Ordnungsbusse bei Cannabiskonsum
Die Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrats (SGK-NR) hat ihren Entwurf für eine Ordnungsbusse bei Cannabiskonsum zuhanden der Vernehmlassung verabschiedet. Sie schlägt zudem eine Änderung des KVG vor, um den Konflikt zwischen Hausärzten und Versicherern rund um die Wirtschaftlichkeitsprüfung zu lösen. Sie führte auch die Detailberatung zum Präventionsgesetz weiter.

Auf der Grundlage der Pa.Iv. 04.439 Betäubungsmittelgesetz. Revision (Fraktion C) hat die Kommission einen Erlassentwurf zur Einführung eines Ordnungsbussensystems für die Sanktionierung von Cannabiskonsum ausgearbeitet und mit 15 zu 5 Stimmen bei 2 Enthaltungen gutgeheissen. Eine Minderheit lehnt ihn grundsätzlich ab und beantragt Nichteintreten.

Der Erlassentwurf geht in Kürze in die Vernehmlassung. Er enthält die folgenden Grundsätze: Beobachtet die Polizei einen Fall von Cannabiskonsum, kann sie diesen vor Ort mit einer Ordnungsbusse von 100 Franken ahnden. Die Höhe der Busse hat die Kommission mit 16 zu 7 Stimmen bei 1 Enthaltung beschlossen. Eine Minderheit beantragt eine Bussenhöhe von 200 Franken. Mit 14 zu 8 Stimmen bei 1 Enthaltung hat die Kommission entschieden, dass der Cannabiskonsum bei Erwachsenen und bei Jugendlichen ab 16 Jahren mit einer Ordnungsbusse sanktioniert werden kann. Eine Minderheit beantragt, dass das Ordnungsbussenverfahren bei Jugendlichen bereits ab 15 Jahren angewandt werden kann. Der Täter oder die Täterin hat zudem das Recht, die Ordnungsbusse abzulehnen. In diesem Fall wird ein ordentliches Verfahren eingeleitet.

Schliesslich hat die Kommission mit 14 zu 8 Stimmen bei 2 Enthaltungen beschlossen, dass 10 Gramm Cannabis als «geringfügige Menge» gelten sollen. Der Grund dafür ist, dass Cannabiskonsum nur dann mit einer Ordnungsbusse geahndet werden kann, wenn der Täter oder die Täterin nicht gleichzeitig eine andere Widerhandlung gegen das Gesetz begeht. In diesem Fall käme es zu einem ordentlichen Verfahren. Da der Besitz einer geringfügigen Menge eines Betäubungsmittels nicht strafbar ist (Art. 19b Betäubungsmittelgesetz), muss die Polizei feststellen können, ob der Cannabiskonsument mehr als nur eine geringfügige Menge Cannabis auf sich trägt. Eine Minderheit möchte die geringfügige Menge nicht im Betäubungsmittelgesetz festlegen.

Mit 10 zu 9 Stimmen bei 2 Enthaltungen hat die Kommission darauf verzichtet, der Polizei ein Ermessen einzuräumen, damit diese in einem leichten Fall von Cannabiskonsum auf eine Ordnungsbusse hätte verzichten können. Der Sachrichter hat schon heute die Möglichkeit, in leichten Fällen von Betäubungsmittelkonsum von einer Strafe abzusehen. Eine Minderheit möchte auch der Polizei im Falle von Cannabis diese Kompetenz einräumen, um zu verhindern, dass ein leichter Fall von Cannabiskonsum allenfalls härter bestraft wird als andere leichte Fälle von Betäubungsmittelkonsum.

Mit 12 zu 11 Stimmen bei 1 Enthaltung hat die Kommission beschlossen, der Pa.Iv. 09.488 Prelicz-Huber. Entkriminalisierung von Cannabis keine Folge zu geben.

Die Kommission führte die Detailberatung zum Präventionsgesetz (09.076 n) weiter. Sie war im März 2010 auf den Entwurf eingetreten und hatte im September 2010 im Grundsatz beschlossen, auf das vom Bundesrat vorgeschlagene Institut zu verzichten und stattdessen gewisse Aufgaben der Stiftung Gesundheitsförderung Schweiz zu übertragen. Die Mehrheit der Kommission bestätigte dieses Konzept nun im Einzelnen: Die Stiftung soll die nationalen Programme im Bereich der stark verbreiteten oder bösartigen Krankheiten umsetzen. Sie soll die zuständigen Bundesstellen, die Kantone und Dritte bei der Planung und der Durchführung von Präventionsprogrammen unterstützen. Sie kann Beiträge für Einzelprojekte und kantonale Programme gewähren. Sie kann aber selber keine Beiträge aus den Präventionsabgaben (Prämienzuschlag KVG und Tabakpräventionsabgabe) für eigene Einzelprojekte beanspruchen. Eine Minderheit will an dem vom Bundesrat vorgeschlagenen Institut festhalten.

Mit Stichentscheid der Präsidentin hielt die Kommission daran fest, dass das Präventionsgesetz zur Reduktion gesundheitlicher Ungleichheiten beitragen soll. Weiter präzisierte sie mit 12 zu 10 Stimmen, dass eine Beeinträchtigung der Gesundheit nur dann als Krankheit verstanden wird, wenn sie eine medizinische Behandlung erfordert oder Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat.

