Die Staatspolitische Kommission des Nationalrates (SPK-N) hat sich von der Vorsteherin des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements über die aktuelle Situation der Geflüchteten aus der Ukraine in der Schweiz informieren lassen und eine intensive Diskussion geführt.

Aufgrund der hohen Anzahl an Geflüchteten, die täglich aus der Ukraine in die Schweiz kommt und sich bei den Bundesasylzentren (BAZ) registrieren lässt, stehen der Bund und die Kantone, aber auch die Zivilgesellschaft vor grossen Herausforderungen. Um sich ein umfassendes Bild der Lage machen zu können, hat die Kommission zudem Vertreterinnen der Kantone und der Schweizerischen Flüchtlingshilfe angehört. Die Kommission stellt fest, dass die Zusammenarbeit bis anhin gut funktioniert und für neu auftretende Probleme im Rahmen des Verfahrens, wie beispielsweise die langen Wartezeiten bei der Registrierung oder die Finanzierung von Integrationsmassnahmen, rasch zielführende Lösungen gefunden werden.

Nichtsdestotrotz empfiehlt die Kommission, die Koordination zwischen den Kantonen, insbesondere bei der Übernahme von Kosten für die Unterbringung von Geflüchteten bei Privaten, zu verbessern. Zudem weist sie auf eine staatspolitische Komponente bei der Unterbringung von Geflüchteten durch Private hin, nämlich die Übernahme einer staatlichen Aufgabe durch Private. Sie ist sich bewusst, dass dies in der aktuellen Lage ein wichtiger Aspekt bei der Bewältigung der Krise ist, betont aber, dass es sich dabei um eine vorübergehende Lösung handeln muss. Ein besonderes Augenmerk sollte nach Ansicht der Kommission auch auf die Sicherheit gelegt werden, sowohl auf die Sicherheit der Geflüchteten als auch jene der Bevölkerung. Die Kommission wird die Lage weiterhin beobachten.

Zusätzliche Aufnahme von Flüchtlingen durch die Gemeinden und Kantone

Die Kommission hat sich ferner mit der von der Grünen Fraktion eingereichten parlamentarischen Initiative 21.519 und der vom Kanton Basel-Stadt eingereichten Standesinitiative 21.310 befasst, die verlangen, dass die Gemeinden und Kantone in humanitären Krisen die Möglichkeit zur Aufnahme zusätzlicher Flüchtlinge haben. Die Kommission ist der Ansicht, dass die Umsetzung eines Mechanismus, welcher die Gemeinden und Kantone einbezieht, äusserst komplex wäre und im Widerspruch zum aktuellen System stünde, und hat deshalb mit 14 zu 8 Stimmen (21.310) bzw. mit 13 zu 9 Stimmen (21.519) beschlossen, den beiden Initiativen keine Folge zu geben. Nach Auffassung der Minderheit handelt es sich um ein zusätzliches Aufnahmeangebot derjenigen Gemeinden und Kantone, die bereit sind zu helfen und Lösungen zu finden.

Einsatz von Abstimmungsschablonen für sehbehinderte Menschen

Sehbehinderte Stimmberechtigte benötigen für die Stimmabgabe die Unterstützung einer weiteren Person, welche Hilfestellungen leistet oder die Stimme im Namen der stimmberechtigten Person abgibt. Somit stellen sich Fragen bezüglich der Wahrung des Wahl- und Abstimmungsgeheimnisses von Menschen mit einer Sehbehinderung. Die Kommission hat deshalb einstimmig die Einreichung einer Kommissionsmotion (22.3371) beschlossen, wonach der Bundesrat beauftragt wird, den Einsatz von sogenannten Abstimmungsschablonen vorzusehen.

Kostenloser Zugang zu Dokumenten der Bundesverwaltung

In der vergangenen Frühjahrssession hat sich nun auch der Ständerat für die Vorlage des Nationalrates betreffend eine Änderung des Öffentlichkeitsgesetzes ausgesprochen. Gemäss dieser Vorlage sollen für den Zugang zu amtlichen Dokumenten gemäss Öffentlichkeitsgesetz grundsätzlich keine Gebühren erhoben werden (16.432 n Pa. Iv. Graf-Litscher. Gebührenregelung. Öffentlichkeitsprinzip in der Bundesverwaltung). Gebühren können nur in Ausnahmefällen für die Bearbeitung besonders aufwändiger Fälle vorgesehen werden. Im Gegensatz zum Nationalrat will der Ständerat keine Maximalgebühr von 2000 Franken für die Bearbeitung solcher aufwändiger Gesuche festlegen. Die Kommission des Nationalrates beantragt ihrem Rat mit 15 zu 8 Stimmen, an seiner Version festzuhalten und eine Maximalgebühr vorzusehen. Der Grundsatz der Gebührenfreiheit soll nicht umgangen werden können.

Titel von Gesetzen sollen aussagekräftig sein

Mit 18 zu 7 Stimmen hält die Kommission an ihrem Beschluss fest, der parlamentarischen Initiative von Jürg Grossen (GL, BE) Folge zu geben (20.462). Die Initiative verlangt eine bessere Überprüfung der Übereinstimmung von Titel und Inhalt von Gesetzen, insbesondere, wenn das Parlament grosse Änderungen am Gesetzesprojekt vorgenommen hat. Die Kommission sieht nach wie vor Handlungsbedarf, gibt es doch immer wieder Beispiele von Gesetzen, bei welchen ein aussagekräftiger Untertitel fehlt. Vielleicht wird die Lösung nicht in einer gesetzgeberischen Anpassung bestehen, aber das Thema muss vertieft werden.

Rechte der Ratsmitglieder für den Zugriff auf Kommissionsunterlagen

Die Kommission hält mit 22 zu 0 Stimmen bei 2 Enthaltungen an ihrem Beschluss fest, der von Nationalrat Matthias Jauslin eingereichten parlamentarischen Initiative 20.461 («Endlich den Zugriff auf alle Kommissionsunterlagen sicherstellen!») Folge zu geben. Die Arbeit der Ratsmitglieder, welche Vertretungen in anderen Kommissionen wahrnehmen, soll erleichtert werden, indem sie einfacher Zugang auch zu allen Unterlagen kommissionsinterner Geschäfte haben. Die Wahrung des Kommissionssitzungsgeheimnisses hängt nicht wie von der Ständeratskommission befürchtet von diesem erleichterten Zugang zu einigen Dokumenten ab. Dieses ist vielmehr dadurch zu wahren, dass Verstösse gegen das Sitzungsgeheimnis konsequent sanktioniert werden.

Die Kommission tagte am 31. März 2022 unter dem Vorsitz von Nationalrat Marco Romano (M-E, TI) in Bern.