In der zweiten Lesung im Differenzbereinigungsverfahren zu dieser wichtigen Reform der Finanzströme im Gesundheitssystem hat die Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrates ihren Willen bekräftigt, die Langzeitpflege in die Vorlage einzubeziehen. Dieser Einbezug soll flexibel und nur dann erfolgen, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind. Die Kommission verzichtet jedoch auf eine Änderung im Bereich der Akut- und Übergangspflege und schliesst sich dem Beschluss des Ständerates an, wonach Vertragsspitäler von der Grundversicherung die gleich hohe Vergütung erhalten sollen wie heute.

Die Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrates (SGK-N) hat eine zweite Lesung ihrer Beschlüsse zu den Differenzen bei der Umsetzung der Pa. Iv. Humbel. Finanzierung der Gesundheitsleistungen aus einer Hand. Einführung des Monismus parlamentarischen Initiative (EFAS; 09.528) durchgeführt. Sie hält an ihrem Beschluss fest, den sie in der ersten Lesung mit 15 zu 8 Stimmen bei 2 Enthaltungen fasste, die Langzeitpflege in die Vorlage einzubeziehen. Damit macht sie einen wichtigen Schritt auf den Ständerat zu. Gleichzeitig bestätigt sie zwei grössere Änderungen, die sie in erster Lesung am Konzept des Einbezugs der Pflege vornahm. Die Kommission beantragt insbesondere, dass der Einbezug der Langzeitpflege in die einheitliche Finanzierung flexibel und nur dann erfolgt, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind: Die Tarife im Pflegesektor müssen auf einer einheitlichen und transparenten Kostenbasis festgelegt werden und die Pflegeinitiative muss vollständig umgesetzt sein (18 zu 7 Stimmen in erster Lesung). Darüber hinaus hält die Kommission an ihrem Antrag fest, wonach die Beiträge der Versicherten an die Kosten der Pflegeleistungen von den Kantonen übernommen werden sollen (13 zu 11 Stimmen bei 1 Enthaltung in erster Lesung). Eine Kommissionsminderheit lehnt das Konzept des Einbezugs der Pflege als Ganzes ab.

Entgegen ihrem Beschluss aus der ersten Lesung beantragt die SGK-N nun mit 14 zu 11 Stimmen, die Höchstdauer der Akut- und Übergangspflege nicht zu verlängern und keine Übernahme der Aufenthaltskosten durch die obligatorische Grundversicherung vorzusehen. Eine solche Massnahme würde erhebliche Zusatzkosten verursachen und ein ohnehin schon heikles Projekt noch weiter verkomplizieren.

Darüber hinaus hat die Kommission in zweiter Lesung mit 18 zu 6 Stimmen bei 1 Enthaltung beschlossen, dass die Kantone für Leistungen der Grund- und der Notfallversorgung Tarifzuschläge festsetzen können. Diese sind durch Abschläge bei den kantonalen Tarifen für medizinische Spezialleistungen auszugleichen. Die Verwaltung wurde beauftragt, Formulierungsvorschläge auszuarbeiten, um diese Idee im Gesetz zu verankern. Die Kommission wird sich an ihrer Sitzung Ende August erneut mit diesem Punkt befassen.

In Bezug auf die Rechnungskontrolle und den Datenbedarf der Kantone hält die Kommission an ihren Beschlüssen aus der ersten Lesung fest und unterstreicht somit ihren Willen, einen Kompromiss zwischen den Forderungen der Kantone und jenen der Versicherer zu finden. Bei Artikel 21 KVG schliesst sich die SGK-N im Grossen und Ganzen dem Beschluss des Ständerates an, präzisiert jedoch, dass die Kantone von den Versicherern die notwendigen Angaben erhalten müssen, um überprüfen zu können, ob die Leistungserbringer – im Speziellen Spitäler – mit dem Kanton eine entsprechende Leistungsvereinbarung abgeschlossen haben (23 zu 0 Stimmen bei 2 Enthaltungen in der ersten Lesung). Bei Artikel 60 Absatz 7 kommt die Kommission auf den Beschluss aus der ersten Lesung zurück und präzisiert mit 15 zu 10 Stimmen, dass nicht – wie vom Ständerat vorgeschlagen – die Versicherer, sondern die Spitäler den Kantonen die Rechnungskopien zu den Spitalbehandlungen zustellen müssen. Am Beschluss aus der ersten Lesung (14 zu 11 Stimmen), den Kantonen nicht die Möglichkeit einzuräumen, die Kostenübernahme zu verweigern, wenn die formellen Voraussetzungen nicht erfüllt sind (Art. 60 Abs. 7bis und 7ter), wird festgehalten.

