Der Nationalrat und der Ständerat in Kürze

Bern (sda)

SCHLUSSABSTIMMUNGEN: 18 Vorlagen haben der National- und der Ständerat am Freitag parlamentarisch unter Dach und Fach gebracht. Darunter sind das aktualisierte Covid-19-Gesetz, das unter anderem die Unterstützung für von der Pandemie betroffene Unternehmer und Angestellte regelt, und die Vorlage "Ehe für alle". Mit ihr wird die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare geöffnet, und verheiratete Frauen-Paare erhalten Zugang zur Samenspende.

NACHRUF: Mit einer Schweigeminute für den 81-jährig verstorbenen früheren Bundesrat Flavio Cotti (CVP) haben National- und Ständerat ihre letzte Sitzung der Wintersession begonnen und der Familie Cottis im Namen beider Kammern ihr Beileid ausgesprochen. Sie würdigten den siebten von bisher acht Tessiner Bundesräten als grossen Staatsmann und als Persönlichkeit, die sich mit Geschick, Beharrlichkeit, Eloquenz und innerem Feuer für die Schweiz eingesetzt habe. Cotti verstarb am Mittwoch an den Folgen einer Coronavirus-Erkrankung.

VEREIDIGUNG: Sarah Wyss ist neue Nationalrätin. Die 32-jährige Baselstädter SP-Politikerin ist am letzten Sessionstag des Jahres als Nachfolgerin von Beat Jans vereidigt worden. Der Sozialdemokrat Jans war im Herbst in die Basler Kantonsregierung gewählt worden. Wyss gehört seit 2013 dem Grossen Rat des Kantons Basel-Stadt an. Sie ist Mitglied der Finanzkommission und präsidiert seit 2017 die Gesundheits- und Sozialkommission. Wyss verfügt über einen Master in European Studies und ist Geschäftsführerin der Stiftung Selbsthilfe Schweiz.

PETITIONEN I: Der Nationalrat hat zwei Petitionen für mehr Lohngleichheit abgelehnt. Eingereicht hatte die Bittschriften die Jugendsession. Die Mehrheit des Rats sah keinen Bedarf für weitere, gewichtige Änderungen der Lohngleichheitsbestimmungen im Gleichstellungsgesetz. Eine Minderheit hätte gewünscht, dass die Wissenschaftskommission des Nationalrats (WBK-N) eine Motion zum Anliegen verfassen sollte.

PETITIONEN II: Der Nationalrat will keine Massnahmen ergreifen, damit Geflüchtete in Seenot auf dem Mittelmeer gerettet und rasch und dezentral in Europa und in der Schweiz aufgenommen werden. Er hat eine Petition der Gruppe Solidaritätsnetz abgelehnt. Die Mehrheit wies darauf hin, dass durch den Aufbau eines europäisch organisierten und finanzierten Seenotrettungssystems und die Schaffung eines gesamteuropäischen Verteilsystems eine unerwünschte Sogwirkung entstehen würde, die noch mehr Menschen dazu veranlassen würde, die Überfahrt über das Mittelmeer zu wagen. Eine Minderheit hätte gewünscht, dass die Staatspolitische Kommission des Nationalrats (SPK-N) eine Motion zum Anliegen verfassen sollte.

PETITIONEN III: Der Nationalrat will keine Massnahmen ergreifen, um der Vertreibung des palästinensischen Volkes aus den besetzten Gebieten ein Ende zu setzen. Er hat zwei entsprechende Petitionen abgelehnt. Eingereicht hatten die Bittschriften der Verein Nakba-2018 sowie die Gesellschaft Schweiz-Palästina. Die Mehrheit war der Auffassung, dass die Schweiz auf internationaler Ebene die Einhaltung des humanitären Völkerrechts und der Menschenrechte thematisieren sollte, was sie auch regelmässig tue. Eine Minderheit forderte vom Bundesrat einen Bericht zur Frage, wie er in den kommenden Jahren den Dialog zwischen Israel und Palästina zu fördern gedenkt und wie Besetzungen sanktioniert werden könnten.

PETITIONEN IV: Der Nationalrat ist dagegen, dass sich die Schweiz vermehrt für die Achtung der grundlegenden Menschenrechte und gegen jegliche Form von Gewalt in Brasilien einsetzt. Er hat eine Petition von Solifonds abgelehnt. Die Kommissionsmehrheit stellte fest, dass sich die Schweiz bilateral und multilateral bereits aktiv für die Achtung der Menschenrechte und den Schutz der Umwelt in Brasilien einsetze. Eine Minderheit wollte das Freihandelsabkommens mit dem Mercosur so lange auf Eis legen, bis eine wesentliche Verbesserung der menschlichen Sicherheit nachgewiesen sei.

