Die Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrates will, dass Patientinnen und Patienten schneller und einfacher Zugang zu Behandlungen mit Cannabisarzneimitteln erhalten. Sie hat eine entsprechende Gesetzesänderung zur Aufhebung des Verkehrsverbots von Cannabis zu medizinischen Zwecken mit 22 zu 3 Stimmen gutgeheissen.

Die Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrates hat den Entwurf des Bundesrates zur Änderung des Betäubungsmittelgesetzes in Bezug auf Cannabisarzneimittel (20.060) beraten. Die Gesetzesänderung sieht vor, dass Ärzte und Ärztinnen Cannabisarzneimittel direkt verschreiben können. Heute bedarf es für die Verwendung von Cannabis zu medizinischen Zwecken zumeist eine Ausnahmebewilligung des Bundesamtes für Gesundheit. Angesichts der hohen Nachfrage für solche Ausnahmebewilligungen halten Kommission und Bundesrat dieses System für nicht mehr adäquat. Für chronisch kranke Patientinnen und Patienten können sich so missliche Wartezeiten ergeben, wie die Kommission bereits in einer Motion (18.3389) kritisiert hat. Gleichzeitig soll mit der Vorlage der Anbau, die Herstellung, die Verarbeitung und der Handel von medizinisch genutztem Cannabis unter Bewilligung der Swissmedic möglich werden (vgl. Motion 18.3148). Um die Wirkungen der Gesetzesänderung zu untersuchen und die Verschreibungspraxis zu kontrollieren, werden die Ärzte und Ärztinnen verpflichtet, Behandlungen zu melden und die relevanten Daten an das BAG zu übermitteln. Die Kommission beantragt dabei, dass insbesondere Daten zu Nebenwirkungen erhoben werden sollen. In den restlichen Punkten ist die Kommission dem Bundesrat gefolgt und hat den Entwurf mit 22 zu 3 Stimmen angenommen. Zwei Minderheitsanträge verlangen zusätzliche Bedingungen, dagegen fordert ein dritter Minderheitsantrag, den Zugang zu Medizinalcannabis weiter zu erleichtern. Die Frage der Vergütung von Cannabisarzneimitteln ist nicht Gegenstand der Vorlage.

Eintreten auf den zweiten Entwurf des Tabakproduktegesetzes (TabPG)

Die Kommission ist mit 18 zu 4 Stimmen auf den zweiten Entwurf des Bundesgesetzes über Tabakprodukte und elektronische Zigaretten (15.075 s) eingetreten. Eine Minderheit beantragt, die Vorlage an den Bundesrat zurückzuweisen mit dem Auftrag, Alternativprodukte wie E-Zigaretten, Tabakprodukte zum Erhitzen und Snus differenziert zu regeln. Vor dem Eintretensbeschluss hat die Kommission eine Vertretung der Schweizerischen Gesundheitsdirektorenkonferenz sowie Vertreterinnen und Vertreter von Branchenorganisationen des Tabakprodukte- und E-Zigaretten-Handels sowie von Organisationen aus dem Gesundheits- und Präventionsbereich angehört.
Zudem hat sie eine Delegation des Initiativkomitees der Volksinitiative «Ja zum Schutz der Kinder und Jugendlichen vor Tabakwerbung (Kinder und Jugendliche ohne Tabakwerbung)» (20.068) angehört. Die Kommission wird diese Initiative behandeln, sobald die Detailberatung des Tabakproduktegesetzes abgeschlossen ist.
Der neue Entwurf des Tabakproduktegesetzes sieht ein gesamtschweizerisches Verbot der Abgabe an Minderjährige und ein Verbot von speziell auf Minderjährige ausgerichteter Werbung vor, verzichtet darüber hinaus aber auf weitere Werbebeschränkungen. Der Ständerat hat den Entwurf bereits behandelt und verschiedene Änderungen vorgenommen, namentlich zur Verschärfung der Werbe- und Sponsoringbeschränkungen.
Ferner beantragt die Kommission dem Nationalrat mit 19 zu 2 Stimmen bei 1 Enthaltung, die Übergangsregelung für Tabakprodukte im Lebensmittelgesetz (20.459) um vier Jahre zu verlängern, um zu verhindern, dass bis zum Inkrafttreten des neuen Tabakproduktegesetzes eine Rechtslücke entsteht.

Erste Differenzen im Kostendämpfungspaket 1a ausgeräumt

Die Kommission hat die Differenzen im Paket 1a der Massnahmen zur Kostendämpfung in der Krankenversicherung (19.046 n; Entwurf 2) beraten und ist bei zwei von fünf Massnahmen dem Ständerat gefolgt. Ohne Gegenstimme übernahm sie dessen Formulierung in Art. 42 Abs. 3, der sicherstellen soll, dass jeder Patient und jede Patientin eine Kopie der Arzt- und Spitalrechnungen erhält. Mit 13 zu 11 Stimmen beantragt sie, nun doch keine Subventionen vorzusehen für Patientenorganisationen, die Versicherten helfen, solche Rechnungen zu überprüfen. Im Gegensatz zum Ständerat hält die Kommission jedoch daran fest, gesetzliche Leitplanken zu setzen für Erarbeitung und Anwendung von Pauschalen für ambulante Behandlungen. Was die geplanten Pilotprojekte betrifft, die von den gesetzlichen Regeln abweichen, hat die Kommission die Verwaltung beauftragt, zusammen mit dem Bundesamt für Justiz eine verfassungskonforme Formulierung vorzuschlagen.

Weitere Geschäfte

Die Kommission hat weiter das Sozialversicherungsabkommen zwischen der Schweiz und Bosnien-Herzegowina beraten (20.047). Mit 17 zu 7 Stimmen beantragt sie, dem Bundesbeschluss zur Ratifizierung des Abkommens zuzustimmen. Bosnien-Herzegowina ist der einzige Nachfolgestaat des ehemaligen Jugoslawien, der über kein separates Sozialversicherungsabkommen mit der Schweiz verfügt. Eine Minderheit beantragt, nicht auf das Geschäft einzutreten.

Die Kommission beantragt der Pa. Iv. (Chiesa) Marchesi. Direkte Bundessteuer. Abzug für Krankenkassenprämien erhöhen und so an die Realitätanpassen (17.520) mit 17 zu 7 Stimmen keine Folge zu geben. Die Arbeiten zur Umsetzung der Mo. Nationalrat (Grin). Erhöhung der Pauschalabzüge bei der direkten Bundessteuer (17.3171) mit der gleichen Stossrichtung sind im Gang.

Angesichts der rasch steigenden Zahlen von Covid-19-Infektionen liess sich die Kommission von Bundesrat Alain Berset und seinen Fachleuten über die neuesten Entwicklungen informieren, und zwar insbesondere im Hinblick auf Quarantäne, Tests, Impfstoffe und Behandlungsmöglichkeiten.

Die Kommission tagte am 8. und 9. Oktober 2020 in Bern unter der Leitung von Ruth Humbel (CVP, AG) und teilweise in Anwesenheit von Bundesrat Alain Berset.