Der Nationalrat in Kürze und Der Ständerat in Kürze

(sda)  Mit den Schlussabstimmungen haben die eidgenössischen Räte am Freitag die Wintersession abgeschlossen. Elf Vorlagen kamen parlamentarisch unter Dach und Fach, darunter das Verbot für Pädokriminelle, mit Kindern zu arbeiten, sowie Gesetzesgrundlagen für die Observierung von Versicherten.

HAFT: Unbelehrbare Stalker sollen in Haft genommen werden können. Der Nationalrat will die Möglichkeit einer so genannten Ordnungshaft ins Gesetz aufnehmen. Er hat eine Motion von Verena Herzog (SVP/TG) mit dieser Forderung angenommen. Herzog geht es um jene Fälle, in welchen zum Beispiel Kontakt- oder Rayonverbote nicht eingehalten werden. Das Gericht kann deswegen zwar eine Busse aussprechen. Vor allem Verurteilte ohne Einkommen oder Vermögen lassen sich davon aber kaum beeindrucken. Eine Ordnungshaft für schwere Fälle und Wiederholungstäter wäre laut Herzog eine spürbare und damit wirksame Konsequenz. Der Bundesrat hatte sich bereit erklärt, den Auftrag anzunehmen. Nun muss noch der Ständerat über die Motion befinden.

ÄRZTE: Einige Ärzte kompensieren Tarifsenkungen mit zusätzlich verrechneten Leistungen. Nicht alle davon sind gerechtfertigt. Nachvollziehbare Arztrechnungen sollen dem einen Riegel schieben. Der Nationalrat hat eine Motion mit dieser Forderung angenommen. Verständlichere Rechnungskopien würden den Patienten erlauben, zumindest die Behandlungszeiten zu kontrollieren, schreibt Motionär Heinz Brand (SVP/GR) in der Begründung. Datenlieferung und Rechnungsstellung der Ärzte sollen die Leistungen auch für die Krankenkassen besser überprüfbar machen. Der Bundesrat hatte sich bereit erklärt, den Auftrag anzunehmen. Nun muss noch der Ständerat über die Motion befinden.

PAPIER: Der Nationalrat möchte in Zukunft papierlos arbeiten. Er hat eine Motion angenommen mit der Forderung, den Ratsbetrieb ab 2020 vollständig zu digitalisieren. Motionär Sebastian Frehner (SVP/BS) erinnert in der Begründung seines Vorstosses daran, dass die Parlamentsdienste pro Jahr rund zehn Millionen Blatt Papier verbrauchen. Die Kosten pro Parlamentsmitglied beliefen sich auf rund 5000 Franken pro Jahr. Das Ratsbüro ist bereit, den Auftrag umzusetzen.

DIGITALISIERUNG: Der Nationalrat will die gesetzlichen Hürden zur Einführung autonomer Fahrzeuge beseitigen. Er hat eine Motion der Grünliberalen angenommen, die den Bundesrat mit den entsprechenden Gesetzesänderungen beauftragt. Konkret soll das Loslassen des Lenkrads erlaubt werden. Zudem verlangt der Nationalrat Änderungen des Versicherungsrechts sowie die Möglichkeit, mit Kameras und Sensoren die Umgebung aufzunehmen und zu speichern. Der Bundesrat ist bereit, den Auftrag anzunehmen. Nun muss noch der Ständerat über die Motion befinden.

SICHERHEIT: Handwerker können ihre Forderungen für Material und geleistete Arbeit mit einem Grundpfandrecht am betreffenden Gebäude absichern. Der Grundeigentümer kann dafür auch eine andere Sicherheit leisten. Möglich wäre eine Bankgarantie. In der Praxis ist das aber kaum möglich. Die Forderung der Handwerker umfasst nämlich auch einen zeitlich unlimitierten und damit nicht im Voraus zu bestimmenden Verzugszins. Der Nationalrat hat eine Motion angenommen, die die Ersatzsicherheit in der Praxis wieder ermöglichen soll. Der Bundesrat hatte sich bereit erklärt, den Auftrag anzunehmen. Nun muss noch der Ständerat über die Motion befinden.

ONLINEHANDEL: Der Bundesrat nimmt die Falschdeklarationen von Sendungen im Online-Handel genauer unter die Lupe. Dazu hat ihn der Nationalrat mit einem Postulat von Tiana Angelina Moser (GLP/ZH) beauftragt. Moser kritisiert, dass im Online-Handel kein fairer Wettbewerb herrsche, weil internationale Versandhändler Zollgebühren und Mehrwertsteuern umgehen, indem sie ihre Sendungen absichtlich falsch deklarieren. Der Bundesrat soll daher das Ausmass und die Entwicklung dieses Phänomens prüfen. Dieser zeigt sich einverstanden damit.

INTERNETSICHERHEIT: Geräte, die mit dem Internet verbunden sind, stellen zunehmend ein Einfallstor für Cyberkriminalität dar. Der Nationalrat hat den Bundesrat daher beauftragt, die Sicherheitsstandards der sogenannten Internet-of-Things-Geräte zu prüfen. Gefordert hatte dies Balthasar Glättli (Grüne/ZH) mit einem Postulat. Auch der Bundesrat erachtet es als sinnvoll, die Sicherheit dieser Geräte zu untersuchen.

ADOPTION: In den 1980er-Jahren wurden Tausende sri-lankische Kinder von Eltern aus Europa adoptiert, darunter Hunderte auch in der Schweiz. Einige der Kinder sollen gestohlen oder verkauft worden sein. Der Nationalrat hat daher den Bundesrat beauftragt, die Adoptionspraxis privater Vermittlungsstellen und der Schweizer Behörden in dieser Zeit zu untersuchen. Er hat ein entsprechendes Postulat von Rebecca Ruiz (SP/VD) angenommen. Auch der Bundesrat zeigt sich einverstanden mit dem Auftrag.

