Die vom Ständerat in der Herbstsession bereits gutgeheissene Verfassungsänderung zur Umsetzung der 2. Säule der OECD-Steuerreform in der Schweiz (22.036) wird auch von der WAK-N begrüsst. In Abweichung vom Ständerat beantragt die Kommission hingegen mit knappem Mehr, die voraussichtlichen Mehreinnahmen je hälftig zwischen Bund und Kantonen aufzuteilen, wobei gleichzeitig eine Obergrenze pro Einwohnerin und Einwohner eingeführt werden soll.

Eintreten auf den Entwurf des Bundesrates, der es erlaubt, in der Schweiz eine Mindestbesteuerung von 15 Prozent für multinationale Unternehmen mit einem Umsatz über 750 Millionen Euro im Jahr einzuführen, war in der Kommission unbestritten. Sehr grossen Diskussionsbedarf gab es – wie bereits im Ständerat – hingegen zur Frage, wie die zu erwartenden Mehreinnahmen zwischen Bund und Kantonen aufgeteilt werden sollen. Mit 13 zu 12 Stimmen beantragt die Kommission, sie zu je 50 Prozent dem Bund und den Kantonen zuzuteilen, allerdings mit der Präzisierung, dass der Anteil eines Kantons an der Ergänzungssteuer eine Obergrenze von 400 Franken pro Einwohnerin und Einwohner nicht überschreiten darf. Der überschiessende Betrag würde gleichmässig auf die übrigen Kantone verteilt. Die Mehrheit will mit diesem Konzept verhindern, dass die Schere zwischen Tief- und Hochsteuerkantonen noch weiter aufgeht und verspricht sich eine höhere Akzeptanz der Vorlage bei der Bevölkerung. Eine starke Minderheit spricht sich in Übereinstimmung mit dem Bundesrat und dem Ständerat dafür aus, 75 Prozent des steuerlichen Mehrertrags den Kantonen zu überlassen. Die Kantone bräuchten einen gewissen Spielraum zum Erhalt ihrer Standortattraktivität und seien deshalb auf die entsprechenden Mehreinnahmen angewiesen. Noch weitergehende Anträge, die Mehreinnahmen vollumfänglich den Kantonen bzw. dem Bund zu überlassen, fanden keine Unterstützung und wurden mit 15 zu 10 bzw. mit 18 zu 4 Stimmen bei 3 Enthaltungen abgelehnt. Ebenso lehnt es die WAK-N mit 14 zu 11 Stimmen ab, den Kantonen genauer vorzuschreiben, wie sie ihre Zusatzeinnahmen auf die Gemeinden verteilen sollen, und hält an der Formulierung einer «angemessenen Berücksichtigung» fest. Wie bereits die Finanzkommission spricht sich auch die WAK-N mit 15 zu 9 Stimmen bei 1 Enthaltung dagegen aus, die Ergänzungssteuer durch die Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV) zu vollziehen. Klar ist hingegen für die Kommission, dass die Kantone keine Abgeltung für den administrativen Vollzugsaufwand erhalten sollen.

Den vom Bundesrat beantragten Wortlaut des neuen Verfassungsartikels 129a heisst die Kommissionsmehrheit unverändert gut. Verschiedene Anträge, die Formulierung der Verfassungsänderung von Anfang an so zu beschränken, dass sie auf Säule 1 der OECD-Steuerreform nicht anwendbar wäre, wurden abgelehnt. Die neue Verfassungsbestimmung bleibt somit flexibel genug, um bei Bedarf auch als Grundlage für dieses Steuerreformprojekt, das derzeit nicht zur Debatte steht, zu dienen.

Aus zeitlichen Gründen konnte die Kommission die Detailberatung noch nicht vollständig abschliessen. Sie wird dies an ihrer Sitzung vom 14./15. November 2022 tun, sodass das Geschäft in der Wintersession beraten werden kann.

Totalrevision des Zollgesetzes: Anhörungen

Die Kommission hat eine breit angelegte Anhörung zur Totalrevision des Zollgesetzes (22.058) durchgeführt. Teilgenommen haben Vertreterinnen und Vertreter der Kantone (KKJPD und KKPKS), der Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragte des Bundes (EDÖB), sowie folgende Verbände und Interessengruppen: economiesuisse, Schweizerischer Gewerbeverband, Schweizer Bauernverband, Garanto, Vereinigung der Grenzwachtoffiziere, Transfair, SPEDLOGSWISS; Swiss Shippers’ Council, Ports Francs et Entrepôts de Genève, Scienceindustries.

Die Kommission wird die Eintretensdebatte an ihrer Sitzung vom 14./15. November 2022 führen und anschliessend über das weitere Vorgehen entscheiden. Zum Zeitpunkt der Eintretensdebatte werden der Kommission Berichte der Verwaltung zu den finanziellen Auswirkungen der Vorlage sowie ein Vergleich zwischen den aktuellen und geplanten Kompetenzen des Bundesamtes für Zoll und Grenzsicherheit vorliegen.

