Der Nationalrat in Kürze
Bern (sda) -
CORONA-KREDITE: Am ersten Tag der ausserordentlichen Session hat der Nationalrat Kredite im Umfang von rund 57 Millionen Franken genehmigt. Er folgte dabei den Anträgen des Bundesrats. Das Geld wird zur Bewältigung der Corona-Krise verwendet. Der grösste Teil entfällt auf Bürgschaften für Überbrückungskredite, Kurzarbeitsentschädigung, Erwerbsersatz, den Einkauf von Sanitätsmaterial und Unterstützung für die Luftfahrtindustrie. Der Nationalrat hat zusätzlich 100 Millionen Franken für Kitas bewilligt. Die Session findet in der Berner Messe Bernexpo statt, weil im Parlamentsgebäude die Distanzregeln nicht eingehalten werden können.
SOLIDARBÜRGSCHAFTEN: Der Nationalrat hat am ersten Tag der ausserordentlichen Session Vorstösse angenommen, mit welchen die Modalitäten für die vom Bund verbürgten Covid-19-Überbrückungskredite angepasst werden sollen. Kleine und mittlere Unternehmen sollen acht statt wie vorgesehen fünf Jahre Zeit haben, die Kredite zurückzubezahlen. Zudem sollen Kredite bis 500'000 Franken auch nach dem ersten Jahr zinsfrei sein. Zugestimmt hat der Nationalrat zudem dem Auftrag an den Bundesrat, Corona-Massnahmen dahingehend zu prüfen, dass Doppel- oder Mehrfachbezüge nicht möglich sind. Zudem sollen Einsichtsrechte in die Geschäftsbücher der Kreditempfänger erweitert werden. Am Dienstag wird der Ständerat über diese Modalitäten debattieren.
SESSIONSBEGINN: Nationalratspräsidentin Isabelle Moret (FDP/VD) hat am Montag die ausserordentliche Session zur Corona-Krise eröffnet. "Diese Session wird in die Geschichte der Schweizer Demokratie eingehen", sagte Moret an der Session "extra muros" in der Berner Messe Bernexpo. Es sei eine ausserordentliche Session an einem ausserordentlichen Ort während einer Krise. Dies sei ein Meilenstein in der Geschichte der Schweiz. Ein "absolutes Novum" sei auch, dass der Bundesrat die "besondere Lage" gemäss Epidemiengesetz ausgerufen und erweiterte Befugnisse erlangt hane. Gemäss Bundesverfassung könne der Bundesrat ohne Zustimmung der Bundesversammlung aber keine Kredite sprechen. Daher stehen in den beiden Kammern in der ausserordentlichen Session die Genehmigung der vom Bundesrat vorgesehenen Kredite auf dem Programm.
ERKLÄRUNG: In einer Aussprache zu Beginn der Session bekräftigten die Fraktionen ihre Forderungen zum Ausstieg aus der Krise. In den Voten der Sprecherinnen und Sprecher hatte Dank an den Bundesrat Vorrang vor Kritik. Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga wandte sich mit einer Erklärung an die Räte. "Heute sind Sie wieder voll in der Verantwortung", sagte sie. Die Pandemie habe das Parlament auf die Zuschauerränge verdrängt, der Bundesrat habe gezwungenermassen per Notrecht regiert. Es sei nun das Recht und die Pflicht des Parlaments, die Entscheide des Bundesrats zu hinterfragen, sagte Sommaruga namens der Landesregierung. "Der Bundesrat stellt sich dieser Überprüfung."
ORDNUNGSANTRÄGE: Der Nationalrat hat zwei Ordnungsanträge abgelehnt. Lukas Reimann (SVP/SG) beantragte, dass die Mitglieder des Nationalrats als Zeichen der Solidarität auf die Hälfte des Sitzungstaggeldes verzichten sollten. Balthasar Glättli (Grüne/ZH) forderte, dass im Rahmen der ausserordentlichen Session soweit möglich Schlussabstimmungen zu Geschäften durchgeführt werden, die wegen des Abbruchs der Frühjahrssession ins Wasser gefallen sind. Glättli erwähnte die Überbrückungsrente für ältere Arbeitslose oder das Zulassungsregime für Ärztinnen und Ärzte. Beide Ordnungsanträge scheiterten.