PETITIONEN V: Stillschweigend abgelehnt hat der Nationalrat weitere Petitionen. Sie forderten den Stopp der Swiss-Covid-App, die vermehrte Förderung von Solar- und Elektroautos und die Verlegung der Schweizer Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem.

BAUMÄNGEL: Der Nationalrat hat zum dritten Mal die Behandlungsfrist für eine parlamentarische Initiative stillschweigend verlängert, um weitere zwei Jahre bis zur Wintersession 2022. Die Initiative will die Rügefrist für versteckte Baumängel auf 60 Tage verlängern. Laut der Rechtskommission greift die Initiative ein berechtigtes Anliegen auf. Der Bundesrat hat im August die Vernehmlassung über eine Vorlage zur Revision des Bauvertragsrechts eröffnet. Dort soll auch das Anliegen der Initiative verankert werden.

JURISTEN: Der Nationalrat hat zum zweiten Mal die Behandlungsfrist für eine parlamentarische Initiative stillschweigend verlängert, um weitere zwei Jahre bis zur Wintersession 2022. Mittels der parlamentarischen Initiative wird die Einführung eines Zeugnis-und Editionsverweigerungsrechts für Unternehmensjuristen in der Zivilprozessordnung angestrebt. Der Bundesrat hat das Anliegen in den Entwurf zur Revision der Zivilprozessordnung aufgenommen. Laut der Rechtskommission soll die parlamentarische Debatte über diese Vorlage abgewartet werden.

MIETRECHT: Der Nationalrat hat die Behandlungsfrist für zwei parlamentarische Initiativen stillschweigend verlängert, um weitere zwei Jahre bis zur Wintersession 2022. Die Initiativen verlangen Anpassungen im Mietrecht. Zum einen soll der Anfangsmietzins nur unter strikten Voraussetzungen angefochten werden können, zum andern sollen praktikable Kriterien für den Beweis der Orts-und Quartierüblichkeit der Mieten gesetzlich festgelegt werden. Die Rechtskommission will - bevor sie selber einen Entwurf ausarbeiten würde - zuerst die Beratungen über eine thematisch verwandte Motion aus dem Ständerat abwarten. Diese kommt voraussichtlich im Frühjahr in den Nationalrat.
VERRECHNUNGSSTEUER: Der Nationalrat hat die Behandlungsfrist für eine parlamentarische Initiative stillschweigend verlängert, um weitere zwei Jahre bis zur Wintersession 2022. Die Initiative bezweckt eine Reform der Verrechnungssteuer durch einen Wechsel vom Schuldner- zum Zahlstellenprinzip. Als Ersatz für die heutige Verrechnungssteuer ist eine administrativ einfache und kostengünstige Sicherungssteuer zu erarbeiten, die das Bankgeheimnis im Inland vollumfänglich wahrt. Die Rechtskommission möchte dem Bundesrat nicht vorgreifen, der derzeit eine eigene Vorlage für die Reform der Verrechnungssteuer ausarbeitet.

VERDICHTUNG: Der Nationalrat will zwei parlamentarische Initiativen aus den Reihen der SVP nicht abschreiben. Diese schlagen Lösungen vor für den Konflikt, der zwischen zwei Aufgaben besteht, die von grossem öffentlichen Interesse sind: der Schutz von Objekten nationaler Bedeutung (Isos) und die Siedlungsentwicklung nach innen (Verdichtung). Inzwischen ist die Verordnung über das Bundesinventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (VISOS) in Kraft getreten. Deshalb hatte sich für die Mehrheit der Kommission der Handlungsbedarf erübrigt. SVP- und FDP- und Mitte-Fraktion im Rat hingegen sahen nach wie vor den Bedarf einer Gesetzesänderung, um die Rechtssicherheit zu gewährleisten.

UNTERGRUND: Der Nationalrat hat stillschweigend eine Motion angenommen, die verlangt, dass der Untergrund schweizweit erkundet wird. Das Programm soll das ungenügende Wissen über den Untergrund verbessern und möglichst engmaschig Daten liefern, wie es im Motionstext der FDP-Fraktion heisst. Dadurch würden die Voraussetzungen geschaffen, um den Untergrund insbesondere zur Ressourcengewinnung (Wärme, Strom, Mineralien), zur Speicherung (u.a. Wärme, Kälte, CO2) oder für die Infrastrukturverlagerung (z.B. Verkehr) nutzen zu können. Der Vorstoss geht an den Ständerat.

AHV: Der Bundesrat soll mit einer Motion von FDP-Nationalrat Andri Silberschmidt (ZH) beauftragt werden, Massnahmen zu treffen, damit bei der AHV im Jahr 2050 kein Umlagedefizit besteht, also die AHV finanziell gesund ist. Der Bundesrat habe bis heute keine entsprechende konkrete Zielsetzung festgelegt, heisst es in der Begründung der Motion. Der Nationalrat stimmte dem Vorstoss oppositionslos zu. Die Motion geht an den Ständerat.