Die Krankenkassen und die Kantone sollen die von der Grundversicherung gedeckten Leistungen nicht nur im ambulanten und im stationären Bereich, sondern auch in der Pflege nach einem einheitlichen Kostenteiler finanzieren. Dies beantragt die Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Ständerates (SGK-S). Sie will den Kantonen mehr Steuerungs- und Kontrollmöglichkeiten geben.

Die Kommission hiess die tiefgreifende Reform der Finanzflüsse in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung, mit der die pa. Iv. Humbel. Finanzierung der Gesundheitsleistungen aus einer Hand (09.528) umgesetzt wird, in der Gesamtabstimmung mit 7 zu 3 Stimmen bei 1 Enthaltung gut. Sie schloss damit ihre eingehende Analyse der umfassenden Reform, die ihre Schwesterkommission des Nationalrates ausgearbeitet hatte, nach zwölf Sitzungen und gestützt auf umfangreiche Abklärungen der Verwaltung ab.

Die Kantone wenden für die Finanzierung stationärer Spitalleistungen und die Restfinanzierung der Pflegeleistungen rund 10 Milliarden Franken auf, was circa einem Viertel der insgesamt rund 39 Milliarden Franken Gesamtkosten für Leistungen nach dem Krankenversicherungsgesetz (KVG) entspricht (Durchschnitt der Jahre 2016-2019). Diese rund 10 Milliarden Franken sollen nach dem Willen der Kommission zukünftig nicht mehr direkt von den Kantonen an die Leistungserbringer fliessen, sondern als Kantonsbeitrag an die Versicherer, welche neu die gesamten KVG-Leistungen den Leistungserbringern vergüten.

Um dies zu erreichen, soll gesetzlich festgelegt werden, dass die Kantone neu mindestens 26,9 Prozent und die Krankenversicherer höchstens 73,1 Prozent der Leistungen finanzieren, unabhängig davon, wo und von wem diese erbracht werden. Derzeit gelten für den ambulanten Bereich, den stationären Bereich und die Pflege drei unterschiedliche Finanzierungsregimes. Werden diese vereinheitlicht, werden die steuer- und die prämienfinanzierten Anteile stabilisiert, Fehlanreize beseitigt und eine koordinierte Versorgung der Patientinnen und Patienten erleichtert. Auf gesamtschweizerischer Ebene soll die Umstellung für die Kantone und die Versicherer kostenneutral sein. In einzelnen Kantonen kann die Umstellung zu Verschiebungen zwischen Prämien und Steuern führen, aus einer Gesamtsicht von Prämien und Steuern ist die Umstellung aber auch innerhalb der einzelnen Kantone kostenneutral.

Mit ihren Anträgen weicht die Kommission respektive ihre Mehrheit insbesondere in folgenden Punkten vom Beschluss des Nationalrates ab:

- Mehr Zeit für Anpassungen: Die einheitliche Finanzierung soll drei Jahre nach dem unbenutzten Verstreichen der Referendumsfrist oder der Annahme in der Volksabstimmung auf Anfang Jahr in Kraft treten. Anschliessend sollen die Kantone vier und nicht nur drei Jahre Zeit erhalten, um ihren Kostenanteil zu erreichen.

- Einbezug der Pflege: Es soll von Anfang an klar festgelegt werden, wann die Pflege, die insbesondere auch von Spitex-Organisationen und in Pflegeheimen erbracht wird, in die einheitliche Finanzierung einbezogen wird. Die Kommissionsmehrheit schlägt vor, diesen Schritt vier Jahre nach Inkrafttreten der einheitlichen Finanzierung zu tun. Bis dahin bleibe genügend Zeit, um die nötige Kostentransparenz in der Pflege zu schaffen.

- Mehr Steuerungsmöglichkeiten für die Kantone: Steigen die Kosten in einem Kanton überdurchschnittlich, soll er – zusätzlich zur geltenden Zulassungsbeschränkung für Ärztinnen und Ärzte – die Zulassung anderer Leistungserbringer im ambulanten Bereich stoppen können (Art. 55b). Zur besseren Steuerung der Versorgung und Aufsicht über die Leistungserbringer sollen die Kantone zudem direkt von den Versicherern aggregierte Daten und falls notwendig auch anonymisierte Individualdaten erhalten (Art. 21).

- Wohnsitz- und Rechnungskontrolle: Die Kantone sollen generell eine Wohnsitzkontrolle durchführen können und zusätzlich Zugang zu allen Originalrechnungen im stationären Bereich erhalten. Dies mit der Möglichkeit, die Kostenübernahme zu verweigern, wenn formale Voraussetzungen nicht erfüllt sind (Art. 60 Abs. 7-7ter).