GESCHÄFTSREGLEMENT: Vorstösse, parlamentarische Initiativen und Anträge werden ausserhalb des Bundeshauses nur noch per Mail eingereicht. Auf das Verteilen von Papier wird so weit möglich verzichtet. Der Nationalrat hat dazu grünes Licht gegeben. Im Zentrum der Revision des Geschäftsreglements stehen Änderungen bei den Abstimmungen. Da diese nicht mit derselben Abstimmungsanlage wie im Nationalratssaal durchgeführt werden können, müssen die Bestimmungen über das Abstimmen angepasst werden. Balthasar Glättli (Grüne/ZH) wollte im Rahmen der Reglementsrevision die Behandlung von Corona-Vorstössen beschleunigen. Die Mehrheit vertraute jedoch dem Bundesrat, dass dieser dringliche Themen sofort behandelt.
Der STänderat in Kürze
Bern (sda) -
LUFTFAHRT: Damit der Bund neben den Airlines Swiss und Edelweiss auch flugnahe Betriebe auf den Landesflughäfen unterstützen kann, braucht es eine neue gesetzliche Grundlage. Der Ständerat befürwortet die Anpassung des Luftfahrtgesetzes deutlich - ohne strenge Klimaauflagen. Mit 39 zu 0 Stimmen bei 2 Enthaltungen nahm die kleine Kammer am Montag die dringliche Gesetzesänderung in der Gesamtabstimmung an. Der Nationalrat behandelt die Vorlage am Dienstag. Bereits am Montag diskutierte die grosse Kammer den entsprechenden Verpflichtungs- sowie den Nachtragskredit von jeweils 600 Millionen Franken. Über diese stimmt dann der Ständerat am Dienstag ab. Bereits klar ist: Die kleine Kammer ist deutlich der Auffassung, dass nebst den Schweizer Fluggesellschaften auch die flugnahen Betriebe unterstützt werden sollen.
GESCHÄFTSMIETEN: Kleineren Betrieben, die wegen der Massnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie haben schliessen müssen, soll geholfen werden. Der Ständerat will Betroffenen die Mietkosten für die Dauer von zwei Monaten gänzlich erlassen. Die kleine Kammer nahm die Motion ihrer Wirtschaftskommission mit 24 zu 19 Stimmen an. Der Nationalrat muss noch darüber befinden. Die Wirtschaftskommission des Nationalrats hat bereits eine Motion eingereicht mit der Forderung, dass die Mieter während des Lockdown nur 30 Prozent der Miete schulden. Diese Pauschallösung für sämtliche Mieter lehnt die Ständeratskommission ab. Der teilweise Mieterlass war dagegen erfolgreich. Gegner aus der SVP- und der Mitte-Fraktion sprachen von Willkür.
KINDERBETREUUNG: Kitas sollen mit Geld aus der Bundeskasse unterstützt werden. Das verlangt der Ständerat. Er hat eine Motion seiner Bildungskommission angenommen. Der Nationalrat hat bereits einen Kredit von 100 Millionen Franken bewilligt. Die ständerätliche Finanzkommission beantragt Kredite in Höhe von 65 Millionen Franken. Das Geschäft ist für Dienstag traktandiert. Der Ständerat fordert mit seiner Motion im Grundsatz, dass sich der Bund mit 33 Prozent an den Unterstützungsmassnahmen der Kantone für die familienergänzende Kinderbetreuung beteiligt. Der Bundesrat hat zwar über Corona-Nothilfe für Kitas diskutiert, eine Mehrheit fand sich dafür im Gremium aber nicht.
