25-Jahr-Jubiläum Lions Club Falkenstein-Balsthal
Samstag, 23. September 2006
Bienkensaal Oensingen


Sehr geehrte Damen und Herren! Geschätzte Gäste aus Bayern!

Es ist mir eine grosse Freude, heute zur Feier Ihres Clubjubiläums meine Worte an Sie zu richten. Bevor ich mich jedoch der schwierigen Aufgabe zuwende, vor Ihnen über die Aufgaben von Serviceclubs, wie ich sie als „Outsider“ verstehe, zu sprechen, möchte ich Ihnen zuerst ganz herzlich zum Jubiläum gratulieren. In den vergangenen 25 Jahren hat der Lions Club Falkenstein-Balsthal viel für die Region geleistet und hat sich auch selbst stark weiterentwickelt. Dafür sind alleine Sie als engagierte, solidarische Mitbürger verantwortlich. Lions setzen sich ein für soziale Projekte, für eine bessere Zukunft. In ihrer Region und darüber hinaus. Beispielhaft sind Ihre traditionellen Einsätze für die Solothurnische Beratungsstelle für Sehbehinderte. Traditionell deshalb, weil beispielsweise die Chlausenfeier der Kontaktgruppe Balsthal in über 20 Jahren zum festen Bestandteil im Jahresablauf von manchem Falkensteiner Lion geworden ist.

Das bringt mich aber auch schon zum Thema: Sozial engagierte, solidarische Menschen sind Bürger, die sich der Staat nur wünschen kann. In diesem Sinne möchte ich die Serviceclubs heute aus einer staatlichen Perspektive betrachten. Mit Blick auf zukünftige Entwicklungen möchte ich mit Ihnen in den kommenden 15 Minuten einige Gedanken darüber teilen, welche Aufgaben den Serviceclubs einerseits aus einem öffentlichen Interesse heraus zukommen und welche Aufgaben sie andererseits aus dem Eigeninteresse ihrer Mitglieder heraus verfolgen.

Aber bevor man in die Zukunft blicken kann, muss man die Vergangenheit verstehen. Ich möchte Ihnen an dieser Stelle kurz die Entstehungsgeschichte der Serviceclubs vor Augen führen. Die Aktivitäten von Serviceclubs wie Rotary, Kiwanis, Zonta, Round Table oder Lions dringen nur selten in das Bewusstsein einer breiteren Öffentlichkeit. Deshalb halte ich ein Verständnis ihrer historischen Entwicklung für besonders wichtig.

Um zu verstehen, welche Bedeutung die Serviceclubs heute haben, muss der Blick auf das Amerika des 19. Jahrhunderts gerichtet werden. Damals bildeten sich die Serviceclubs, wie wir sie heute kennen, als Weiterentwicklung von Bruderschaften, Orden und Logen. Denn das 19. Jahrhundert in Amerika war eine von starkem Individualismus und Selbstverantwortlichkeit geprägte Zeit. Es gab keine staatliche Daseinsvorsorge, wie wir das heute gewöhnt sind. Der Einzelne musste für sich selbst sorgen, weshalb sich viele Arbeiter und Handwerker in solchen Solidargemeinschaften organisierten, um sich sozial abzusichern.

Aber Ende des 19. Jahrhunderts bot die boomende Versicherungsbranche einen anderen (wohl einfacheren) Weg, sich gegen soziale Risiken abzusichern. Die ersten Serviceclubs verloren daher ihre solidarische Komponente und die neue Mittelklasse schloss sich in so genannten „Business Clubs“ zusammen, die primär wirtschaftliche Interessen verfolgten.
Gleichzeitig wuchs aber die Bedeutung der Frauenbewegungen, was wegweisende Impulse für die Gründung der heutigen Serviceclubs lieferte. Im 19. Jahrhundert stellte die Mitarbeit in einem Club, der sich in seiner Gemeinde durch soziales Engagement auszeichnete, die einzige Möglichkeit für Frauen dar, sich im öffentlichen Leben zu profilieren. Entsprechend gross war der Erfolg dieser Frauen-Clubs, die dank ihres starken Engagements auf der Gemeinde-Ebene, beispielsweise durch den Aufbau von Bibliotheken oder den Ausbau von sanitären und medizinischen Einrichtungen, erheblich an Einfluss gewannen.