- Stärkerer Einbezug der Kantone: Da die Kantone neu die ambulant erbrachten Leistungen mitfinanzieren, sollen sie in die Tariforganisation für ambulante Behandlungen aufgenommen werden. Darüber hinaus sollen sie auch in einer neuen Tariforganisation für Pflegeleistungen mitwirken (Art. 47a). Zudem sollen sie sich an einem Ausschuss der gemeinsamen Einrichtung KVG beteiligen, der die Kantonsbeiträge berechnet und auf die Versicherer verteilt (Art. 18 Abs. 2sexies) und schliesslich auch vom Bundesrat in die Regelung der Umsetzung der Datenweitergabe durch die Versicherer (Art. 21) einbezogen werden.

- Vertragsspitäler: Spitäler, die nicht auf einer Spitalliste sind, sollen aus der Grundversicherung eine gleich hohe Vergütung erhalten wie heute. Nach dem Beschluss des Nationalrates erhielten sie deutlich mehr als heute, was die kantonalen Spitalplanungen schwächen und Zusatzversicherungen entlasten würde (Art. 49a).

Mit ihrer Motion «Einführung der einheitlichen Finanzierung der Leistungen nach KVG. Kostenneutralität überprüfen» (22.3372) will die Kommission den Bundesrat zu einer Evaluation verpflichten, womit dieser einverstanden ist.

Prämienverbilligung: Kantone sollen sich entsprechend der Prämienlast beteiligen

Die Kommission hat den indirekten Gegenvorschlag zur Prämien-Entlastungs-Initiative (21.063) mit 9 zu 4 Stimmen in der Gesamtabstimmung angenommen. In der Detailberatung ist sie im Wesentlichen dem indirekten Gegenvorschlag des Bundesrates gefolgt. Demnach sollen die Kantone neu einen Mindestbetrag von 5 bis 7,5 Prozent der kantonalen Kosten der Krankenpflegeversicherung für die Prämienverbilligung aufwenden. Dies abhängig davon, wie stark die Prämien das Budget der Versicherten in einem Kanton belasten. Diese neue Vorgabe hat rund 493 Millionen Franken Mehrkosten für die Kantone zur Folge. Die Kommission hat sich mit 7 zu 6 Stimmen für diese Vorgabe und gegen eine Variante mit einem Mindestbetrag zwischen 4,5 und 7,5 Prozent ausgesprochen. Sie hat zudem mit 9 zu 4 Stimmen den Vorschlag des Nationalrates abgelehnt, der zu einem deutlichen Ausbau der Prämienverbilligung führen würde (siehe Medienmitteilung der SGK-N vom 7. Juni 2022).

Zusätzlich sollen die Kantone neu festlegen müssen, welchen Anteil die Prämien höchstens am verfügbaren Einkommen der Versicherten ausmachen dürfen. Im Gegensatz zur nationalrätlichen Version soll aber auf Vorgaben zur Prämienhöhe oder zum Einkommen verzichtet werden (mit 9 zu 4 Stimmen).

Der indirekte Gegenvorschlag ist damit bereit für die Wintersession. Es wurden Minderheiten zu allen Punkten eingereicht.

Die Kommission beantragt mit 8 zu 4 Stimmen bei 1 Enthaltung, die Mo. Nationalrat (Fraktion S). Kaufkraft schützen. Abfederung des Prämienschocks 2023 durch sofortige Erhöhung des Bundesbeitrages an die individuelle Prämienverbilligung (22.3793) abzulehnen. Ebenso beantragt sie die Ablehnung der gleichlautenden Motionen 22.3801 und 22.3802. Die geforderte kurzfristige Erhöhung würde hohe Zusatzausgaben für den Bund bedeuten, während fraglich ist, wie sie in den Kantonen umgesetzt werden könnte. Zudem soll mit langfristigen Massnahmen beim indirekten Gegenvorschlag zur Prämien-Entlastungs-Initiative angesetzt werden.

Covid-19-Gesetz: Bund soll Testkosten weiterhin übernehmen – allerdings nur bis Ende März 2023

Die Kommission hat die Detailberatung der Vorlage zur Verlängerung und Änderung ausgewählter Bestimmungen des Covid-19-Gesetzes (22.046) fortgesetzt. Mit 6 zu 5 Stimmen beantragt sie, die Verantwortung für das Testregime und die Übernahme der Testkosten beim Bund zu belassen – allerdings nur bis zum 31.März 2023. Der Nationalrat wollte die heutigen Zuständigkeiten bis Ende Juni 2024 beibehalten. Die Kommission ist der Ansicht, dass die Testkosten ab April 2023 nicht mehr übernommen werden sollten – auch nicht von den Kantonen, wie dies der Bundesrat vorschlägt. Bei den übrigen Punkten ist die Kommission den Anträgen des Bundesrates gefolgt. In der Gesamtabstimmung hat sie die Vorlage mit 9 zu 0 Stimmen bei 2 Enthaltungen angenommen.

Die Kommission beantragt mit 8 zu 3 Stimmen die Annahme der Mo. Nationalrat (SGK-NR). Stärkung und Finanzierung der Patientenorganisationen im Bereich seltener Krankheiten (22.3379).

Die Kommission tagte am 3. November 2022 in Bern unter dem Vorsitz von Erich Ettlin (Die Mitte, OW) und teilweise in Anwesenheit von Bundesrat Alain Berset