SESSIONSAUFTAKT: Wie der Nationalrat hat auch der Ständerat den Bundesrat gelobt für die bisherige Politik in der Corona-Krise, und er hat Selbstkritik geübt. In der Krisenzeit sei das Parlament zu lange nicht handlungsfähig gewesen. Das Parlament habe sich mit dem Abbruch der Frühjahrssession selbst aus dem Rennen genommen, sagte Beat Rieder (CVP/VS). Ein Parlament sollte in Krisenzeiten nahtlos funktionieren. Mit dem Antrag auf eine ausserordentliche Session hätten 32 Ratsmitglieder die Möglichkeit schaffen wollen, eigenes Notrecht zu schaffen, führte Pirmin Bischof (CVP/SO) aus. Die Kommissionen hätten nun aber einen Mittelweg gewählt, in dem sie mit Briefen an den Bundesrat Einfluss genommen und Kommissionsmotionen eingereicht hätten.
ERÖFFNUNGSVOTUM: Ständeratspräsident Hans Stöckli (SP/BE) zeigte sich erfreut, dass alle 46 Mitglieder des Ständerats den Weg in die Berner Messehallen gefunden haben. Das sei wichtig: "Vor uns liegt eine wahrhaft historische Session", sagte Stöckli. Das Virus habe das Leben aller auf den Kopf gestellt, zuweilen auch etwas lahmgelegt. Der Berner SP-Ständerat dankte der Bevölkerung, die sich vorbildlich verhalten, sowie dem Personal im Gesundheitswesen, das dem immensen Druck standgehalten habe. Nun sei es am Parlament, seinen Auftrag wahrzunehmen, sagte Stöckli. Auch wenn physisch Abstand gehalten werden müsse: Geistig arbeite der Ständerat eng zusammen.
ARMEE: Der Ständerat stellt sich oppositionslos hinter den Armeeeinsatz während der Corona-Pandemie. Er hat den Assistenzdienst für bis zu 8000 Armeeangehörige bis höchstens Ende Juni nachträglich gutgeheissen, mit mit 42 zu 0 Stimmen bei einer Enthaltung. Der Armeeeinsatz ist vom Bundesrat im März angeordnet worden, muss jedoch nachträglich vom Parlament genehmigt werden. Die Zustimmung der Räte ist nötig, wenn mehr als 2000 Armeeangehörige aufgeboten werden und der Einsatz über drei Wochen dauert. Die Vorlage geht noch an den Nationalrat.
MEDIEN: Der Ständerat will in der Corona-Krise den Medien Überbrückungshilfe leisten. Er fordert unentgeltliche Agenturmeldungen, kostenlose oder vergünstigte Zeitungszustellung und Nothilfe von 30 Millionen Franken für regionale Radio- und TV-Stationen. Er hat dazu zwei Motionen seiner Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen (KVF) angenommen. Die Hilfe für die Medien soll geleistet werden, bis das Gesetzespaket des Bundesrates für die Stärkung der Medien in Kraft tritt. Die Botschaft dazu hatte der Bundesrat Ende April dem Parlament zugestellt. Die KVF hatte argumentiert, dass die Medien in der Krise eine unersetzbare Funktion übernähmen. Wegen Covid-19 sei die Nachfrage nach Medien-Angeboten gestiegen. Gleichzeitig seien aber die Werbeerlöse um 60 bis 95 Prozent eingebrochen.
CONTACT TRACING: Die Nutzung einer Corona-Warn- und Tracing-App soll freiwillig sein und auf gesetzlichen Grundlagen beruhen. Der Ständerat hat dazu eine Motion mit 32 zu 10 Stimmen gutgeheissen. Im Nationalrat ist ein gleichlautender Vorstoss hängig. Der Vorstoss der Staatspolitische Kommission (SPK) verlangt, dass nur technische Lösungen zugelassen werden sollen, die keine personenbezogenen Daten zentral speichern. Bei den gesetzlichen Grundlagen für die App soll das Parlament mitreden können.
