Die Staatspolitische Kommission des Nationalrates (SPK-N) beantragt mit 15 zu 10 Stimmen, den Entwurf des Adressdienstgesetzes an den Bundesrat zurückzuweisen.

Mit dem vom Bundesrat vorgeschlagenen nationalen Adressdienst (NAD) sollen bestimmte Verwaltungsstellen sowie Dritte mit gesetzlichem Auftrag die Adressdaten der Wohnbevölkerung in der ganzen Schweiz abfragen können. Gegenwärtig sind solche Abfragen nur auf Gemeinde- oder Kantonsebene möglich, weshalb Interesse an einem zentralen Register besteht, in dem all diese Informationen enthalten sind.

Der Ständerat nahm den Entwurf in der Wintersession 2023 mit grosser Mehrheit und mit nur einer Änderung an.

Die Mehrheit der SPK-N ist jedoch der Meinung, der Entwurf des Adressdienstgesetzes (23.039) habe ein grundlegendes Problem mit der Verfassungsmässigkeit und überzeuge auch aus materieller Sicht nicht. Der Bund verfüge nämlich nicht über die nötige Verfassungsgrundlage, um in diesem Bereich tätig zu werden. Aus materieller Sicht sei zudem nicht ersichtlich, welche Vorteile das Vorhaben den Bürgern bringt. Die Kommission beantragt deshalb, die Vorlage mit folgenden zwei Aufträgen an den Bundesrat zurückzuweisen: Einerseits soll er andere Modelle prüfen, mit denen das angestrebte Ziel erreicht werden kann, die Handlungskompetenz aber bei den Kantonen verbleibt. Andererseits soll er, sofern er trotzdem ein Bundesgesetz will, eine geeignete Verfassungsgrundlage vorschlagen, den konkreten Nutzen des Vorhabens auch für die Privaten aufzeigen und für die Betroffenen das Once-Only-Prinzip umsetzen.

Transparenz im Parlamentsbetri​eb

Die Mitglieder der Bundesversammlung müssen gemäss geltendem Recht angeben, welche beruflichen und nebenberuflichen Tätigkeiten sie neben dem Parlamentsmandat ausüben und ob sie dafür entschädigt werden oder nicht. Gemäss Ansicht der SPK ist damit genügend Transparenz hergestellt. Die Kommission spricht sich deshalb mit 13 zu 12 Stimmen gegen eine parlamentarische Initiative von Ständerätin Mazzone (22.485) aus, welcher die Schwesterkommission des Ständerates zugestimmt hatte. Die Initiative verlangt, dass die Ratsmitglieder für jede Nebentätigkeit angeben müssen, in welche Spanne die dafür erhaltene Entschädigung fällt, und seit wann sie die Tätigkeit ausüben. Nach Ansicht der Kommission wäre es jedoch kaum möglich, trennscharf zwischen Beruf und Nebentätigkeiten zu unterscheiden, was eine Umsetzung der Initiative schwierig macht. Es ist auch nicht zu erwarten, dass seitens der Bevölkerung ein grosses Interesse an dieser Information besteht. Eine Minderheit möchte diesen bescheidenen Schritt für etwas mehr Transparenz machen, welcher es erlaubt, eine Gewichtung der Mandate vorzunehmen.

Hingegen ist die Kommission der Ansicht, dass im Sinne einer Gleichbehandlung mit den Personen, welche von einem Ratsmitglied eine Zugangsberechtigung zum Parlamentsgebäude erhalten, auch die Liste der Vertreterinnen und Vertreter der Kantone, welche eine Zugangsberechtigung haben, veröffentlicht werden soll. Die Kommission spricht sich deshalb mit 13 zu 12 Stimmen für eine parlamentarische Initiative von Nationalrätin Masshardt (23.425) aus. Eine Minderheit sieht darin keinen Mehrwert.

Stimm- und Wahlrechtsalter soll bei 18 Jahren bleiben

Die Kommission bleibt bei ihrer ablehnenden Haltung zur parlamentarischen Initiative 19.415 «Den jungen Menschen eine Stimme geben. Aktives Stimm- und Wahlrecht für 16-Jährige als erster Schritt ins aktive politische Leben», durch die das Stimm- und Wahlrechtsalter auf nationaler Ebene um zwei Jahre gesenkt werden soll. Sie beantragt ihrem Rat mit 15 zu 10 Stimmen abermals, die Initiative abzuschreiben. Der Rat hatte trotz mehrheitlich negativer Vernehmlassungsergebnisse in der Sommersession 2023 beschlossen, die Initiative entgegen dem Antrag der SPK nicht abzuschreiben.

