Die Staatspolitische Kommission des Ständerates erachtet die von Ständerat Beat Rieder (VS) eingereichte parlamentarische Initiative 19.414 («Verbot der Annahme von bezahlten Mandaten im Zusammenhang mit der Einsitznahme in parlamentarischen Kommissionen») als nicht umsetzbar. Sie hat den Entwurf zur Umsetzung dieser Initiative in der Gesamtabstimmung deshalb einstimmig abgelehnt und beantragt ihrem Rat die Abschreibung der Initiative.

Die Staatspolitischen Kommissionen beider Räte hatten dieser parlamentarischen Initiative zunächst Folge geben. Die Initiative will den Ratsmitgliedern untersagen, bezahlte Mandate von Unternehmen oder Organisationen anzunehmen, die von rechtlichen Regelungen betroffen sein könnten, für deren Beratung diejenigen Kommissionen zuständig sind, denen die Ratsmitglieder angehören. Bei der Konkretisierung dieses Anliegens im Parlamentsgesetz zeigte sich allerdings, dass die Initiative rechtliche und praktische Fragen aufwirft. Nach der Anhörung von Fachleuten und der Einholung eines Rechtsgutachtens des Bundesamts für Justiz über die Verfassungsmässigkeit des Vorhabens ist die Kommission zum Schluss gekommen, dass keine verfassungskonforme Umsetzung des Initiativanliegens möglich ist, insbesondere deshalb nicht, weil eine Ungleichbehandlung zwischen den Ratsmitgliedern geschaffen und deren wirtschaftliche Freiheit übermässig eingeschränkt würde. Zudem brächte eine entsprechende Regelung zu viele Auslegungs- und Anwendungsprobleme mit sich. Vor dem Hintergrund, dass den Bürgerinnen und Bürgern die Transparenz über die Nebentätigkeiten der Ratsmitglieder ein Anliegen ist, hat die Kommission eingehend darüber diskutiert, eine Kommissionsinitiative einzureichen, welche eine Ausdehnung der aktuellen Offenlegungspflichten verlangt. Mit 7 zu 4 Stimmen bei 1 Enthaltung ist sie allerdings zum Schluss gelangt, dass dies keinen Mehrwert bringen würde und das geltende Recht ausreichend ist.

Auf dem Stimmzettel soll nur die Abstimmungsfrage stehen

Mit 9 zu 1 Stimmen und 1 Enthaltung spricht sich die Kommission gegen eine vom Nationalrat am 7. Juni 2022 deutlich angenommene Motion aus, wonach auf dem Stimmzettel auch ein Hinweis auf einen allfälligen indirekten Gegenentwurf zu einer Volksinitiative enthalten sein soll (22.3132). Die Kommission ist der Ansicht, dass auf dem Stimmzettel einzig und allein die zur Diskussion stehende Vorlage aufgeführt sein soll. Die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger haben sich zu äussern, ob sie eine konkrete Vorlage annehmen oder ablehnen wollen. Sind auf dem Stimmzettel weitere Vorlagen aufgeführt, dann kann Unsicherheit darüber entstehen, über was abgestimmt wird. Es wird nicht mehr Transparenz geschaffen, sondern die Übersichtlichkeit geht verloren. Die Präsentation allfälliger indirekter Gegenentwürfe zu Volksinitiativen gehört in die Erläuterungen des Abstimmungsbüchleins.

Nein zur inklusiven Schreibweise in offiziellen französischen Dokumenten des Bundes

Die von Nationalrat Benjamin Roduit eingereichte und vom Nationalrat angenommene Motion 21.3143 («Die Beachtung der Regeln der französischen Sprache ist wichtiger als Ideologie») verlangt, dass die Bundesverwaltung in offiziellen französischen Dokumenten des Bundes keine inklusive Schreibweise verwendet. Die Kommission teilt das Anliegen des Motionärs im Wesentlichen, ist aber der Ansicht, dass dieses bereits erfüllt ist, da die einschlägigen Schreibweisungen der Bundeskanzlei aktuell keine Verwendung solcher Schreibweisen vorsehen. Sie beantragt deshalb mit 5 zu 1 Stimmen bei 5 Enthaltungen, die Motion abzulehnen.

Vorlagen des Bundesrates im Bereich des Ausländer- und Integrationsrechts (AIG)

Die Kommission hat vier Vorlagen des Bundesrates im Bereich des Ausländer- und Integrationsrechts (AIG) zuhanden des Rates verabschiedet: Die erste Vorlage betrifft kantonale Ausreisezentren in Grenzregionen (22.044). In diesen Zentren können ausreisepflichtige Personen ohne Aufenthaltsbewilligung kurzfristig festgehalten werden, um deren Übergabe an einen Nachbarstaat sicherzustellen. Die Kantone sollen dafür vom Bund finanziell unterstützt werden können. Die Kommission stimmt dieser Vorlage einstimmig zu. Der vom Nationalrat eingefügten Bestimmung zum Ausschluss einer kurzfristigen Festhaltung von Kindern und Jugendlichen unter 15 Jahren schliesst sich die Kommission mit Mehrheitsentscheid nicht an.

