Die GPK-S leitete am 6. Juli 2022 eine Untersuchung über das mutmassliche Verschwinden oder Löschen von E-Mails im GS-EDI ein, nachdem im Kontext der Veröffentlichung des GPK-Berichts «Abklärungen zur versuchten Erpressung von Bundesrat Alain Berset»1 entsprechende Vorwürfe geäussert worden waren. Ausgehend von diesem konkreten Einzelfall nahm die Kommission Abklärungen zu den einschlägigen Regelungen für die Aufbewahrung und Archivierung von Dokumenten in der Bundesverwaltung sowie zu den Vorgaben und Verfahren für den Zugang zu amtlichen Dokumenten gemäss Öffentlichkeitsgesetz (BGÖ) vor. Der heute veröffentlichte
Bericht der GPK-S enthält fünf Empfehlungen an den Bundesrat.
Spannungsfeld zwischen zwei Bundesgesetzen
Die Abklärungen der GPK-S haben gezeigt, dass verschiedene Regelungen in Bezug auf die Ablage und die Archivierung von Dokumenten sowie der Zugang zu diesen bestehen. Die heterogen ausgestalteten Regelungsbereiche verfügen über keine einheitliche Terminologie. Die Kommission ist deshalb der Ansicht, dass das Verhältnis zwischen den Bestimmungen des Archivierungsgesetzes (BGA) und des BGÖ der Klärung bedarf. Im Weiteren erachtet sie es als notwendig, das Zugangsrecht zu Dokumenten, die sowohl amtlichen als auch privaten Charakter aufweisen, zu überprüfen, insbesondere in Bezug auf Magistratspersonen. Sie ersucht den Bundesrat, die Anpassung des einschlägigen Rechts zu prüfen.
Regelung bei Weggang von Mitarbeitenden
Ferner fordert die GPK-S den Bundesrat auf, besondere Massnahmen im Hinblick auf die Einhaltung der Aufbewahrungs- und Archivierungspflicht für Mitarbeitende zu prüfen, welche aus der Bundesverwaltung austreten. Aus Sicht GPK-S wäre eine solche Regelung insbesondere für Angehörige des höheren Kaders zu erlassen.
Zugriff auf gelöschte elektronische Dokumente
Der Auslöser dieser Untersuchung – das Gesuch um den Zugang zu den mutmasslich verschwundenen oder vernichteten E-Mails – veranlasste die GPK-S auch dazu, sich mit den Vorgaben für das Löschen und Wiederherstellen von elektronischen Daten nach Austritt von Mitarbeitenden aus der Bundesverwaltung zu befassen. Sie erachtet die geltende Aufbewahrungsfrist von viereinhalb Monaten je nach hierarchischer Position als unzureichend, da die Archivwürdigkeit und Geschäftsrelevanz gewisser Daten erst nach einer gewissen Zeit ersichtlich sein können. Die GPK-S ersucht den Bundesrat deshalb abzuklären, ob die Aufbewahrungsfrist für elektronische Daten von ausscheidenden Mitarbeitenden zu verlängern ist.
Klärung des sachlichen Anwendungsbereichs des BGÖ
Die Kommission hat im Rahmen ihrer Arbeiten festgestellt, dass in der Lehre und Rechtsprechung Uneinigkeit darüber besteht, ob das BGÖ auch auf abgeschlossene Strafverfahren anwendbar ist. Sie fordert den Bundesrat auf, die Frage zu klären, ob der sachliche Anwendungsbereich des BGÖ bei der nächsten Revision präzisiert werden sollte.
Interventions- oder Verfügungsrecht des EDÖB
Die GPK-S hat im Laufe ihrer Untersuchung ebenfalls festgestellt, dass das Einsichtsrecht des EDÖB im geltenden Recht nicht ausreichend ausgestaltet ist. Der EDÖB sollte aus Sicht der Kommission im Rahmen von Schlichtungsverfahren über die Möglichkeit verfügen, den amtlichen Charakter aller Dokumente und Dossiers zu überprüfen, damit er seinen gesetzlichen Auftrag erfüllen kann. Aus Sicht der GPK-S sollte der Bundesrat deshalb die Möglichkeit prüfen, dem EDÖB im BGÖ ein Interventions- oder Verfügungsrecht für den Fall einzuräumen, dass sein Einsichtsrecht nicht respektiert wird.
Die GPK-S gelangt nach ihren Abklärungen zum Schluss, dass nicht abschliessend beurteilt werden kann, in welchem Umfang die nicht auffindbaren E-Mails existiert haben und ob ein Teil davon eventuell vernichtet wurde. Sie verweist in diesem Zusammenhang darauf, dass das GS-EDI durch seine Weigerung, dem EDÖB die Einsicht in die Dokumente zu gewähren, seinen rechtlichen Verpflichtungen nach BGÖ nicht nachgekommen ist. Gemäss Einschätzung der GPK-S ist davon auszugehen, dass die fraglichen E-Mails nicht nur privater Natur waren, sondern auch einen Bezug zum Amt des Departementsvorstehers hatten. Aus den dargelegten Gründen lässt sich deshalb nicht abschliessend beantworten, ob die Voraussetzungen der Archivwürdigkeit erfüllt waren.
Die Kommission hat am 10. Oktober 2023 unter dem Vorsitz von Ständerat Matthias Michel (FDP, ZG) in Bern getagt.
1Siehe Bericht der GPK vom 14. Juni 2022 (BBl
2022 2083)