Entgegen ihrem Beschluss aus der ersten Lesung hat die Kommission mit 11 zu 11 Stimmen bei 3 Enthaltungen und Stichentscheid der Vizepräsidentin entschieden, sich bei der Finanzierung der Vertragsspitäler (Art. 49a) der Position des Ständerates anzuschliessen. Auch bezüglich der Beteiligung der Kantone an der neuen Organisation für Tarifstrukturen für Pflegeleistungen (Art. 47a) sowie der Schaffung von Steuerungsmöglichkeiten für die Kantone bei starkem Kostenanstieg im ambulanten Bereich (Art. 55b) schliesst sich die SGK-N ohne Gegenantrag den Beschlüssen des Ständerates an.

Die Kommission hat ausserdem die von ihrer ständerätlichen Schwesterkommission beschlossene Mo. SGK-SR. Einführung der einheitlichen Finanzierung der Leistungen nach KVG. Kostenneutralität überprüfen (22.3372) behandelt. Sie beantragt mit 18 zu 7 Stimmen, den Motionstext dahingehend abzuändern, dass er mit dem aktuellen Wortlaut des Entwurfs für eine einheitliche Finanzierung vereinbar ist.

Die SGK-N wird sich an ihrer nächsten Sitzung mit dem letzten noch offenen Punkt befassen, damit der Entwurf, zu dem mehrere Minderheitsanträge eingereicht wurden, in der Herbstsession vom Nationalrat beraten werden kann.

Grosser Schritt in Richtung Ständerat beim indirekten Gegenvorschlag zur Prämien-Entlastungs-Initiative

Die Kommission hat die Differenzen beim indirekten Gegenvorschlag zur Prämien-Entlastungs-Initiative (21.063, Entwurf 2) beraten und schliesst sich bei der Hauptfrage der Mindestbeträge dem Beschluss des Ständerates an. Demgemäss sollen die Kantone neu abhängig von der Prämienlast zwischen 3,5 und 7,5 Prozent der kantonalen Bruttokosten der obligatorischen Krankenversicherung für die Prämienverbilligung aufwenden. Dies würde Mehrkosten von etwa 356 Millionen für die Kantone bedeuten. Die Kommission hat sich mit 13 zu 10 Stimmen bei 2 Enthaltungen für den ständerätlichen Beschluss und gegen einen alternativen Vorschlag ausgesprochen. Dieser baut auf dem Konzept des Nationalrates auf, wonach Bund und Kantone die Prämienverbilligungen für die EL-Bezügerinnen und Bezüger separat zu finanzieren haben. Gleichzeitig würde der Maximalbetrag für die restliche Prämienverbilligung gesenkt, sodass die Kantone zwischen 5 und 7 Prozent der OKP-Bruttokosten dafür aufwenden müssten. Analog dazu würde der Bundesbeitrag von heute 7,5 auf 7 Prozent der OKP-Bruttokosten reduziert. Die Mehrkosten für diese Alternative werden auf etwa 691 bis 808 Millionen Franken für die Kantone und 1,1 Milliarden Franken für den Bund beziffert. Zuvor hatte sich die Kommission mit 14 zu 11 Stimmen gegen den ursprünglichen Vorschlag des Bundesrates entschieden. Dieser sieht einen Mindestbetrag von 5 bis 7,5 Prozent für die Kantone vor und würde zu etwa 494 Millionen Mehrkosten für die Kantone führen.

Bei der zweiten Differenz hält die Kommission dagegen mit 12 zu 12 Stimmen und Stichentscheid der Vizepräsidentin am Beschluss des Nationalrates fest. Damit die Sozialziele zwischen den Kantonen vergleichbar sind, soll der Bundesrat Vorgaben zu Prämien und Einkommen machen.

Es wurden Minderheiten zu allen Punkten eingereicht. Die Beratungen zum indirekten Gegenvorschlag und der Prämien-Entlastungs-Initiative sollen während der kommenden Herbstsession abgeschlossen werden.