MEDIKAMENTE: Der Nationalrat will den Bundesrat nicht beauftragen, den Parallelimport von rezeptfreien Arzneimitteln zu vereinfachen. Er hat eine Motion aus dem Ständerat diskussionslos abgelehnt. Die vorberatende Kommission kam zum Schluss, die Motion stelle keine geeignete Lösung dar. Zudem vermische sie das Lebensmittel- und das Heilmittelrecht. Auch der Bundesrat hatte den Vorstoss abgelehnt. Er verwies auf die Neugestaltung der Abgabekategorien. Ein Verzicht auf eine Zulassungspflicht der Kategorie E wäre gemäss dem Bundesrat nicht mit EU-Recht vereinbar.

PETITION: Der Nationalrat hat diskussionslos eine Petition abgelehnt für eine bessere Strassen- und Bahnanbindung der Westschweiz. Der Petent führte drei Beispiele an: Eine neue Bahnverbindung von Lausanne via Payerne nach Bern, eine Verbesserung auf der Linie Lausanne-Genf sowie eine Autobahnverbindung von Freiburg nach Payerne. Die Nationalratskommission befand, Einzelmassnahmen ohne Gesamtperspektive seien zurzeit nicht angezeigt.

VERWIRRUNG: Im Nationalrat hat bei den Schlussabstimmungen Verwirrung geherrscht. Eine Abstimmung musste der Rat zweimal wiederholen. Es ging um die Velo-Initiative. Die Mehrheit des Rates lehnt diese ab. Der Rat stimmte aber nicht über die Initiative ab, sondern über den Bundesbeschluss, mit welchem die Räte die Initiative zur Ablehnung empfehlen. Das ist bei Volksinitiativen immer so. Dennoch entstand in diesem Fall Verwirrung. Ob es an der Formulierung des Ratspräsidenten lag oder daran, dass es zur Velo-Initiative auch einen Gegenvorschlag gibt, war unklar. Jedenfalls stimmten manche anders, als sie wollten. Beim dritten Anlauf klappte es.

 Parlament verabschiedet elf Vorlagen

- mit 157 zu 0 Stimmen bei 36 Enthaltungen (Nationalrat) und 29 zu 7 Stimmen bei 4 Enthaltungen (Ständerat) das lebenslange Verbot für Pädokriminelle, mit Kindern und Abhängigen zu arbeiten. Mit den Gesetzesbestimmungen wird die Pädophilen-Initiative umgesetzt;

- mit 141 zu 51 Stimmen und 29 zu 10 Stimmen bei 3 Enthaltungen die gesetzliche Grundlage, mit der Sozialversicherungen bei Verdacht auf Missbrauch Versicherte observieren lassen können;
- mit 133 zu 54 Stimmen bei 5 Enthaltungen und 41 zu 1 Stimmen der Bundesbeschluss über die Velo-Initiative "Zur Förderung der Velo-, Fuss- und Wanderwege", mit dem die Räte das Begehren ablehnen. In einer vorgezogenen Schlussabstimmung hatten beide Kammern den direkten Gegenvorschlag gutgeheissen;

- mit 139 zu 37 Stimmen bei 17 Enthaltungen und 34 zu 1 Stimmen bei 7 Enthaltungen der Bundesbeschluss über die Fair-Food-Initiative "Für gesunde sowie umweltfreundlich und fair hergestellte Lebensmittel", mit dem das Parlament die Initiative ohne Gegenvorschlag zur Ablehnung empfiehlt;

- mit 148 zu 23 Stimmen bei 24 Enthaltungen und 37 zu 1 Stimmen bei 4 Enthaltungen der Bundesbeschluss über die Volksinitiative für Ernährungssouveränität, mit dem die Räte die Initiative zur Ablehnung empfehlen. Das Begehren verlangt unter anderem ein Verbot von gentechnisch veränderten Organismen und zusätzliche Zölle auf nicht nachhaltig produzierten Lebensmitteln;

- mit 109 zu 74 Stimmen bei 9 Enthaltungen und 36 zu 6 Stimmen im Rahmen des Schengen-Abkommens eine Zusatzvereinbarung, die einen jährlichen Schweizer Beitrag von 20,6 Millionen Franken an den europäischen Fonds für die innere Sicherheit vorsieht;

- mit 172 zu 0 Stimmen bei 20 Enthaltungen und 42 zu 0 Stimmen die neue Regelung für die Wehrpflichtersatzabgabe, mit der neu auch bezahlt werden muss, wenn nach der Entlassung aus dem Militärdienst nicht alle Diensttage geleistet worden sind;

- mit 191 zu 0 Stimmen und 36 zu 6 Stimmen die Modernisierung des internationalen Konkursrechts, deren Ziel es ist, die Anerkennung ausländischer Verfahren zu vereinfachen;

- mit 124 zu 60 Stimmen bei 9 Enthaltungen und 42 zu 0 Stimmen das Doppelbesteuerungsabkommen mit Lettland, das Bestimmungen aus dem Projekt von OECD und G20 zur Bekämpfung von Gewinnverkürzung und -verlagerung (BEPS) enthält;

- mit 193 zu 0 Stimmen und 42 zu 0 Stimmen das geänderte Gesetz über das Bundespatentgericht, mit dem sich das Gericht künftig flexibler organisieren kann;

- mit 192 zu 0 Stimmen bei 1 Enthaltung und 42 zu 0 Stimmen Rechtsgrundlagen für die Schaffung von neuen und zeitgemässeren Informationssystemen für das Parlament.