Die Kommission stimmte mit 15 zu 6 Stimmen bei 3 Enthaltungen Stimmen einem Erlassentwurf zu, der mit einer Revision des KVG (Art. 56 Abs. 6) den Konflikt zwischen Hausärzten und Versicherern im Zusammenhang mit der Wirtschaftlichkeitsprüfung besser bessern regeln will. Diese Revision ist das Resultat von drei gleichlautenden parlamentarischen Initiativen „Stärkung der Hausarztmedizin“ (07.483 Heim Bea; 07.484 Meyer Thérèse; 07.485 Cassis).

Im Zusammenhang mit der politischen Forderung nach Besserstellung der ärztlichen Grundversorger wird seitens der Ärzteschaft moniert, dass vor allem jenen Ärztinnen und Ärzten, die viele Patientinnen und Patienten mit schweren, chronischen und komplexen Krankheiten behandeln, aus der von den Versicherern verwendeten Methode zur Überprüfung der Wirtschaftlichkeit ein Nachteil erwächst. Die alte Methode soll durch eine transparente, partnerschaftlich vereinbarte und gesamtschweizerisch verbindliche Methode ersetzt werden. Das Ziel ist eine qualitative Wirtschaftlichkeitsbeurteilung unter Berücksichtigung der Morbidität des jeweils massgebenden Patientenkollektivs. Die Vorlage geht an den Nationalrat und an den Bundesrat zur Stellungnahme.

Mit 15 zu 9 Stimmen bei 1 Enthaltung hat die Kommission beschlossen, sowohl der Pa.Iv. Heim. Wissensbasierte Steuerung der Gesundheitspolitik (05.448 n) als auch der Pa.Iv. Heim. Begleitforschung und Versorgungsforschung in der Gesundheitsversorgung (08.476 n) keine Folge zu geben. Die inhaltlichen Ziele der beiden parlamentarischen Initiativen waren im Grundsatz unbestritten. Die Kommission ist aber der Auffassung, dass auf Gesetzesebene zur Zeit kein weiterer Handlungsbedarf besteht.

Mit 22 zu 0 Stimmen bei 3 Enthaltungen hat die Kommission beschlossen, der Mo. Ständerat. Qualitätssicherung OKP (10.3353 s) zuzustimmen. Die vom Ständerat am 20. September 2010 einstimmig gutgeheissene Motion fordert den Bundesrat auf, einen konkreten Vorschlag zur Umsetzung von Artikel 58 des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung (KVG) vorzulegen und dabei auch die Schaffung einer unabhängigen, über das KVG finanzierten Institution zur Qualitätssicherung zu prüfen.

Die Kommission prüfte die von der SP-Fraktion am 22.Juni 2007 eingereichte parlamentarische Initiative „KVG. Änderung von Artikel 64a (07.452 n) sowie die am 3. November 2008 vom Kanton Tessin eingereichte Standesinitiative „Bundesgesetz über die Krankenversicherung (08.323 s) vor. Beide Initiativen wollen mit einer Revision von Artikel 64a KVG den Problemen begegnen, die sich im Zusammenhang mit Leistungssistierungen wegen unbezahlter Prämien in der sozialen Krankenversicherung ergeben. Die SGK-NR griff dazu bereits am 25. März 2009 mit einer Kommissionsinitiative (09.425 n) ein. Eine entsprechende Revision der Artikel 64a und 65 wurde in der Folge am 19. März 2010 in der Schlussabstimmung von beiden Räten angenommen und wird auf den 1. Januar 2012 in Kraft treten. Deshalb sind die beiden Initiativen überholt, weshalb die Kommission beantragt, ihnen ohne Gegenstimme keine Folge zu geben.

Die Kommission führte eine Anhörung zu verschiedenen Modellen zur Umsetzung der beiden Parlamentarischen Initiativen 00.436 Pa. Iv. Fehr Jacqueline und 00.437 Pa. Iv. Meier-Schatz: Ergänzungsleistungen für Familien. Tessiner Modell durch. Sie hörte Vertretungen der Kantone, der Städte, der Sozialpartner und verschiedene Experten an*. Bevor die Kommission ihre Arbeit weiterführt, möchte sie sich von Bundesrat Didier Burkhalter über die Ergebnisse seiner Gespräche über ein Rahmengesetz mit den Kantonen informieren lassen, die für den kommenden April geplant sind.

*(angehört wurden: Peter Gomm, Regierungsrat (SO); François Longchamp, Regierungsrat (GE); Nino Cozzio, Vorstandsmitglied der Städteinitiative Sozialpolitik und Stadtrat St. Gallen; Caroline Knupfer, Schweizerische Konferenz für Sozialhilfe (SKOS); Prof. Dr. Thomas Gächter, Professor für Staats-, Verwaltungs- und Sozialversicherungsrecht, Universität Zürich; Kurt Gfeller, Vizedirektor Schweizerischer Gewerbeverband sgv; Christina Werder, Schweizerischer Gewerkschaftsbund (SGB); Matthias Kuert Killer, Travail Suisse; Dr. Katja Gentinetta, Stv. Direktorin Avenir Suisse; Prof. Monika Bütler, Schweizerisches Institut für Empirische Wirtschaftsforschung SEW-HSG)

 

Die Kommission tagte am 20./21. Januar 2011 in Bern unter dem Vorsitz von Thérèse Meyer-Kaelin (CVP, FR) und teilweise in Anwesenheit von Bundesrat Didier Burkhalter.

Bern, 21. Januar 2011 Parlamentsdienste