Das Beispiel machte Schule: Anfang des 20. Jahrhunderts folgten viele Männer dem Zeitgeist und gründeten Vereinigungen, die ähnliche soziale Ansätze wie die Frauen-Clubs verfolgten oder sie änderten die Ausrichtung ihrer business clubs. Pikanterweise ignorierten die männlichen Serviceclubs die Frauenclubs jedoch von Anfang an und schrieben sich die Erfindung des Service-Gedankens auf die eigene Fahne.
Der Lions-Club war in dieser Hinsicht eine geradezu revolutionäre Ausnahme, denn bei seiner Gründungs-Convention wurde auch die Aufnahme von Frauen beschlossen! Die Revolution währte allerdings nicht lange. Denn bereits ein Jahr später wurde diese Entscheidung widerrufen und erst 1987 auf dem Weltkongress in Taipeh wieder im Sinne der Gleichstellung korrigiert…

Was nun die Aufgaben von Serviceclubs betrifft, orientiere ich diese an verschiedenen Zielgruppen. Denn einerseits engagieren sich die Clubs sozial, andererseits öffnen sie ihre Türen nicht für jedermann. Sie erbringen also Leistungen für ihre Mitglieder, aber ein zentrales Ziel aller Vereinigungen sind die Services für die Gemeinschaft. Darüber hinaus erfüllen die Serviceclubs meiner Meinung nach auch Aufgaben für die Gesellschaft in einem weiteren Sinne, doch dazu komme ich später.

Zuerst geht es um die Tatsache, dass Serviceclubs zwei Seiten haben: Auf der einen Seite steht die Bedeutung des Kontaktnetzes und des professionellen Netzwerks, auf der anderen Seite das soziale Engagement der Clubs. Wenn man über Aufgaben von Serviceclubs spricht, geht es also um die Frage, welche Funktion sie zum einen für das Clubmitglied selbst und zum anderen für die Gesellschaft haben.

Das öffnet Raum für Widersprüche: Denn wir sprechen ja von privaten Clubs, deren Zugang nicht jedem offen steht. Gleichzeitig handeln die Serviceclubs mit ihrem sozialen Engagement aber auch im öffentlichen Interesse. Insbesondere wenn man sich die Grösse, die Verbreitung und wirtschaftliche Kraft ansieht, welche Serviceclubs heutzutage einnehmen, könnte man fast schon von Institutionen sprechen, die öffentliche Aufgaben übernehmen, welche sonst vom Staat erfüllt werden müssten.

Der Lions Club hat seit seiner Gründung in den USA 1917 „Niederlassungen“ in fast jedem Land der Welt gegründet und ist mit über 1.3 Millionen Mitglieder in über 45'000 lokalen Clubs der grösste Serviceclub weltweit. 1948 wurde in Genf der erste Schweizer Lions Club gegründet – als einer der ersten in Europa – und in der Zwischenzeit gibt es hier bereits 226 Clubs mit fast 9'000 Mitgliedern. Neben den unzähligen kleineren regionalen Aktivitäten für die Lösung sozialer Probleme ist Lions International die grösste von der UNO anerkannte Nicht-Regierungs-Organisation. Jährlich fliessen über 700 Millionen US-Dollar in Hilfsprojekte auf der ganzen Welt.

Mit Fug und Recht kann man also behaupten, dass Serviceclubs in Form von lokalen, nationalen und internationalen Projekten öffentliche Aufgaben übernehmen, die in manchen Ländern als Teil der staatlichen Sphäre angesehen werden. Ein Beispiel dafür ist das Lions-Quest-Programm in Deutschland, ein Programm zur Förderung der Persönlichkeitsentwicklung von Jugendlichen. Mit der Ausbildung von Lehrpersonen unterstützt das Lions-Quest-Programm Aufgaben des Bildungswesens und übernimmt damit Verantwortungen im öffentlichen Interesse.

Diese Leistungen sind aber kein Produkt selbstloser Hingabe, sondern entspringen einer Art „organisierter Solidarität“, die eben auch für das Mitglied Vorteile verspricht. Konkret handelt es sich dabei um die Mitgliedschaft in einem Kreis „auserlesener“ Menschen unterschiedlichster Berufe, deren Kontakte und Vernetzung in der Berufswelt von entscheidender Bedeutung sind. Eine wesentliche Motivation, sich im Rahmen eines Serviceclubs zu engagieren, besteht daher in der Möglichkeit einer berufsübergreifenden Vernetzung, dem Austausch von Erfahrung und Information und dem Kennenlernen von Menschen, vor allem auch aus anderen Ländern. Die Bedeutung dieses globalen sozialen Netzwerks ist nicht zu unterschätzen, denn dieses ermöglicht nicht nur den Zugang zu sonst unerreichbaren Personen und Ressourcen, sondern trägt insbesondere zum Aufbau von Vertrauen bei. Die Mitglieder der Serviceclubs entwickeln sich zu verlässlichen, über den ganzen Globus verteilten Partnern. Das gilt nicht nur in Bezug auf Beruf und Wirtschaft, sondern auch für den privaten Bereich.

