar politische Gründe. Zur Zeit des Kalten Krieges suchte Finnland – das an Russland angrenzt – die Nähe zu Mitteleuropa, denn die Angst vor einer Machtübernahme durch die Sowjetunion war omnipräsent. Die Teilnahme am internationalen Fussballturnier war eine Möglichkeit, die Beziehungen zum Westen zu pflegen. Das Parlamentsfussballturnier jener Zeit stellte gemäss Bortoluzzi einen bedeutenden, diplomatischen Austausch zwischen den Ländern dar.


Hinweis: Da es sich bei den parlamentarischen Fussballmannschaften der Schweiz nicht um politische Organe handelt, ist der FC Nationalrat bei der Sport-Toto-Gesellschaft, der FC Helvetia bei Swiss Olympic angegliedert.