Keine Unterstellung unter das Arbeitsgesetz für gewisse Mitarbeitende von Start-ups

An ihrer Mai-Sitzung hatte die Kommission die Umsetzung der parlamentarischen Initiative 16.442, «Arbeitnehmende in Start-ups mit Firmenbeteiligungen sollen von der Arbeitszeiterfassung befreit sein», diskutiert und beschlossen, bestimmte Mitarbeitende von Start-ups vom Geltungsbereich des Arbeitsgesetzes auszunehmen (vgl. Medienmitteilung vom 6. Mai 2022). Sie ist jetzt mit 17 zu 8 Stimmen auf den mittlerweile ausgearbeiteten Vorentwurf eingetreten und hat ihm in der Gesamtabstimmung mit ebenfalls 17 zu 8 Stimmen zugestimmt. Eine Minderheit beantragt, nicht auf die Vorlage einzutreten. Eine andere Minderheit plädiert für eine präzisere Definition der betroffenen Arbeitnehmerkategorie, eine weitere Minderheit schliesslich verlangt, auf die explizite Fortführung des Gesundheitsschutzes zu verzichten. Die Vorlage wird nun finalisiert und die Vernehmlassung ungefähr Mitte November eröffnet, begleitet von einer separaten Medienmitteilung.

Allgemeinverbindlich erklärte GAV sollen kantonalen Mindestlöhnen vorgehen

Mit 11 zu 10 Stimmen beantragt die Kommission, die Motion «Sozialpartnerschaft vor umstrittenen Eingriffen schützen» (20.4738) von Ständerat Erich Ettlin anzunehmen. Die Motion hat zum Ziel, Bestimmungen der allgemeinverbindlich erklärten Gesamtarbeitsverträge (GAV) anderslautenden Bestimmungen der Kantone zu Mindestlöhnen überzuordnen. Die Kommissionsmehrheit ist der Meinung, kantonale Mindestlöhne führten zu Unsicherheiten in den sozialpartnerschaftlichen Verhandlungen. Mit der Annahme der Motion soll die Rechtssicherheit für die bewährte Sozialpartnerschaft wiederhergestellt werden. Ausserdem sei es ja der Bundesrat, der GAV allgemeinverbindlich erklärt, damit seien sie im Charakter ähnlich wie Bundesrecht.

Hingegen argumentiert eine Minderheit, dass es aus staatspolitischen Gründen problematisch sei, GAV, bei denen es sich um Vereinbarungen zwischen Privaten handle, dem kantonalen Recht vorzuziehen. Ausserdem sei es problematisch, Entscheide der kantonalen Stimmbevölkerung zu überstimmen.

Nationale digitale Lösung für die Meldepflicht in der Beherbergung

Mit 14 zu 6 Stimmen bei 2 Enthaltungen beantragt die Kommission die Annahme einer von Ständerätin Gmür-Schönenberger eingereichten und vom Ständerat im Sommer 2022 angenommenen Motion (21.4426), die eine nationale digitale Lösung für die Meldepflicht in der Beherbergung fordert. Die Mehrheit hält das aktuelle System mit den unterschiedlichen kantonalen Regelungen für ineffizient und nicht sehr kundenfreundlich. Sie plädiert deshalb für eine Vereinheitlichung. Eine Minderheit hält die jetzige föderale Lösung für bedarfsgerechter und möchte nicht, dass in die kantonale Autonomie eingegriffen wird. Sie beantragt die Ablehnung der Motion.

Weitere Beschlüsse

Die Kommission hat – wie vom Nationalrat bei der Rückweisung der Vorlage 17.400, «Systemwechsel bei der Wohneigentumsbesteuerung», am 29. September 2022 beschlossen – eine Subkommission eingesetzt. Diese hat nun den Auftrag, basierend auf dem nationalrätlichen Mandat bis im Frühling 2023 eine Vorlage zuhanden der Plenarkommission auszuarbeiten.

Weiter hat die Kommission beschlossen, die Beratung der pa. Iv. 21.520, «Der Verkehrswert von nichtkotierten Wertpapieren soll dem Buchwert des Unternehmens entsprechen», erneut zu sistieren (vgl. Medienmitteilung vom 21. Juni 2022). Sie möchte vor ihrem Entscheid über die Initiative eine angepasste Formulierung des Anliegens in Form einer Kommissionsmotion vertieft prüfen.

Die Kommission hat am 24./25. Oktober 2022 unter dem Vorsitz von Nationalrat Leo Müller (M-E/LU) und teilweise in Anwesenheit der Bundesräte Ueli Maurer und Guy Parmelin in Bern getagt.