Generaldebatte
Im Mittelpunkt der Generaldebatte der 148. IPU-Versammlung stand das Thema «Parlamentarische Diplomatie – Brücken bauen für Frieden und Verständigung». Die Teilnehmenden bekräftigten das Engagement der Parlamentarierinnen und Parlamentarier auf der ganzen Welt zugunsten einer parlamentarischen Diplomatie, die genutzt wird, um die zunehmenden Herausforderungen für den Frieden und die internationale Sicherheit zu bewältigen. Die aktuellen Herausforderungen sind vielfältig (geopolitische Konflikte, gesellschaftliche Polarisierung, Klimarisiken, künstliche Intelligenz) und bedürfen in den Augen der Parlamentsmitglieder innovativer gemeinsamer Lösungen.
Die parlamentarische Diplomatie wird als wesentliches Instrument zur Stärkung des Vertrauens, zur Förderung der Zusammenarbeit sowie zum Schutz der Menschenrechte und der demokratischen Prinzipien auf internationaler Ebene angesehen (FR /
EN).
Dringlichkeitsdebatte
In Genf wurde rege über die schwere humanitäre Krise in Gaza diskutiert. Bereits im Vorfeld der Versammlung wurden mehrere Anträge gestellt, eine statutenkonforme Dringlichkeitsdebatte zu diesem Thema durchzuführen. Allerdings konnten die IPU-Mitglieder keine Einigung erzielen, was erst zum zweiten Mal (nach Angola im Oktober 2023) der Fall war. Südafrika stellte den Antrag, dass die IPU auf die Massnahmen des Internationalen Gerichtshofs gegen Israel in Zusammenhang mit der palästinensischen Bevölkerung in Gaza und auf den dringenden Handlungsbedarf angesichts der humanitären Krise aufmerksam macht. Die geopolitische Gruppe «Zwölf Plus», zu der auch die Schweiz gehört, bemühte sich um einen Konsens zwischen den verschiedenen Gruppen und schlug vor, zur raschen Lösung des Nahostkonflikts aufzurufen.
Der Antrag Südafrika scheiterte um lediglich zwölf Stimmen an der erforderlichen Zweidrittelmehrheit. Die IPU-Verantwortlichen entschieden daraufhin, im Anschluss an die Versammlung eine Medienmitteilung über die Lage in Gaza zu veröffentlichen. In dieser dringlichen politischen Erklärung (FR /
EN) wurde zu einen sofortigen Waffenstillstand in Gaza aufgerufen. Sie ergänzte die Resolution des UNO-Sicherheitsrates vom 25. März 2024, die ebenfalls zu einem Waffenstillstand aufrief.
Ständige Kommissionen
Die Versammlung verabschiedete zwei Resolutionen. Der erste Resolutionsentwurf (FR /
EN) über die sozialen und humanitären Auswirkungen von autonomen Waffensystemen (AWS) und künstlicher Intelligenz (KI) stammte aus der ständigen Kommission für Frieden und internationale Sicherheit. In ihm wird die Dringlichkeit und Wichtigkeit einer Reglementierung dieses Bereichs im Hinblick auf die Wahrung des Friedens, der internationalen Sicherheit und der Menschenrechte betont. Ausserdem wird unterstrichen, dass die AWS einer sinnvollen menschlichen Kontrolle (Meaningful Human Control) bedürfen, damit sichergestellt ist, dass das humanitäre Völkerrecht eingehalten und die internationale Sicherheit nicht gefährdet wird. Die Resolution ruft ferner zur Verabschiedung eines verbindlichen Rechtsinstruments für die AWS auf und ermutigt die Parlamente, mit der Ausarbeitung entsprechender nationaler Regelwerke eine aktive Rolle in diesem Prozess einzunehmen. Im Weiteren wird festgehalten, dass bei der Entwicklung und Nutzung der AWS der Menschenrechts- und der Datenschutz zu berücksichtigen sind, und damit die Wichtigkeit eines ethischen und verantwortungsvollen Umgangs mit diesen Technologien betont. Für die Schweiz beteiligten sich die Nationalräte Laurent Wehrli und Franz Grüter sowie Ständerat Daniel Jositsch an den Arbeiten dieser Kommission.
