Die Staatspolitische Kommission des Nationalrates (SPK-N) hat mit knapper Mehrheit eine Kommissionsmotion beschlossen, die den Bundesrat auffordert, Artikel 136 Absatz 1 der Bundesverfassung so zu ändern, dass die politischen Rechte in Bundessachen allen Schweizerinnen und Schweizern ab 18 Jahren zustehen.

Mit 12 zu 12 Stimmen bei 1 Enthaltung und Stichentscheid der Präsidentin hat die SPK-N die Kommissionsmotion 24.4266 «Politische Rechte für Menschen mit Behinderungen» beschlossen und damit der Petition 23.2019 der Behindertensession 2023 («Autonomes und ungehindertes Wahl- und Stimmrecht») Folge gegeben. Die Motion beauftragt den Bundesrat, jene Bestimmung aus der Bundesverfassung (BV) zu streichen, wonach die politischen Rechte in Bundessachen nur Personen zustehen, «die nicht wegen Geisteskrankheit oder Geistesschwäche entmündigt sind» (Art. 136 Abs. 1 BV). Die Kommissionsmehrheit ist erstens der Ansicht, dass es problematisch ist, Personen mit Behinderungen die politischen Rechte systematisch zu entziehen, da eine umfassende Beistandschaft nicht zwangsläufig bedeutet, dass diese Personen nicht in der Lage sind, sich eine eigene Meinung zu bilden und ihre politischen Rechte auszuüben. Die SPK-N betont, dass keine andere Bevölkerungsgruppe einer solchen Einschränkung oder einer Prüfung ihrer «Fähigkeit» zur Ausübung ihrer politischen Rechte unterliegt. Zweitens ist die Kommissionsmehrheit der Meinung, dass die Formulierung dieses Verfassungsartikels überholt und nicht mehr mit dem zeitgenössischen und gesellschaftlich weitverbreiteten Verständnis von Behinderungen und psychischen Krankheiten vereinbar ist.

Die Kommissionsminderheit erachtet zwar die Formulierung dieses Artikels als unglücklich, sieht aber keinen Handlungsbedarf auf Verfassungsebene. Aus ihrer Sicht handelt es sich in erster Linie um ein Problem bei der Umsetzung des geltenden Rechts: Es liege an den Kantonen, eine umfassende Beistandschaft nur als letzte Möglichkeit und nur dann anzuordnen, wenn keine milderen Massnahmen ergriffen werden können.

Revision des Bundespersonalgesetzes: Annahme der Bundesratsvorlage

Die SPK-N hat sich mit der bundesrätlichen Vorlage zur Revision des Bundespersonalgesetzes (BPG) befasst (24.068). Mit der Revision soll das Gesetz in verschiedenen Bereichen angepasst werden: berufliche Vorsorge, Datenschutz, Digitalisierung, Schutz von Whistleblowing, Disziplinarmassnahmen und Flexibilisierung bei der Beendigung von Arbeitsverhältnissen.

Mit 15 zu 9 Stimmen ist die Kommission auf die Vorlage eingetreten und hat einen Antrag auf Rückweisung an den Bundesrat abgelehnt, mit dem verlangt wurde, die Arbeitsverhältnisse des Bundespersonals wie im Privatsektor dem Obligationenrecht zu unterstellen. In der Detailberatung hat die SPK-N die Vorlage des Bundesrates nur geringfügig geändert, abgesehen von einer Änderung zur Flexibilisierung der Probezeitdauer. Die Kommission hat die Vorlage in der Gesamtabstimmung einstimmig angenommen.

Adressdienstgesetz

Mit 14 zu 10 Stimmen bei 1 Enthaltung hat die Kommission trotz anderweitigem Entscheid des Ständerates ihren Beschluss vom Januar bekräftigt, den Entwurf des Adressdienstgesetzes (23.039) an den Bundesrat zurückzuweisen. Folgt der Nationalrat seiner Kommission, wird die Rückweisung wirksam.