Vertrauliche Preismodelle für hochpreisige Medikamente nur mit Berichterstattung

Bei der weiteren Detailberatung des zweiten Kostendämpfungspakets (22.062) hat sich die Kommission im Grundsatz für vertrauliche Preismodelle ausgesprochen. Sie unterstützt damit den Entwurf des Bundesrates, hat ihn aber einstimmig um die Vorgabe ergänzt, dass eine unabhängige Stelle öffentlich über die Umsetzung der vertraulichen Preismodelle Bericht erstatten soll. Dies soll ermöglichen, die Anzahl dieser Preismodelle und deren Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit zu prüfen, während einzelne Rückerstattungen vertraulich bleiben können. Die Kommission sieht solche vertraulichen Preismodelle als notwendig an, um den Zugang zu hochpreisigen und innovativen Medikamenten in der Schweiz zu sichern. Eine Minderheit beantragt, dass diese Bestimmungen nur fünf Jahre gelten sollen (mit 15 zu 9 Stimmen abgelehnt). Eine weitere Minderheit lehnt sie ganz ab (mit 15 zu 8 Stimmen bei 1 Enthaltung abgelehnt). Im Bereich der Arzneimittel hat die Kommission zudem einstimmig präzisiert, dass Arzneimittel auch von der periodischen Überprüfung ausgeschlossen werden können, wenn die Versorgungssicherheit gefährdet ist. Ebenso hat sie die Verwaltung beauftragt, einen Vorschlag vorzulegen, mit dem die Prozesse zur Vergütung von Impfstoffen und Impfungen vereinfacht werden können.

Die Kommission befürwortet weiterhin, dass Apothekerinnen und Apotheker neu Leistungen zugunsten der Krankenversicherung abrechnen können, mit denen medikamentöse Behandlungen optimiert werden oder die sie im Rahmen von Präventionsprogrammen erbringen. Die Kommission sieht aber davon ab, die Kosten für neue Leistungen mit einer Reduktion bei der Vergütung der Arzneimittelabgabe zu kompensieren. Abklärungen von der Verwaltung haben ergeben, dass ein solches Anliegen schwer umsetzbar ist.

Bei den weiteren Massnahmen des Pakets wie den Referenztarifen für ausserkantonale Spitalaufenthalte oder der elektronischen Rechnungsübermittlung schliesst sich die Kommission dem Entwurf des Bundesrates an. Sie will aber die digitale Versichertenkarte fördern und hat dazu die Verwaltung noch mit Abklärungen beauftragt. Weiteren Klärungsbedarf sieht die Kommission auch im Bereich der Leistungen bei Mutterschaft. So will sie die Betreuungsleistungen von Hebammen im Gesetz verankern und prüfen, wie die Kostenübernahme verbindlich geregelt werden kann, wenn Hebammen Mittel wie etwa Kompressionsstrümpfe oder Arzneimittel abgeben. Weiter unterstützt sie grundsätzlich, dass die Leistungen ab Beginn der Schwangerschaft von der Kostenbeteiligung befreit sind, möchte jedoch eine offenere Formulierung, welche sämtliche Fachpersonen einschliesst.

Die Kommission wird sich an ihrer nächsten Sitzung noch mit den Ergebnissen der Abklärungen der Verwaltung befassen, so dass die Vorlage bereit für die Herbstsession sein kann.

Arbeitslosenentschädigung auch für Personen in arbeitgeberähnlicher Stellung

Mit 18 zu 6 Stimmen bei 1 Enthaltung hat die Kommission ihren Vorentwurf zur Pa. Iv. Silberschmidt. Unternehmerinnen und Unternehmer, welche Beiträge an die Arbeitslosenversicherung bezahlen, sollen auch gegen Arbeitslosigkeit versichert sein (20.406) in der Gesamtabstimmung gutgeheissen. Mit der neuen Regelung sollen Personen in arbeitgeberähnlicher Stellung einfacher und rascher Arbeitslosenentschädigung (ALE), nicht aber Kurzarbeitsentschädigung erhalten. Konkret sollen sie nach einer Wartezeit von 20 Tagen Anspruch auf ALE haben, sofern sie mindestens zwei Jahre im entsprechenden Betrieb gearbeitet haben, nicht mehr angestellt und nicht Mitglied des Verwaltungsrates sind. Verschiedene Minderheiten verlangen striktere Kriterien, eine längere Wartezeit oder einen Abzug allfälliger Gewinnauszahlungen aus einer Beteiligung am Betrieb während des Bezug von ALE. Eine weitere Minderheit beantragt, Arbeitnehmende ohne Anspruch auf ALE von der Beitragspflicht an die Arbeitslosenversicherung zu befreien. Die Kommission wird voraussichtlich Mitte August die Vernehmlassung zur Vorlage eröffnen.

