Die Kommission für Rechtsfragen des Ständerates kommt mit 7 zu 6 Stimmen zum Schluss, dass zur Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare keine Verfassungsänderung erforderlich ist. Sie spricht sich damit für die Öffnung der Ehe auf dem Gesetzesweg aus und ist auf die vom Nationalrat verabschiedete Vorlage (13.468) ihrer Schwesterkommission eingetreten. Eine Minderheit beantragt ihrem Rat, die Vorlage an die Kommission zurückzuweisen mit dem Auftrag, eine Kommissionsinitiative für eine verfassungsrechtliche Grundlage zu ergreifen.

Die Öffnung der Ehe für Personen gleichen Geschlechts erfolgt mit der Vorlage der Kommission für Rechtsfragen des Nationalrates auf dem Wege einer Gesetzesänderung. Der Nationalrat hat die Vorlage am 11. Juni 2020 in der Gesamtabstimmung mit 132 zu 52 Stimmen bei 13 Enthaltungen angenommen. Er hat sich dabei mit 124 zu 72 Stimmen bei 1 Enthaltung auch für die Öffnung der Samenspende für lesbische Ehepaare ausgesprochen.

Nachdem die Kommission an ihrer Sitzung vom 19./20. Oktober 2020 Anhörungen durchgeführt hat zur Frage, ob die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare und der Zugang für lesbische Ehepaare zur Fortpflanzungsmedizin, wie vom Nationalrat beschlossen, auf Gesetzesstufe umgesetzt werden kann, oder eine Verfassungsänderung erfordere, hat sie sich auch im Rahmen der Eintretensdebatte intensiv mit der Frage der Verfassungsmässigkeit auseinandergesetzt.

Die Kommission weist darauf hin, dass das Recht zur Ehe in der Bundesverfassung (Art. 14 BV) historisch gesehen als Abwehrrecht gegen Ehehindernisse religiösen oder wirtschaftlichen Hintergrunds im kantonalen Recht ausgestaltet war. Der Gesetzgeber wird damit verpflichtet, das Institut der Ehe so zu regeln, dass die Inhaberinnen und Inhaber des Rechts auf Ehe auch Zugang dazu haben. Die Kommissionsmehrheit folgt der im Gutachten des Bundesamts für Justiz vom 7. Juli 2016 vertretenen Ansicht, dass die verfassungsmässige Ehefreiheit es dem Gesetzgeber aber nicht verbietet, die im Zivilgesetzbuch verankerten Merkmale der Ehe dahingehend zu ändern, dass die Ehe auch Personen gleichen Geschlechts offensteht. Sie betont insbesondere, dass die Ausweitung des Rechts auf Ehe auf Personen gleichen Geschlechts im Gesetz den verfassungsmässigen Zugang zur Ehe sowie auf die Tragweite und die Wirkungen der Ehe für verschiedengeschlechtliche Paare nicht einschränke. Eine Kommissionsminderheit weist darauf hin, dass die Verfassung auf einem traditionellen Begriffsverständnis der Ehe basiere und die Einführung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare deshalb zuerst auf ein verfassungsmässig tragfähiges Fundament gestellt werden müsse, bevor die «Ehe für alle» auf Gesetzesstufe umgesetzt werden könne.

Sie vertritt zudem die Ansicht, dass ein so wichtiges gesellschaftspolitisches Anliegen wie die Öffnung der Ehe nicht nur aufgrund des verfassungsrechtlichen Gesichtspunkts, sondern auch aus demokratiepolitischen Gründen Volk und Ständen unterbreitet werden müsse.

Im Rahmen der Detailberatung hat sich die Kommission mit 8 zu 1 Stimmen bei 3 Enthaltungen für eine gegenüber der Version des Nationalrates präzisere und differenziertere Regelung des Zugangs zur Samenspende für lesbische Ehepaare und dessen Auswirkungen auf das Kindesverhältnis ausgesprochen. Die neue Formulierung umfasst auch die nötigen Anpassungen im Fortpflanzungsmedizingesetz und möchte dem Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung besser Rechnung tragen, indem die Vermutung der Mutterschaft der Ehefrau nur bei der Samenspende und nicht generell eingeführt wird. Ausserdem wird die Anfechtungsklage bei der Samenspende ausgeschlossen.

Die Kommission hat die Vorlage in der Gesamtabstimmung mit 7 zu 1 Stimmen bei 4 Enthaltungen angenommen. Sie wird voraussichtlich in der kommenden Wintersession im Ständerat beraten.

Geschäftsmieten: Nicht in private Rechtsbeziehungen eingreifen

Wie die Schwesterkommission des Nationalrats beantragt auch die ständerätliche Kommission mit 8 zu 5 Stimmen ihrem Rat, nicht auf das Geschäftsmietegesetz einzutreten (20.076). Sie ist der Ansicht, dass mit dem Gesetz rückwirkend in private Vertragsverhältnisse eingegriffen würde. Sie stellt fest, dass die auf dem Tisch liegenden Vorschläge in vielen Fragen keine Lösungen enthalten, sondern vielmehr zu grosser Rechtsunsicherheit führen würden. Die Kommission erachtet es auch als störend, dass das Gesetz der unterschiedlichen Betroffenheit der einzelnen Betriebe nicht ausreichend Rechnung trägt. Eine Minderheit beantragt dem Ständerat, auf das Gesetz einzutreten. Sie ist der Ansicht, dass das Parlament in dieser Frage eine Lösung finden muss. Das Geschäft wird in der Wintersession von beiden Räten beraten werden.

Die Kommission hat am 12. November unter dem Vorsitz von Ständerat Beat Rieder (CVP, VS) in Bern getagt.