Status S: Kommission ist gegen Differenzierung nach Herkunftsregion

Die Kommission beantragt mit 12 zu 12 Stimmen und Stichentscheid der Präsidentin, den ersten Punkt der Motion Friedli Esther 24.3378 («Schutzstatus S auf wirklich Schutzbedürftige beschränken») abzulehnen. Die Punkte 2 und 3 beantragt sie ebenfalls zur Ablehnung, und zwar mit 16 zu 8 Stimmen. Die vom Ständerat in der Sommersession angenommene Motion verlangt unter anderem, bei der Gewährung des Status S danach zu differenzieren, aus welcher ukrainischen Region die Schutzsuchenden stammen. Die Kommissionsmehrheit ist der Ansicht, dass eine solche Regelung zu grossen Problemen bei der Umsetzung führen würde. Die Kommissionsminderheit beantragt die Annahme der Motion.

Mit 15 zu 8 Stimmen bei 1 Enthaltung beantragt die Kommission hingegen, die vom Ständerat in der Sommersession angenommene Motion Würth 24.3022 («Für die Akzeptanz des Schutzstatus S braucht es Anpassungen») anzunehmen. Die Motion hat denselben Wortlaut wie die vom Nationalrat bereits angenommene Motion Paganini 24.3035. Die SPK-N unterstützt die Anliegen dieser beiden Vorstösse. In ihren Augen ist es wichtig, jegliche Missbräuche des Status S wirksam und proaktiv zu bekämpfen. Die Kommissionsminderheit beantragt die Ablehnung der Motion, da deren Anliegen ihrer Ansicht nach bereits erfüllt oder überflüssig sind.

UNO-Migrationspakt: Schweiz soll nicht zustimmen

Wie der Ständerat ist die Staatspolitische Kommission des Nationalrates der Ansicht, dass die Bundesversammlung die Leitprinzipien und Ziele des Globalen Pakts vom 19. Dezember 2018 für eine sichere, geordnete und reguläre Migration zur Kenntnis nehmen, die Schweiz aber dem Pakt nicht zustimmen soll. Die Kommission stimmt dem so modifizierten Grundsatz- und Planungsbeschluss mit 16 zu 8 Stimmen bei 1 Enthaltung zu (21.018). Der UNO-Migrationspakt ist ein rechtlich nicht verbindlicher Handlungsrahmen, durch den kein innenpolitischer Handlungsbedarf entsteht und für dessen Unterzeichnung der Bundesrat zuständig ist.

Die Kommission sieht keinen Mehrwert in der Unterzeichnung des Pakts. Die letzten sechs Jahre haben gezeigt, dass die schweizerische Migrationspolitik durch die Nichtunterzeichnung nicht negativ beeinflusst wurde. Eine Minderheit ist der Ansicht, dass sich die Bundesversammlung auch gegen die Leitprinzipien und Ziele des Pakts aussprechen sollte, während eine andere Minderheit mit dem Bundesrat die Meinung vertritt, dass die Schweiz insbesondere im Sinne eines aussenpolitischen Zeichens den Pakt unterzeichnen sollte.

Verletzung der Vertraulichkeit von Kommissionssitzungen

Die Kommission hat einstimmig beschlossen, Strafanzeige wegen Verletzungen des Sitzungsgeheimnisses einzureichen, nachdem die Medien vor Kurzem mehrere Auszüge aus Sitzungsprotokollen der Kommission und aus einem Brief an einen Departementsvorsteher veröffentlicht hatten. Die Kommission ist der Meinung, dass ein solches Durchsickern von Informationen an die Medien äusserst schädlich für die Kommissionsarbeit und deshalb aufs Schärfste zu verurteilen ist.

Die Kommission tagte am 24./25. Oktober 2024 unter dem Vorsitz von Nationalrätin Greta Gysin (G, TI) in Bern.