Ich denke, es ist wohl auch dieser Kombination von sozialem Engagement, beruflicher Vernetzung mit verlässlichen Partnern und privaten Freundschaften zuzuschreiben, dass vor 25 Jahren der Lions Club Falkenstein-Balsthal gegründet wurde und sich seither so prachtvoll entwickelt hat.

Wie vorhin angetönt, lassen sich in einem weiteren Sinne aber auch noch Aufgaben gesellschaftlich-kultureller Art identifizieren, die den Serviceclubs in der heutigen Zeit zukommen. Durch die heterogene Zusammensetzung der Clubs und die Konfrontation mit anderen Berufen können die einzelnen Mitglieder nämlich Standpunkte und Meinungen auch aus der Sicht von anderen heraus kennen lernen. Dank den vielfältigen Aktivitäten, Vorträgen und Diskussionen können sie ihr Wissen und ihren Horizont über den eigenen Erfahrungsbereich, oft sogar über ihre nationalen Grenzen hinaus erweitern. Die Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Meinungen und Verhaltensweisen fördert bei den Mitgliedern eine Form der Sozialisation und Toleranz, die ich in der heutigen individualisierten, multikulturellen Gesellschaft für besonders wichtig erachte. In gewissem Sinne wird also innerhalb der Clubs Bildung betrieben, was aus staatlicher Perspektive natürlich nur zu befürworten ist.
Ausserdem sehe ich in den Serviceclubs auch für eine besondere Form von Wirtschaftsförderung. Denn die Mitglieder von Serviceclubs sind leistungsbereite, unternehmerische Menschen. Ihr Einsatz für soziale Projekte beweist das. Ich habe vorher ausserdem von Vertrauen gesprochen. Wenn sich nun unternehmerische Menschen in einem Netzwerk zusammentun, in dem man sich aufeinander verlassen kann, wird das zweifellos Auswirkungen auf die wirtschaftliche Entwicklung haben: Denn Risiko schreckt Investoren ab, Unsicherheit hemmt die Konjunktur. Wirtschaftsförderung besteht daher zu einem guten Teil aus der Minimierung von Risiko und Unsicherheit. Und genau das machen die Serviceclubs, wenn sie im Rahmen von Partnerschaften unternehmerischer Menschen Vertrauen schaffen.

Die Aufgaben von Serviceclubs in der heutigen Zeit: Dazu zählen also neben den altruistisch orientierten Service-Projekten und dem eher eigennützig motivierten Netzwerkgedanken besondere Formen der Bildung und Sozialisation sowie eine Art von Wirtschaftsförderung. In der modernen Gesellschaft sind diese Funktionen besonders wichtig, da viele Berufsgruppen und Wirtschaftszweige voneinander abhängig und auf gegenseitiges Verständnis sind. Hier sitzt der Chirurg neben dem Bäcker und der Kleinunternehmer neben dem Professor. Die Serviceclubs sehe ich daher als soziale Institutionen, die viel für eine gemeinschaftlich organisierte Gesellschaft und eine integrierte Wirtschaft leisten können.

In dieser Hinsicht werden die Serviceclubs in Zukunft kaum an Aufgaben einbüssen, im Gegenteil: Dank ihrer internationalen Vernetzung, den lokalen Service-Projekten und der Übernahme von öffentlichen Aufgaben haben sie den Trends der Individualisierung und der wachsenden wirtschaftlichen Unsicherheit etwas entgegen zu setzen. In einer Zeit, in der sich sozialstaatliche Institutionen mit ihren Leistungen zurückziehen müssen, insbesondere mit Sparmassnahmen auf Gemeinde-Ebene, zähle ich die Serviceclubs zu den Einrichtungen, welche die Konsequenzen eines solchen Rückgangs auffangen können.

In einer Gesellschaft, die – wie vor 150 Jahren in Amerika – zunehmend von Individualismus geprägt ist, kommt es darauf an, sich der Verantwortung für andere bewusst zu sein. Aus diesem Blickwinkel liegen die Zukunftschancen der Serviceclubs gerade darin, sich auf lokaler Ebene zu engagieren und gleichzeitig in einem grenzüberschreitenden Zusammenhang zu agieren. Der Lions Club verbindet internationale Strukturen mit regionalen Aktivitäten auf ideale Weise. Das scheint mir eine viel versprechende Strategie. Das Motto ist zwar schon etwas abgegriffen, aber auf keine andere Organisation trifft die Strategie „think global, act local“ wohl besser zu!

In diesem Sinne danke ich Ihnen für Ihre wertvolle Arbeit, für Ihr Engagement und wünsche Ihnen alles Gute für das Weiterbestehen Ihres Clubs sowie weiterhin erfolgreiches Networking!