Sieben Fotografen, sieben Jahrzehnte

In der Sommerserie 2022 erzählen wir sieben Jahrzehnte Parlamentsgeschichte durch die Linse von sieben renommierten Fotografen. Carl Jost, Eugen Thierstein, Hans Gerber, Walter Studer, Siegfried Kuhn, Walter Rutishauser und Hansueli Trachsel lassen uns das Parlamentsgebäude mit anderen Augen sehen. Wir wünschen eine gute Zeitreise!

«Hansueli Trachsel war der Chronist der Berner Geschichte seit den späten 1970er-Jahren, aber auch auf der eidgenössischen Ebene. Er prägte den Berner Fotojournalismus durch seine Bilder sowie durch seine Tätigkeit als Bildredaktor bei der Tageszeitung Der Bund.» (FotoCH) 

Obwohl Hansueli Trachsel die Ereignisse in Bundesbern stets mit geübtem Auge eingefangen hat, lässt sich seine Arbeit (noch) nicht leicht dokumentieren. Im Stadtarchiv Bern warten Unmengen von Negativen auf ihre Klassierung, Beschriftung und Digitalisierung und somit auf die Aufnahme in den Bestand– eine zeit- und ressourcenintensive Arbeit, die für das Verständnis unserer politischen Geschichte jedoch unerlässlich ist. 

Dank der Unterstützung von FotoCH und des Stadtarchivs Bern bieten wir Ihnen hier einen Einblick in die Arbeit eines Fotografen, welcher seinen Beruf noch als Handwerk ausübte, der analogen Fotografie treu blieb und seine Negative selbst entwickelte. Verfolgen Sie mit seinen Augen die Nichtwahl von Christiane Brunner zur Bundesrätin und den Aufstieg von Ruth Metzler zur Figur auf dem Schachbrett der Bundespolitik. Willkommen in den 1990er-Jahren!


Auf Druck der Partei Nichtannahme der Wahl


© Hansueli Trachsel, Stadtarchiv Bern

Die Freisinnige Elisabeth Kopp scheidet 1989 aus dem Bundesrat aus. Zu Beginn der 1990er-Jahre gehören dem Bundesrat erneut ausschliesslich Männer an. Als der Sozialist René Felber 1993 seinen Rücktritt bekannt gibt, präsentiert die SP für dessen Ersatz ein Einerticket: die Genfer Gewerkschafterin Christiane Brunner. Wie schon 1983 bei Lilian Uchtenhagen zieht die Bundesversammlung einen männlichen Kollegen vor (siehe : Der Einzug der Frauen ins Parlament, mit Siegfried Kuhn) und wählt den Neuenburger Francis Matthey. Die Geschichte wiederholt sich, doch die Zeiten haben sich geändert: Auf Druck seiner Partei und der Frauenverbände sieht er sich gezwungen, seine Wahl abzulehnen: «Seul, Mesdames et Messieurs, on est rarement en bonne compagnie» (alleine, meine Damen und Herren, ist man selten in guter Gesellschaft), erklärt er nach einer Woche Bedenkzeit auf der Tribüne. 

Derweil hat Christiane Brunner beschlossen, mit einer "Mitstreiterin" aus demselben Kanton anzutreten: Ruth Dreifuss. Die beiden Frauen präsentieren sich den Medien mit derselben Sonnen-Brosche. Sie zeigen damit, dass Frauen aus dem Schatten ins Licht treten. Es ist dieses Symbol für die Unterstützung von Frauen in der Politik, das auf dem Bild im Hintergrund zu sehen ist. Inzwischen wurde die Sonne durch die erhobene Faust im Inneren des Frauensymbols verdrängt. 

Die Bundesversammlung wählt Ruth Dreifuss am 10. März 1993.


Auch die Sitzungszimmer gehen mit der Zeit

© Hansueli Trachsel, Stadtarchiv Bern

Das Sitzungszimmer 287 mit Teppich und mit Aschenbechern auf den Tischen. Das Foto muss gegen Ende der 1990er-Jahre aufgenommen worden sein, da es möglich scheint, mit den Mikrofonen die Redebeiträge aufzunehmen – eine kleine technische Weiterentwicklung, welche die Arbeit der Protokollführerinnen und Protokollführer revolutionieren wird.


Nach wie vor hochaktuell

© Hansueli Trachsel, Stadtarchiv Bern


Moritz Leuenberger betritt ein Sitzungszimmer. Hinter ihm sind Achille Casanova, der damalige Vizekanzler, und Eduard Kiener, der Direktor des Bundesamtes für Energie (BFE), zu erkennen. Letzterer trat sein Amt 1977 an und leitete das BFE 23 Jahre lang. Er setzte sich für den 1987 verabschiedeten Energieartikel in der Verfassung ein, mit welchem die Voraussetzungen für eine Energiepolitik des Bundes geschaffen werden sollten, die diesen Namen verdient. Nach den Ölkrisen von 1973 und 1979 sowie der Nuklearkatastrophe von Tschernobyl wurden sich die Behörden bewusst, wie stark sich internationale Ereignisse auf die Schweiz auswirken können, die damals ungefähr 85 Prozent der von ihr verbrauchten Energie importierte. Mit dem Energieartikel in der Verfassung erhielt der Bund die Kompetenz, eine rationelle Energienutzung und den Einsatz erneuerbarer Energien zu fördern – ein Thema, das nichts von seiner Aktualität eingebüsst hat.

Eine Doppelwahl

© Hansueli Trachsel, Stadtarchiv Bern

März 1999. Das Rennen um die Nachfolge der CVP-Bundesräte Arnold Koller und Flavio Cotti ist eröffnet. Es treten zwei Frauen an, die Sankt-Gallerin Rita Roos und die Appenzellerin Ruth Metzler, sowie mehrere Männer, darunter der Freiburger Joseph Deiss, der Obwaldner Adalbert Durrer und der Zuger Peter Hess. Im sechsten Wahlgang setzt sich Joseph Deiss schliesslich mit einer Stimme Vorsprung gegen Peter Hess durch. Der Freiburger bleibt bis 2006 Bundesrat. Er ist zunächst Vorsteher des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten und anschliessend des Eidgenössischen Departements für Wirtschaft, Bildung und Forschung. Ruth Metzler, die sich ebenfalls durchsetzt, wird vier Jahre später von Christoph Blocher (SVP) aus dem Amt gedrängt, nachdem sie von der Parteispitze, die Deiss vorzieht, fallengelassen wird. 

Damit ist das Ende der berühmten, seit 1959 geltenden «Zauberformel» besiegelt, nach welcher sich der Bundesrat aus je zwei Mitgliedern der SP, der FDP und der CVP sowie aus einem Mitglied der SVP zusammensetzt (siehe die 1960er-Jahre, illustriert von Walter Studer).


Die Politik, ein Schachspiel in Lebensgrösse

© Hansueli Trachsel, Stadtarchiv Bern


Ruth Metzler auf dem Schachbrett, vom Fotografen meisterhaft eingefangen.