"SMART RESTART": Der Ständerat pocht auf eine etappierte Rückkehr von der Krise ins normale Geschäfts- und Wirtschaftsleben. Gemäss dem von ihm oppositionslos unterstützten Vorstoss mit dem Titel "Smart Restart" soll der Bundesrat für Branchen, die am 11. Mai nicht zum normalen Betrieb übergehen können, Tätigkeiten benennen, die diese anbieten können. Bei den Öffnungen soll auf die epidemiologische Lage Rücksicht genommen werden, und die Schutzkonzepte der Branchen müssen angewendet werden. Der Bundesrat stellte sich hinter die Motion. Sie sei mit den jüngsten Entscheiden vom 29. April bereits weitgehend erfüllt, hielt er fest.
VERSORGUNG: Der Bund soll die Pflichtlager für Medikamente und Impfstoffe ausweiten und auch eine verstärkte Produktion im Inland ins Auge fassen. Das fordert der Ständerat. Die kleine Kammer stimmte einer entsprechenden Motion ihrer Gesundheitskommission zu. Der Bundesrat soll beauftragt werden, mit den Akteuren im Gesundheitswesen ein Inventar der Schwierigkeiten bei der Versorgung mit Medikamenten und Impfstoffen zu erstellen und auf nationaler und internationaler Ebene Lösungen zu erarbeiten. Der Ständerat nahm eine weitere Motion an, die vom Bundesrat "eine risikobasierte Präventions- und Krisenstrategie zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten" fordert.
ABSTIMMUNGSPROZEDERE: Der Ständerat hat vor der Behandlung der Sachgeschäfte entschieden, wie er ausserhalb des Bundeshauses abstimmen möchte. Er tut dies durch Aufstehen. Das elektronische Abstimmungskästchen wird damit überflüssig. Bei diesem Prozedere kann im Videomitschnitt der Verhandlungen nachgeschaut werden, wer wie gestimmt hat. Jahrzehntelang hatte die kleine Kammer per Handaufheben abgestimmt, ehe 2014 eine moderne Abstimmungsanlage installiert wurde. Zuvor waren Auszählfehler aufgedeckt worden. Der Ständerat lehnte die volle Abstimmungstransparenz wiederholt ab, letztmals 2017.
KOSTEN: Der Ständerat will wissen, welche Kosten die Corona-Pandemie für das Schweizer Gesundheitswesen verursacht. Oppositionslos überwies er ein Postulat seiner Sozial- und Gesundheitskommission (SGK). Der Bericht soll Aufschluss geben über die Kapazitäten der Spitäler zur Bewältigung von Pandemien. Aufgeführt werden sollen zu Beginn der Covid-19-Welle bestehende und zusätzlich eingerichtete Betten und Intensivpflegeplätze. Aufschluss will der Ständerat auch über die Kosten für Spitäler und Kantone sowie die finanzielle Belastung für die Krankenkassen und die Versicherten. Der Bundesrat erklärte sich mit dem Auftrag einverstanden.
LEHRSTELLEN: Der Ständerat will, dass die Betriebe in der Schweiz trotz Corona-Krise genügend Lehrstellen schaffen und Lernende einstellen können. Er hat eine Motion seiner Wirtschaftskommission (WAK) oppositionslos gutgeheissen, die Unterstützung für die Betriebe verlangt. Im April seien deutlich weniger Lernende als üblich angestellt worden, schreibt die WAK. Gehe ein Betrieb Konkurs, könnten auch Lehrlinge ihre Arbeitsstelle verlieren. Vom Bundesrat ist gefordert, mit den Kantonen und den Organisationen der Arbeitswelt Unterstützungsmassnahmen zu erarbeiten, damit Firmen trotz Pandemie Lehrlinge einstellen und beschäftigen könnten. Der Bundesrat erklärte sich mit der Motion einverstanden.
ANALYSE: Der Ständerat möchte vom Bundesrat zu einem späteren Zeitpunkt eine vertiefte Analyse zu den Folgen der Corona-Krise erhalten. Er hat ein entsprechendes Postulat seiner Wirtschaftskommission an den Bundesrat überwiesen. Dabei soll auch untersucht werden, wie die Regierung bei den Massnahmen die Abwägung zwischen gesundheitspolitischem Nutzen und wirtschaftlichem Schaden vorgenommen hat. Zudem sollen die mittel- und langfristigen Lehren für die Schweiz skizziert werden.