Weitere Geschäfte

Die Kommission liess sich über die geplanten Anpassungen derKVV und der KLV zu den Arzneimittelmassnahmen informieren und zeigte sich erfreut über die an den runden Tischen erzielten Kompromisslösungen. Sie empfiehlt dem Bundesrat jedoch noch Anpassungen, insbesondere zur Beurteilung der Wirtschaftlichkeit durch die Versicherer im Rahmen der Vergütung im Einzelfall.

Die Kommission hat sich zum Entwurf der Ausführungsverordnung zur AHV 21 konsultieren lassen. Sie empfiehlt dem Bundesrat mit 16 zu 8 Stimmen die Freizügigkeitsverordnung derart anzupassen, dass der Aufschub des Bezugs der Altersleistung aus einer Freizügigkeitspolice oder einem Freizügigkeitskonto um maximal 5 Jahre nach Erreichen des Referenzalters möglich bleibt.

Die Kommission wurde ausserdem über den Stand der Arbeiten und der Verhandlungen zum Pandemievertrag der Weltgesundheitsorganisation (WHO) informiert. Die Verwaltung bestätigte, dass die Kommission im Hinblick auf den Einbezug des Parlaments regelmässig über die Entwicklungen in diesem Dossier orientiert wird. Beim derzeitigen Stand der Verhandlungen gibt es noch diverse Unklarheiten über die Rechtsnatur und den Inhalt des Vertrags. Die Kommission wird die Situation weiterhin aufmerksam verfolgen.

Die Kommission hat zudem mit 13 zu 11 Stimmen bei 1 Enthaltung eine Kommissionmotion eingereicht, welche den Bundesrat beauftragt, den Mutterschafts- und Vaterschaftsurlaub bei einer Mehrlingsschwangerschaft zu verlängern (23.3964). Aufgrund dieses Beschlusses hat Nationalrat Fivaz seine parlamentarische Initiative zum selben Anliegen (22.445) zurückgezogen.

Die Kommission hat schliesslich folgende Beschlüsse gefasst:

  • Iv. Roduit. Tod in Heimen und Rückerstattung von Ergänzungsleistungen. Teure und ärgerliche Verwaltungsverfahren einstellen (22.442): Folge gegeben, mit 14 zu 5 Stimmen bei 5 Enthaltungen
  • Iv. Töngi. Heizkosten bei Ergänzungsleistungen vollständig berücksichtigen (22.443): Folge gegeben mit 13 zu 11 Stimmen bei 1 Enthaltung
  • Iv. Nantermod. KVG. Mehrjährige Versicherungsverträge für alternative Versicherungsmodelle zulassen (22.438): Antrag, keine Folge zu geben mit 10 zu 9 Stimmen bei 4 Enthaltungen
  • Iv. Dandrès. Risikogemeinschaft in den Sammelstiftungen der beruflichen Vorsorge (22.444): Antrag, keine Folge zu geben mit 17 zu 8 Stimmen
  • Iv. Roth Pasquier. Unverzüglich das Sparpotenzial der von Apothekerinnen und Apothekern erbrachten Leistungen nutzen (20.457): Antrag auf Fristverlängerung von zwei Jahren mit 23 zu 1 Stimmen
  • Stöckli. Erstellen und Bewirtschaften von Medikationsplänen zur Erhöhung der Medikationsqualität und Patientensicherheit von polymorbiden Patientinnen und Patienten (21.3294): Antrag auf Annahme mit 12 zu 11 Stimmen
  • Dittli. Altersguthaben schützen bei einem Austritt aus einem 1e-Plan (21.4142): Antrag auf Annahme mit 14 zu 10 Stimmen.

Die Kommission tagte am 3. und 4. Juli 2023 in Bern unter der Leitung von Barbara Gysi, (SP, SG) und teilweise in Anwesenheit von Bundespräsident Alain Berset.