Der zweite Resolutionsentwurf stammte aus der ständigen Kommission für nachhaltige Entwicklung. Er befasst sich mit der Zusammenarbeit bei der Bewältigung der Klimaveränderungen, mit der Förderung des Zugangs zu bezahlbarer grüner Energie sowie mit der Förderung von Innovation, Verantwortung und Gerechtigkeit (FR /
EN). Die Resolution fordert die Parlamente auf, sich gemeinsam im Kampf gegen den Klimawandel zu engagieren, auf die Verringerung der Methanemissionen hinzuwirken und darauf zu achten, dass die Politik ihrer Regierungen mit den internationalen Zielen im Einklang steht. Zudem empfiehlt sie, zur Reduktion der Emissionen in innovative grüne Technologien zu investieren und den Übergang zu erneuerbaren und emissionsarmen Energieträgern zu beschleunigen. Im Weiteren werden die Parlamente aufgerufen, ihr Engagement in diesem Bereich zu intensivieren, indem sie Mechanismen zur Überprüfung der Fortschritte schaffen, mit anderen Parlamenten zusammenarbeiten und öffentlich-private Partnerschaften fördern, die zur Erhöhung der Resilienz gegenüber den klimatischen Herausforderungen und zur besseren Anpassung an die Klimaveränderungen beitragen. Für die Schweiz beteiligten sich Nationalrätin Laurence Fehlmann Rielle und Ständerätin Isabelle Chassot an den Arbeiten dieser Kommission.
Motion der ständigen Kommission für die Angelegenheiten der Vereinten Nationen
Die IPU-Versammlung verabschiedete ferner eine Motion (FR /
EN), die dazu aufruft, den UNO-Sicherheitsrat so zu reformieren, dass er die geopolitischen Realitäten des 21. Jahrhunderts besser widerspiegelt sowie demokratischer und transparenter wird. Die zuständige Kommission der IPU begrüsste die Annahme der Resolution 76/262 der UNO-Generalsversammlung, vertrat aber die Auffassung, dass diese nicht ausreicht, um den missbräuchlichen Gebrauch des Vetorechts zu verhindern. In ihren Augen verliert das multilaterale System ohne wirksame Reform des Sicherheitsrates stark an Glaubwürdigkeit. Mit der Motion werden die Mitgliederparlamente der IPU aufgerufen, sich regelmässig von den Regierungsverantwortlichen sowie den ständigen Vertreterinnen und Vertretern bei der UNO über die Reformfortschritte informieren zu lassen, ein demokratisches und transparentes Vorgehen einzufordern, die nationale Ratifikation der Reform vorzubereiten und sich aktiv an den parlamentarischen Prozessen zu beteiligen, um den Zukunftspakt zu beeinflussen, der am Zukunftsgipfel im September 2024 verabschiedet werden soll.
Komitee für die Menschenrechte von Parlamentsmitgliedern
Das Komitee der IPU für die Menschenrechte von Parlamentsmitgliedern fasste verschiedene Beschlüsse (FR /
EN) betreffend die gefährdeten Parlamentsmitglieder, namentlich in den Ländern Ägypten, Bangladesch, Guinea-Bissau, Israel, Kirgisistan, Madagaskar, Pakistan, Palästina, Philippen, Simbabwe, Somalia, Swasiland, Türkei und Venezuela. Nationalrätin Laurence Fehlmann Rielle ist Mitglied dieses Komitees und nahm aktiv an dessen Arbeiten teil.
Zusammensetzung der Delegation
Der Schweizer IPU-Delegation gehörten nebst ihrem Präsidenten, Nationalrat Thomas Hurter (SVP, SH), Nationalrätin Laurence Fehlmann Rielle (SP, GE), die Nationalräte Christian Lohr (Mitte, TG), Franz Grüter (SVP, LU) und Laurent Wehrli (FDP, VD), Ständerätin Isabelle Chassot (Mitte, FR) und Ständerat Daniel Jositsch (SP, ZH) an.
Die nächste Versammlung findet vom 13. bis zum 17. Oktober 2024 ebenfalls in Genf statt.
Abspielen der IPU-Hymne
Eindrücke von der 148. IPU-Versammlung in Genf
Laurent Wehrli an der Sitzung der Zypern-Vermittlungsgruppe
Daniel Jositsch an der Sitzung des Büros der ständigen Kommission für Frieden und internationale Sicherheit
Laurence Fehlmann Rielle an der Sitzung des Komitees für die Menschenrechte von Parlamentsmitgliedern
Delegationspräsident Thomas Hurter bei seiner Willkommensrede an die Teilnehmenden der 148. IPU-Versammlung (Schweizer Empfang)
Laurence Fehlmann Rielle an der Sitzung des Komitees für Nahostfragen
Christian Lohr an der Sitzung des Büros der ständigen Kommission für Demokratie und Menschenrechte
Franz Grüter begründet die Schweizer Anträge zum Entwurf der Resolution zu den autonomen Waffensystemen, der von der Kommission für Frieden und internationale Sicherheit ausgearbeitet worden war
Laurent Wehrli und Franz Grüter an der ständigen Kommission für Frieden und internationale Sicherheit
Laurence Fehlmann Rielle an der Sitzung der ständigen Kommission für nachhaltige Entwicklung
Christian Lohr an der Sitzung der ständigen Kommission für Demokratie und Menschenrechte
Thomas Hurter an der Sitzung des Parlamentarierinnen-Forums (das auch Männern offensteht)