Mit der zweiten Vorlage (22.047) wird ermöglicht, dass ausreisepflichtige Personen weiterhin zu einem Covid-19-Test verpflichtet werden können, wenn ihre Wegweisung ansonsten nicht vollzogen werden kann. Die Kommission heisst die Verlängerung der entsprechenden Bestimmung im AIG bis Ende Juni 2024 mit 10 zu 2 Stimmen gut.

Bei den zwei anderen Vorlagen handelt es sich um Schengen-Weiterentwicklungen, welche die Kommission dem Rat einstimmig zur Annahme empfiehlt. Eine betrifft die Reform des Visa-Informationssystems VIS (22.039). Diese EU-Datenbank verbindet die Grenzschutzbeamtinnen und Grenzschutzbeamten an den Schengen-Aussengrenzen mit den Konsulaten der Schengen-Staaten. Dieses System wird ausgeweitet, um sicherzustellen, dass die Behörden über die erforderlichen Informationen verfügen. Die andere Schengen-Weiterentwicklung betrifft die Anpassung des Europäische Reiseinformations- und Genehmigungssystem ETIAS (22.019). Die Kompatibilität soll mit anderen Schengen-Informationssystemen sichergestellt sein.

Keine Ausschaffung von Terroristinnen und Terroristen in Länder, in denen Folter oder Todesstrafe droht

Die Kommission beantragt ihrem Rat einstimmig, die von Nationalrat Fabio Regazzi eingereichte Motion 16.3982 («Ausweisung von Terroristinnen und Terroristen in ihre Herkunftsländer, unabhängig davon, ob sie als sicher gelten oder nicht») abzuschreiben. Das Parlament hatte diese Motion angenommen, doch der Bundesrat vertritt in seinem Bericht vom 4. Mai 2022 (22.055) die Auffassung, dass die Umsetzung des Anliegens aus rechtlicher Sicht unmöglich ist. Das Motionsanliegen verstösst gegen das zwingende Völkerrecht, indem das Non-Refoulement-Prinzip nicht eingehalten würde. Das Non-Refoulement-Prinzip schützt Personen vor einer Ausschaffung in ein Land, in welchem ihnen Folter oder Todesstrafe droht. Die Kommission teilt die Meinung des Bundesrates und bleibt so ihrer Linie treu, die sie schon in einer ersten Phase vertreten hat.

Grundsatz des Lebensmittelpunktes als Kriterium bei Aufenthaltsbewilligungen

Wird eine Aufenthaltsbewilligung erteilt oder verlängert, soll der Lebensmittelpunkt der Person in der Schweiz liegen müssen. Dies soll als Kriterium im Gesetz festgehalten werden. Die Kommission stimmt der Motion von Nationalrat Marchesi (21.4076) ohne Gegenantrag zu.

Berufslehre und Erwerbstätigkeit von abgewiesenen Asylsuchenden und Sans Papiers

Die Kommission hat eine vertiefte Diskussion zum Zugang zu einer beruflichen Ausbildung und zu deren Abschluss sowie über die Ausübung einer Erwerbstätigkeit für abgewiesene Asylsuchende und Sans-Papiers geführt. Sie ist der Meinung, dass Personen mit einem rechtskräftig abgewiesenen Asylgesuch die Schweiz verlassen müssen und dass kein Anreiz für einen unrechtmässen Aufenthalt geschaffen werden soll. Aus diesem Grund empfiehlt die SPK-S dem Rat zwei Motionen zur Ablehnung: mit 8 zu 4 Stimmen lehnt sie die Motion «Erweiterte Härtefallregelung zum Zugang zu beruflichen Ausbildungen» (22.3392) der Schwesterkommission ab; mit 8 zu 3 Stimmen bei 1 Enthaltung die Motion 20.4119 von Nationalrat Regazzi («Ausübung einer Erwerbstätigkeit für Asylsuchende gestatten, die vom SEM einen negativen Asylentscheid erhalten haben und auf die Wegweisung warten»). Eine Minderheit beantragt die Annahme dieser Motionen.

Zu der Motion «Keine Lehrabbrüche von Asylsuchenden, die bereits in den schweizerischen Arbeitsmarkt integriert sind» von Nationalrätin Markwalder (20.3322) hat die Kommission eine erste Diskussion geführt und zusätzliche Informationen von der Verwaltung verlangt.

Die Kommission hat sich zudem mit Bundesrätin Karin Keller-Sutter über die Situation der Geflüchteten aus der Ukraine in der Schweiz und über den Schutzstatus S ausgetauscht. Dabei hat sie konkrete Fragen zur aktuellen Lage und den Herausforderungen im Hinblick auf den kommenden Winter sowie zu einer allfälligen Weiterführung des Schutzstatus S diskutiert.

Die Kommission hat am 17./18. Oktober 2022 unter dem Vorsitz von Ständerat Mathias Zopfi (GL, G) in Bern getagt.