Die SPK hält aus bekannten Gründen an ihrer ablehnenden Haltung fest: Ein Stimm- und Wahlrechtalters von 16 Jahren würde in einem ungerechtfertigten Gegensatz zu den zivil- oder strafrechtlichen Rechten und Pflichten stehen, die für Schweizerinnen und Schweizer ab dem Alter von 18 Jahren gelten. Die Kommission erachtet es zudem als problematisch, die Altersschwelle für das aktive und für das passive Wahlrecht zu trennen. Sie verweist erneut auf die deutliche Ablehnung in der Vernehmlassung, insbesondere auch von der Seite der Kantone. Der neu zusammengesetzte Rat soll die Möglichkeit haben, diese Frage nochmals grundsätzlich zu entscheiden. Die Kommissionsminderheit verweist hingegen darauf, dass sich der Nationalrat bereits mehrmals für das Stimmrechtsalter 16 ausgesprochen hat und die Kommission deshalb dem Rat die Möglichkeit geben sollte, eine Detailberatung durchzuführen.

Politische Teilhabe von Menschen mit Behinderung: Annahme eines Postulats

Die Kommission hat nach Kenntnisnahme des Berichts des Bundesrates in Erfüllung des von Ständerätin Carobbio Guscetti eingereichten Postulats 21.3296 («Menschen mit einer geistigen Behinderung sollen umfassend am politischen und öffentlichen Leben teilhaben können») eine ausführliche Diskussion über dieses Thema geführt. Im Rahmen der Beratung von drei Petitionen (23.2019, 23.2020 und 23.2021) der Behindertensession, die alle verlangen, dass die Ausübung der politischen Rechte für Menschen mit Behinderung auf verschiedene Weise verbessert wird, hat sich die Kommission u. a. mit dem Einfluss der Urteilsunfähigkeit und der Beistandschaft auf den Entzug der politischen Rechte und mit der Publikation der Abstimmungsunterlagen in Leichter Sprache befasst. Dabei wurden mehrere Vorschläge gemacht. Angesichts der Bedeutung und Komplexität des Themas hat die Kommission jedoch beschlossen, sich an einer ihrer nächsten Sitzungen erneut mit diesen Petitionen zu befassen und erst dann über sie zu befinden. Sie hat allerdings bereits mit 13 zu 12 Stimmen ein Postulat (24.3001) beschlossen, das den Bundesrat auffordert, mehrere konkrete Massnahmen zu prüfen, mit denen die politische Teilhabe von Menschen mit Behinderungen gewährleistet werden soll.

Austausch von Strafregisterdaten mit Italien

Die Kommission hat einstimmig ein Postulat (24.3002) beschlossen, das den Bundesrat beauftragt, zu prüfen, ob der Abschluss eines bilateralen Abkommens mit Italien zum Austausch von Strafregisterdaten – beispielsweise im Hinblick auf ein Strafverfahren oder die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung – für die Schweiz möglich und zweckmässig wäre.

Gesundheitsfolgenabschätzung als Bestandteil der Botschaften des Bundesrates

Die Kommission beantragt mit 15 zu 10 Stimmen, der parlamentarischen Initiative 23.407 von Nationalrat Felix Wettstein keine Folge zu geben. Diese verlangt, dass in den Botschaften des Bundesrates systematisch die Auswirkungen der Erlassentwürfe auf die menschliche Gesundheit evaluiert werden (Gesundheitsfolgenabschätzung).

In den Augen der Kommission besteht in diesem Bereich kein Handlungsbedarf. Gemäss geltendem Recht (Art. 141 Abs. 2 ParlG) müssen in den Botschaften des Bundesrates die Gesundheitsfolgen bereits darlegt werden, wenn dies für den Erlassentwurf, der erläutert wird, relevant ist. Daher ist es nach Meinung der Kommission nicht sinnvoll, ein bereits ausreichend komplexes Gesetzgebungsverfahren zusätzlich zu verkomplizieren.

Die Minderheit beantragt, der Initiative Folge zu geben, um den Bundesrat dazu anzuhalten, die Gesundheitsfolgen seiner Vorlagen systematischer in seine Überlegungen einzubeziehen.

Die Kommission tagte am 11./12. Januar 2024 unter dem Vorsitz von Nationalrätin Greta Gysin (G, TI) in Bern.